schlechte Unendlichkeit:

Hegel definiert die “schlechte Unendlichkeit” als diejenige, bei dem sich die Operation zur Überwindung der Endlichkeit immer gleichbleibend wiederholt (“n+1”) und dabei nie zum Ziel (einem Ende - hier: dem Erreichen der Unendlichkeit) kommt.

Die Bezeichnung “schlechte Unendlichkeit” wird hier in erster Linie benutzt, um falsche Vorstellungen von Unendlichkeit, (etwa aus der Mathematik) abzuwehren, wenn Hegel von Unendlichkeit, im Sinne der unten dargestellten guten, wahren, qualitativen, “philosophischen” Unendlichkeit spricht.

wahre Unendlichkeit:

Problemstellung:

Eine “Wahre” (= ihrem Begriff entsprechende, sich selbst bestimmende) Unendlichkeit wäre hingegen eine, die nicht negativ durch die Endlichkeit bestimmt wäre.

Wenn wir sagen: Unendlichkeit: dann steckt in dem “Un” ein Nicht, eine Negation. Etwas Endliches ist aber etwas, was ein Ende, eine Grenze hat, etwas Begrenztes.

Wir stellen uns dabei eine höhere Ebene (etwa ein Begriff weiter oben in der Begriffshierarchie, z.B. Möbel) vor, und grenzen dann innerhalb dieses Bereich die Sache von den ihr verwandten anderen ab.

Wie dieses aber mit dem Unendlichen machen? Per Definition ist es ja unbegrenzt, hat also keine Grenze, also auch nichts höheres über sich.

Auf der anderen Seite wird es ja in seinem Namen vom endlichen unterschieden. Wenn man sich das aber so vorstellen müsste, dass das Endliche auf der einen Seite steht, das Unendliche auf der anderen Seite, dann gäbe es ja etwas, was noch über dem endlichen und unendlichen steht. (Eine Meta-Unendlichkeit sozusagen. Und kann man dann nicht über dieser Meta-Unendlichkeit eine weitere Meta-Unendlichkeit konstruieren usw? Das ist die Vorstellung, die man in der Mathematik usw hat: immer noch eine höhere Metaebene und noch eine darüber - auch so erzeugt man dann nur “schlechte Unendlichkeit”).

Zudem ist ein Unendliches, welches selbst durch etwas anderes (hier also das endliche) begrenzt wird, insofern ja selbst begrenzt, also nicht unendlich, sondern selbst endlich (dies das selbe Argument nach der anderen Seite hin gewendet).

Frage also: wie ist also das Verhältnis zwischen Endlichem und Unendlichem so zu denken, dass das (die) erwähnte(n) paradox(a) nicht entstehen?

(wem diese Fragestellung neu ist, für den lohnt es sich, an dieser Stelle die Lektüre hier vorerst abzubrechen und vor dem weiterlesen erst einmal für sich selbst zu versuchen, das Paradox zu lösen)

die Lösung:

Die Antwort ergibt sich, bei etwas Nachdenken über die genannten Paradoxien, durch einfache logische Analyse:

Dann bleibt logisch nur übrig, dass das Endliche also im Unendlichen enthalten sein muss, oder, andersherum ausgedrückt, dass das Unendliche alles Endliche einschließt. (Man kann das von der Perspektive der Endlichkeit auch so formulieren, dass das Endliche also am Unendlichen Teil hat, Teil der Unendlichkeit ist).

Diese Unendlichkeit bestimmt sich also selbst und hat ihren Unterschied also in sich (es ist also nicht das abstrakte Allgemeine, das Hegel in einem orientalischem oder indischen Gottesverständnis meint lokalisieren und kritisieren zu können, in dem Gott alles so überstrahlt, so gross ist, dass alles endliche darin/demgegenüber verschwindet)

Konsequenzen:

Das ist ein Kernsatz der Hegelschen Philosophie, man kann weite Teile der Hegelschen Philosophie daraus ableiten, es ist also sehr wichtig das richtig zu verstehen.

z.B. folgt daraus:

das Unendliche ist das Ganze, das Wahre ist das Ganze

Insofern dieses Ganze keine Differenz mehr neben sich enthält sondern alle in sich enthält, entspricht es auch dem umfassendsten Begriff vom Wahrheit. Also auch in diesem Sinne: das Ganze ist die Wahrheit, die Wahrheit ist das Ganze.

das Unendliche ist das Absolute

Analoges ließe sich ueber das Absolute sagen. In meinem Verständnis wären “das Absolute” und das (qualitativ) Unendliche eins, da ich “absolut” im Sinne von nicht-durch-etwas-anderes-beschränkt lese.

Gottesbegriff

Weiter entspricht dieses wahre Ganze, Absolute, Unendliche natürlich auch dem traditionellen Begriff Gottes. Es geht also nicht um einen jenseitigen, sondern um einen immanenten Gott (die Ordnung der Welt). uswusf.

“Gott” ist also nicht in einem Jenseits, und zeigt sich nicht da, wo die übrigen Erklärungen versagen (“ich brauche diese Hypothese nicht”), so dass ein Refugium mit Fortschreiten der Wissenschaften immer weiter zurückgedrängt wird bis an den Anfang der Welt oder noch weiter davor (oder eben nirgends mehr) (Dies ist dann der Gedanke, der hinter den gar nicht so hellen “brights” steht: da wir als prinzipiell erklären können - und Wissenschaftler müssen prinzipiell von dieser “Hypothese” aufgehen - brauchen wir keinen Gott mehr, gibt es ihn nicht).

Sondern “Gott” ist in den Erklärungen, die wir in der Welt finden; nichts davon verschiedenes (die Ordnung der Welt ist nicht jenseits der Welt, sondern in der Welt).

allgemeine Struktur:

Hegel arbeitet an seiner Analyse des Unendlichen eine Struktur heraus, in der das jeweils “Höhere” das “Darunter-Liegende” “übergreift,” “enthält” (von hier aus auch zum Konzept der “Aufhebung”). Aus der Sicht des “Darunter-Liegenden,” Darin-Enthaltenem: das jeweils “Höhere” ist immanent in dem Darunter-Liegenden enthalten (nur so kann ich auch eindeutig das Verhältnis höher / niedriger nachweisen).

Anwendung auf das Verhältnis Wesen - Erscheinung

Angewandt auf das Verhältnis Wesen-Erscheinung: insofern das Wesen etwas höheres als die Erscheinung sein soll, ihre Wahrheit, muss die Erscheinung Teil des Wesens sein, aus diesem ableitbar sein, umgekehrt das Wesen sich in der Erscheinung immanent enthalten sein (Wie soll man sonst zum Wesen kommen, wenn nicht aus den Erscheinungen?).

Also: wenn die Erscheinung die Erscheinung des Wesens ist, dann muss sich dies jeweils wechselseitig an Erscheinung und Wesen zeigen (das diese jeweils die Erscheinung bzw. das Wesen des anderen sind).

aus HegelWerkstatt