Vorbemerkung
Die folgende Behandlung der drei Paragraphen von Hegel in der Enzyklopädie §79-82 behandelt die “drei Momente jedes Logisch-Reellen.” Sie erklären daher, warum wir auf Hegel-System.de und Hegel.net Hegels System in Form von Dreiecken darstellen.
- (Moment α) entspricht dabei dem Dreieck in der Mitte und dem Dreieck links unten
- (Moment β) entspricht dabei den drei kleinen Dreiecken bzw. dem Dreieck rechts unten
- (Moment γ) entspricht dabei der “Aufhebung” im Prozess der durch die Dreiecke geht und im Dreieck oben “aufgehoben” wird.
Vergleiche dazu auch den Artikel “Methode Dreieck”.
Der folgende Kommentar erklärt dabei auch, wie die Dreiecksdarstellung zu verstehen ist und wie man mit ihr umgehen kann.
Näherer Begriff und Einteilung der Logik
Die eigentliche Einteilung der Logik kommt erst in Paragraph 83.
Inwiefern geben also die Paragraphen 79-82 einen “Näherer Begriff und Einteilung der Logik?”
Sie handeln jedenfalls nicht direkt von Sein, Wesen, Begriff (die zum ersten mal in Paragraph 83 systematisch erwähnt werden), sondern von einer Art “Superstruktur” oder Methode die auch dieser Einteilung noch vorausgeht, die man dann aber deshalb auch in der Einteilung wiederfinden wird. Näheres weiter unten.
§ 79 - Einteilung
Das Logische hat der Form nach drei Seiten:
- α) die abstrakte oder verständige,
- β) die dialektische oder negativ-vernünftige,
- γ) die spekulative oder positiv-vernünftige.
Kommentar/Erläuterung dazu
- drei Seiten: es geht also hier nicht in erster Linie um eine Sequenz, sondern mehr um 3 Perspektiven (etwa die drei sichtbaren Seiten etwa eines Tetraeders (Pyramide). Das Bild ist aber unzulänglich, weil die drei Seiten in dem Bild unabhängig voneinander sind und nicht wirklich voneinander unterschieden. Dieser Aspekt kann an dem Bild vom Tetraeder besser so gefasst werden: den drei Momenten entsprechen:
- die Grundseite/Grundriss des Tetraeders,
- die drei sichtbaren Seiten (bzw. vier Seiten insgesamt) des Tetraeders, und
- der durch sie umschlossene Raum dieser “drei Seiten.”
- Aus der einen Seite/Moment schließen wir auf die anderen, jedes der drei Momente ist in dem anderen enthalten.
- zu den Benennungen:
- Dialektik wird von Hegel hier nur als die 2.Seite, nicht als das Ganze genommen. Marxisten reden meistens von Dialektik auch für den Gesamtprozess, für alles 3 zusammen. Für sie ist naturgemäß (wie spätestens weiter unten klar werden wird) der 2. Moment der wichtigste.
- Hegelianer reden meistens von spekulativ, Spekulation für den Gesamtprozess, für alles 3 zusammen
- Die erste “Seite” wird dem Verstand zugeordnet, die 3. der Vernunft. Die 2. Seite wird nur negativ der Vernunft zugeordnet: sie zeigt die Begrenzungen des Verstandes aus der 1.Seite, aber noch nicht den positiven vernünftigen Inhalt
Die drei Seiten als “Momente jedes Logisch-Reellen”
Diese drei Seiten machen nicht drei Teile der Logik aus, sondern sind Momente jedes Logisch-Reellen, das ist jedes Begriffes oder jedes Wahren überhaupt.
- nicht Teile, sondern Momente: das ist ein terminologischer Vorgriff auf die Wesens- (“nicht Teile”) und Begriffslogik (“Momente”). Gemeint ist hier ‘’mehr’ als “nur Teile”: alle Momente sind notwendiger Bestandteil ihres Gesamtzusammenhanges (das Wort kommt angeblich in dieser Benutzung vom physikalischen “Drehmoment”). Die Betonung der “Momente” bedeutet, dass die Betrachtung hier vorab diejenige der Begriffslogik ist, aus der Perspektive wird rückblickend dieser Vorbegriff gegeben
- Beispiel für 3 Momente ist das oben gegebene Tetraeder Beispiel
- Ein praktisches Beispiel für “Momente” sind die Organe eines Tieres/Menschen
- Da die drei Seiten also Momente jeden Begriffs sind, entsprechen sie auf Begriffseben dem Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen (auf diese Parallele wird in hegel-system.de oft hingewiesen) und Begriff, Urteil, Schluß.
- “jedes Logisch-Reellen,” “jedes Wahren überhaupt” - die drei Seiten gelten also, entgegen dem Anschein, den der Titel erweckt, nicht nur für die Logik, sondern auch für die Realphilosophie (Warum sich das nicht widerspricht wird im Laufe der Logik klar - siehe Objekt)
3.Satz
Sie können sämtlich unter das erste Moment, das Verständige, gesetzt und dadurch abgesondert auseinandergehalten werden, aber so werden sie nicht in ihrer Wahrheit betrachtet.
- Der Satz ist natürlich ein Vorgriff, denn das Verständige wird erst im folgenden Paragraph 80 näher behandelt. Es handelt sich hier auf dieser Stufe vor allem um eine Vorabwarnung vor Missverständnissen, wie Hegel sie so viele (meist vergeblich) am Anfang seiner Erläuterungen einflechtet (das Problem dabei ist, dass man diese Warnungen erst rückblickend voll verstehen kann, wenn man die Warnung nicht mehr nötig hat).
- Wenn die drei Seiten tatsächlich drei Momente sind, dann kann man von jedem Moment aus auch die beiden anderen Momente behandeln, jedes ist eine Totalität für sich. Darin ist dann aber gerade noch keine Vollständigkeit erreicht, auch wenn die anderen beiden Seiten aus der einen Perspektive mit behandelt sind, weil eben nicht alle 3 Perspektiven zu ihrem Recht gekommen sind.
- Wenn man die Momente für sich isoliert, verabsolutiert nimmt, so führt…
- der 1.Moment zum Dogmatismus (beim Lehrenden) und zur Borniertheit (beim Lernenden, Anwendenden), Mechanismus usw.
- der 2.Moment zum Empirismus und Skeptizismus
- der 3.Moment zum Mystizismus
Exkurs 1: Die Dreiecksdarstellung auf hegel-system.de und hegel.net sind also für sich eine formale, “verständige” Darstellung, in der die drei Momente nur gesondert dargestellt werden. Insofern fällt diese Dreiecksdarstellung also unter das 1.Moment. Die Dreiecke geben daher auch nur erste Bestimmungen, nicht die ganze Wahrheit (Vgl. dazu auch den “Wahrheit”) wieder.
Exkurs 2: Obiges könnte wichtig werden im Dialog mit anderen Positionen, darum kurz zur Auseinandersetzung mit anderen: Es braucht hier beide Seiten der Vernunft: die negative, um zu zeigen, was falsch ist - sonst braucht man ja nichts zu ändern (und zwar möglichst als implizite Kritik, damit es einen direkt betrifft. aber in der Praxis ist eine Polemik oder ein Paradox, die den anderen zum Nachdenken bringen und ihn selbst auf die implizite Kritik bringen, oft sogar wirkungsvoller), zum anderen die positive, um auch aufzuzeigen, inwiefern das Rationelle am bisher vertretenen aufgehoben werden kann und dabei doch die bestehenden Widersprüche/Paradoxa gelöst werden können (ohne die vorherige / gleichzeitige Kritik besteht sonst auch die Gefahr, das das sonst einfach unter das bestehende Weltbild subsumiert wird, die Unterschiede nicht wahrgenommen werden usw.)
4. Satz
Die Angabe, die hier von den Bestimmungen des Logischen gemacht ist, sowie die Einteilung ist hier ebenfalls nur antizipiert und historisch. 8/168
- Historisch ist hier gemeint im Sinne von nur gegeben, nicht begründet
- Antizipiert heißt: die Begründung wird noch nachgeliefert.
- Hegel bespricht das Thema dieser Paragraphen 79-82 tatsächlich später, in seinem Kapitel zur Methode am Ende der Logik (s. Absolute Idee).
zu den drei Perspektiven (genereller zum 3.Satz), und ihrer jeweiligen Berechtigung:
- die drei Momente sind ‘’auch’’ sequentiell, als Schritte, zu verstehen, aber alle drei sind im Prinzip, ‘’ansich’’, auch in jedem der beiden anderen Momente enthalten
- das erste Moment entspricht also auch dem Anfang
- das zweite Moment entspricht also dem Fortgang, der Entwicklung
- das dritte Moment entspricht also dem Abschluss, der Aufhebung
- in der Logik entspricht
- dem 1.Moment die Seinslogik,
- dem 2.Moment die Wesenslogik und
- dem 3.Moment der Begriffslogik
- (natürlich lassen sich an jeder Stelle im System, und so auch in der Logik, bei einem 3-Schritt die 3 Momente festmachen, aber die 3 großen Bereiche der Logik stehen sozusagen unter dem jeweiligen “Hauptthema” des jeweils ihnen entsprechenden Moments)
- Es wäre nützlich, einmal die Einteilungen von Hegel-system.de bzw. dem Systemposter danach zu untersuchen:
- inwiefern handelt es sich um “innere Besonderheiten” (Wie z.B. die Organe eines Tieres)?
- inwiefern handelt es sich um “äußere Besonderheiten” (wie z.B. die Tierarten)?
- inwiefern lassen sie sich nach dem Schema A-B-E erklären?
- inwiefern lassen sie sich nach dem Schema der Paragraphen 79-82 erklären?
- inwiefern sind sie nur sequentiell?
- inwiefern ist die Einteilung notwendig oder nur “historisch?”
§ 80 - Abstrakt
α) Das Denken als Verstand bleibt bei der festen Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen andere stehen; ein solches beschränktes Abstraktes gilt ihm als für sich bestehend und seiend.
wörtliche Analyse des Zitates
- Die erste Seite, der erste Moment, der 1.Schritt wird von Hegel dem ’‘’Verstand’’’ zugeordnet
- “bleibt stehen”: das Problem ist nicht der Ausgangspunkt, sondern dass nicht weiter fortgeschritten wird
- Grundsatz ist hier, dass die durch den Verstand bewirkte Trennung als solche “fixiert” wird. Der Verstand bleibt sozusagen auf dieser Ebene der Trennung stehen.
- um aber überhaupt weiterzukommen, muss man zumindest vom Ausgangspunkt starten. “Der Verstand kann nicht geschenkt werden”
- “feste Bestimmtheit” - das Denken des Verstandes beschäftigt sich mit der Grenzziehung, der Einteilung.
- “Unterschiedenheit derselben gegen andere” - dito
- mögliche Kritiken an der Position des Verstandes in dem Satz:
- fest: die festen Bestimmungen könnten sich als dynamisch und/oder ineinander übergehend erweisen
- Unterschiedenheit derselbe gegen andere: die Gemeinsamkeit könnte zu wenig beachtet werden
- Dass hingegen eine zu kritisierende Position beschränkt und “abstrakt” ist, gilt bei Hegel immer, gibt keine besonderen Hinweise auf spezielle Mängel hier
- im 1.Absatz des Zusatzes erklärt Hegel dann aber doch noch extra, wie er hier beim Verstand das spezifisch abstrakte sieht!
- für sich bestehend: die Beziehungen auf anderes und/oder Voraussetzungen könnten zu wenig beachtet werden
- seiend: Hinweis auf den Standpunkt der Seins-Logik
- gilt ihm als … : Andeutung, dass sich das noch in der folgenden Untersuchung als trügerisch erweisen wird
weitere Gedanken zu diesem 1.Moment
- Wichtig wäre hier noch, dass das 1.Moment konkret, mit scharf gezogenen Grenzen sein muss. Ohne eine solche “Festigkeit,” gibt es auch kein Fortgehen, abstoßen davon (in dem Sinne ist ein Fehler, von dem man sich abstoßen kann, besser als etwas Unbestimmtes, an dem sich nichts konkretes falsches findet, das aber auch gerade deshalb nicht zum weiteren Fortschritt beiträgt)
- Hegels Jenaer “Wastebook” dazu (Suhrkamp TWA Bd.2, S. 550 oben): Am schädlichsten ist es, ‘’sich vor Irrtümern bewahren zu wollen’’.
- In ihm ist ‘’ansich’’ bereits die weitere Entwicklung enthalten. Das 2. Moment ist die ‘’konkrete’’ Negation des 1. Moments, also von diesem bestimmt, das 3. Moment seine Aufhebung. In Nuce, “Ansich” ist also das Folgende bereits im 1. Moment enthalten. Aus dieser Perspektive könnte man also ausrufen, dass der 1.Schritt der wichtigste ist (ähnlich wie man das im Folgenden jeweils von den beiden anderen Momenten ausrufen kann), er ist das Konzentrat aus dem sich alles entwickelt, in ihm ist schon alles (an sich) enthalten/angelegt.
- Auf der anderen Seite ist dies, solange man nur erst am Ausgangspunkt ist, noch nicht sichtbar (in Anlehnung an die Christliche Terminologie sagt Hegel auch: noch nicht ‘’offenbart’’). Erst im Nachhinein, im Rückblick weiß man, inwiefern das spätere im Ausgangspunkt steckte.
- Wir schreiben so die (alle) Geschichte ständig um. weil sich aus der Änderung unserer Gegenwartsperspektive auch eine Änderung der Perspektive auf die Vergangenheit ergibt.
- Wissenschaftshistorisch (Kuhn usw.) werden so aus unserer späteren Perspektive (im Rückblick) andere Ausgangspunkte wichtig bzw. verschieben sich die Relevanz der Ausgangspunkte bzw. die Aspekte der Ausgangspunkte, die wichtig sind.
- Jedes beliebige Blatt (im mathematisch-topologischen Sinne, verstanden als Knoten-/Endpunkt des Systems, entspricht in etwa “jeder Seite auf http://hegel-system.de”) Stelle lässt sich weiter nach den beiden weiteren Seiten ausbauen. Entsprechend erweitert Hegel sein System ständig, etwa von den frühen Entwürfen zu den späteren und von dem Grundsystem zu den Darstellungen in den Vorlesungen. Hegel schreibt dazu in Paragraph 4 der Nürnberger Enzyklopädie : “Es gibt keine absoluten Grenzen für einen Umfang von Erkenntnissen, die das Besondere einer Wissenschaft ausmachen soll; denn jeder allgemeine oder konkrete Gegenstand kann in seine Arten oder Teile geteilt und jede solche Art wieder als Gegenstand einer besonderen Wissenschaft betrachtet werden.”
§ 81 - Dialektisch
β) Das dialektische Moment ist das eigene Sichaufheben solcher endlichen Bestimmungen und ihr Übergehen in ihre entgegengesetzten.
wörtliche Analyse des Zitats
- dialektisch:
- hier ist im Wort die Zweiheit enthalten. In der Dialektik treten sich also ‘’zwei’’ Positionen gegenüber
- es ist an den Dialog erinnert: wer in Dialog tritt, hat sich gegenseitig etwas zu sagen: es gibt Unterschiede, sonst bräuchte man nicht zu reden, aber auch Gemeinsamkeit (eine gemeinsame Grundlage), sonst wäre der Dialog ebenfalls sinnlos.
- schließlich wird speziell Hegel auch an die Sophisten gedacht haben:
- im Sinne von Streitgespräch
- im Sinne von aus-schwarz-weiß machen
- aber auch im Sinne von Sokrates, der die dialektischen Sophisten mit ihren eigenen Waffen schlug
- endliche Bestimmungen: siehe Para.80
- aufheben: zunächst ist hier sicherlich an Negierung gedacht (mit Perspektive auf die ‘volle’’ Aufhebung)
- eigene sich..:
- schon insofern ein anderes in Konflikt kommt, kann es das nur, wenn es sich an der Grenze des ersten reibt (zum streiten gehören immer zwei)
- es stellt sich aber heraus, das in der Grenze des ersteren sein anderes bereits impliziert war
- übergehen: heißt im Verlauf der Logik und der Realphilosophie viel verschiedenes. Das Gemeinsame davon wäre noch zu bestimmen.
- ihre Entgegengesetzten: das “gesetzt” könnte ein Hinweis darauf sein, das wir es in der Wesensanalyse entgegen setzen
- Verhältnis von Übergehen und Aufheben: zum einen zeigt das Übergehen, das Entgegen-Setzen die Unzulänglichkeit des vorherigen endlichen Standpunktes, darum negative Vernunft: der Verstandesstandpunkt wird kritisiert. Zum 2. wird aber der neue Standpunkt auch kritisiert, auch er hat Selbstwidersprüche, die das weitere Fortschreiten fordern (dies eigentlich schon in Richtung (“weitere Überlegungen”)
Wesentlich …
- Das Dialektische, vom Verstande für sich abgesondert genommen, macht, insbesondere in wissenschaftlichen Begriffen aufgezeigt, den Skeptizismus aus; er enthält die bloße Negation als Resultat des Dialektischen.
- Die Dialektik wird gewöhnlich als eine äußere Kunst betrachtet, welche durch Willkür eine Verwirrung in bestimmten Begriffen und einen bloßen Schein von Widersprüchen in ihnen hervorbringt, so daß nicht diese Bestimmungen, sondern dieser Schein ein Nichtiges und das Verständige dagegen vielmehr das Wahre sei. Oft ist die Dialektik auch weiter nichts als ein subjektives Schaukelsystem von hin- und herübergehendem Räsonnement, wo der Gehalt fehlt und die Blöße durch solchen Scharfsinn bedeckt wird, der solches Räsonnement erzeugt. - In ihrer eigentümlichen Bestimmtheit ist die Dialektik vielmehr die eigene, wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen überhaupt. Die Reflexion ist zunächst das Hinausgehen über die isolierte Bestimmtheit und ein Beziehen derselben, wodurch diese in Verhältnis gesetzt, übrigens in ihrem isolierten Gelten erhalten wird. Die Dialektik dagegen ist dies immanente Hinausgehen, worin die Einseitigkeit und Beschränktheit der Verstandesbestimmungen sich als das, was sie ist, nämlich als ihr Negation darstellt. Alles Endliche ist dies, sich selbst aufzuheben. 8/172 Das Dialektische macht daher die bewegende Seele des wissenschaftlichen Fortgehens aus und ist das Prinzip, wodurch allein immanenter Zusammenhang und Notwendigkeit in den Inhalt der Wissenschaft kommt, so wie in ihm überhaupt die wahrhafte, nicht äußerliche Erhebung über das Endliche liegt.
weitere Überlegungen zum 2.Moment
- Genauso wie beim 1. Moment kann man mit Recht auch argumentieren, dass das 2. Moment das Wichtigste ist: ohne es gäbe es keine Differenz zwischen dem 1. und dem 3. Moment, wären diese einfach identisch.
- (von daher ist es nirgends so, dass in Hegels System das 1. und 3. Moment für sich da sind, aber das 2. fehlt und nachgetragen wird. Sondern wo es fehlt, da sind auch 1. und 3. Moment identisch und bei einem späteren Ausbau werden mit dem 2. Moment auch die Differenzierung zwischen 1. und 3. Moment gefunden (sei es, das das 1. Moment über seine Differenzierung im 3. Moment aufgehoben wird, sei es, dass ein vorhandener Zusammenhang nun “nach vorne” aufgedröselt wird in seine Prinzipien für sich und seine Besonderheiten für sich)
- Letzteres findet sich im Unterschied zwischen der Wesenslogik in der WdL und den Enzyklopädien einerseits und der Logik für die Mittelklasse und anderen früheren Logikversionen Hegels andererseits: in diesen Frühwerken finden sich meist nur der jeweils 3. Schritt, dem in der WdL noch zur Ergänzung 1. und 2. Schritte vorgeschaltet sind
- Hegel dazu in seinem Jenaer “Wastebook” (stw 602, S. 550 unten): “Der Grundsatz eines Systems der Philosophie ist ihr ‘’Resultat’‘. […] Aber niemand wird sich mit diesem Ende […] begnügen, sondern die’‘Bewegung’’, durch welche es zustande kommt, wird für das Wesentliche gehalten.”
- Beim Rechnen will der Lehrer auch nicht nur das Resultat sehen, sondern es kommt ihm auf den Nachvollzug des Rechenweges an, dieser ist das eigentlich Wichtige
- Das 2. Moment ist die ‘’Offenbarung’‘, der’‘Ausdruck’’ des 1. Momentes, dessen, was “ansich” (positiv und negativ) im 1. Moment steckt
- Das 2. Moment ist die ‘’Vermittlung’’ zwischen dem 1. und 3. Moment
- Durch das 2. Moment kommt Fortschritt hinein, nicht nur insofern, dass es die Vermittlung zum 3. Moment ist, sondern auch insofern, dass in ihm neues Material aufgenommen wird, neues Material berücksichtigt wird, dass dann im 3.Moment mit aufgehoben wird
- Das, was das 3. Moment als Aufhebung der ersten 2 Momente bedeutet, ändert sich, wenn das 2.Moment sich ändert
- In Hegels System wird besonders häufig dieses 2. Moment weiter ausgebaut, ausdifferenziert, und damit ändert sich auch unser Verständnis von 1. und 3. Moment, selbst da, wo diese nicht mit geändert werden (weil alle 3 Momente zumindst implizit aufeinander bezogen sind)
- Der Gesamtzusammenhang (als einer der Einheit in der Differenz) wird also in in diesem 2. Moment als die ‘’Differenz’’ (und ‘’Bewegung’’ zur ‘’Offenbarung’’ und damit auch Überwindung der ‘’Widersprüche’’) in dem Gesamtzusammenhang repräsentiert (Die Differenz, die vorher nur “ansich” an dem 1.Moment war, aber nicht “fürsich” ausgedrückt, wird im 2.Moment ausgedrückt, kommt zu ihrem Recht).
§ 82 - Das Spekulative oder Positiv-Vernünftige
γ) Das Spekulative oder Positiv-Vernünftige faßt die Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung auf, das Affirmative, das in ihrer Auflösung und ihrem Übergehen enthalten ist.
- Die Dialektik hat ein positives Resultat, weil sie einen 8/176 bestimmten Inhalt hat oder weil ihr Resultat wahrhaft nicht das leere, abstrakte Nichts, sondern die Negation von gewissen Bestimmungen ist, welche im Resultate eben deswegen enthalten sind, weil dies nicht ein unmittelbares Nichts, sondern ein Resultat ist.
- Dies Vernünftige ist daher, obwohl ein Gedachtes, auch Abstraktes, zugleich ein Konkretes, weil es nicht einfache, formelle Einheit, sondern Einheit unterschiedener Bestimmungen ist. Mit bloßen Abstraktionen oder formellen Gedanken hat es darum überhaupt die Philosophie ganz und gar nicht zu tun, sondern allein mit konkreten Gedanken.
- In der spekulativen Logik ist die bloße Verstandes-Logik enthalten und kann aus jener sogleich gemacht werden; es bedarf dazu nichts, als daraus das Dialektische und Vernünftige wegzulassen; so wird sie zu dem, was die gewöhnliche Logik ist, eine Historie von mancherlei zusammengestellten Gedankenbestimmungen, die in ihrer Endlichkeit als etwas Unendliches gelten.
weitere Überlegungen zum 3. Moment
- Das 3. Moment repräsentiert die Einheit des Verschiedenen so, dass darin die Einheit des Verschiedenen in seinem Zusammenhang aufbewahrt wird
- Bezogen auf die beiden vorherigen Momente werden diese im 3. Moment ‘’aufbewahrt’’
Parallelstellen in der Nürnberger Enzyklopädie
§ 12
Die Logik ist die Wissenschaft des reinen Verstandes und der reinen Vernunft, der eigentümlichen Bestimmungen und Gesetze derselben.
Das Logische hat demnach drei Seiten:
- die abstrakte oder verständige,
- die dialektische oder negativ vernünftige,
- die spekulative oder positiv vernünftige.
Das Verständige bleibt bei den Begriffen in ihrer festen Bestimmtheit und Unterschiedenheit von anderen stehen; das Dialektische zeigt sie in ihrem Übergehen und ihrer Auflösung auf; das Spekulative oder Vernünftige erfaßt ihre Einheit in ihrer Entgegensetzung oder das Positive in der Auflösung und im Übergehen.
§ 13
Verstand und Vernunft werden hierbei gewöhnlich in dem subjektiven Sinne genommen, insofern sie als Denken einem Selbstbewußtsein angehören, und die Logik ist so eine bloß formelle Wissenschaft, die erst eines anderen Inhalts, eines äußeren Stoffes bedarf, wenn etwas wirklich Wahres zustande kommen soll.
§ 14
Ihrem Inhalt nach betrachtet die Logik den Verstand und die Vernunft an und für sich selbst und die absoluten Begriffe als den an und für sich wahren Grund von allem oder das Verständige und Vernünftige, insofern es nicht bloß ein bewußtes Begreifen ist.
Die Logik ist daher an sich selbst spekulative Philosophie, denn die spekulative Betrachtungsart der Dinge ist nichts anderes als die Betrachtung des Wesens der Dinge, welches ebensosehr reiner, der Vernunft eigentümlicher Begriff als die Natur und das Gesetz der Dinge ist.