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Erstes Kapitel: Die Malerei

Der gemäßeste Gegenstand der Skulptur ist das ruhige substantielle Versenktsein des Charakters in sich, dessen geistige Individualität ganz in das leibliche Dasein zu vollständiger Durchdringung herausgeht und das sinnliche Material, das diese Verkörperung des Geistes darstellt, nur nach ((16)) seiten der Gestalt als solcher dem Geiste adäquat macht.

Der Punkt der inneren Subjektivität, die Lebendigkeit des Gemüts, die Seele der eigensten Empfindung hat die blicklose Gestalt weder zur Konzentration des Inneren zusammengefaßt, noch zur geistigen Bewegung, zur Unterscheidung vom äußeren und zur inneren Unterscheidung auseinandergetrieben.

Dies ist der Grund, weshalb uns die Skulpturwerke der Alten zum Teil kaltlassen.

Wir verweilen nicht lange dabei, oder unser Verweilen wird zu einem mehr gelehrten Studium der feinen Unterschiede der Gestalt und ihrer einzelnen Formen.

Man kann es den Menschen nicht übelnehmen, wenn sie für die hohen Skulpturwerke nicht das hohe Interesse zeigen, das dieselben verdienen.

Denn wir müssen es erst lernen, sie zu schätzen; sogleich werden wir entweder nicht angezogen, oder der allgemeine Charakter des Ganzen ergibt sich bald, und für das Nähere müssen wir uns dann erst nach dem umsehen, was ein weiteres Interesse gibt.

Ein Genuß aber, der erst aus Studium, Nachdenken, gelehrter Kenntnis und vielfachem Beobachten hervorgehen kann, ist nicht der unmittelbare Zweck der Kunst.

Und was selbst bei einem auf diesen Umwegen erworbenen Genuß immer noch in den alten Skulpturwerken unbefriedigt bleibt, ist die Forderung, daß ein Charakter sich entwickle, zur Tätigkeit und Handlung nach außen, zur Besonderung und Vertiefung des Inneren übergehe.

Einheimischer wird uns deshalb sogleich bei der Malerei.

In ihr nämlich bricht sich das Prinzip der endlichen und in sich unendlichen Subjektivität, das Prinzip unseres eigenen Daseins und Lebens, zum erstenmal Bahn, und wir sehen in ihren Gebilden das, was in uns selber wirkt und tätig ist.

Der Gott der Skulptur bleibt der Anschauung als bloßes Objekt gegenüber, in der Malerei dagegen erscheint das Göttliche an sich selber als geistiges lebendiges Subjekt, das in die Gemeinde herübertritt und jedem Einzelnen die Möglichkeit gibt, sich mit ihm in geistige Gemeinschaft und Vermittlung zu setzen.

Das Substantielle ist dadurch nicht wie ((17)) in der Skulptur ein in sich beharrendes, erstarrtes Individuum, sondern in die Gemeinde selbst herübergetragen und besondert.

Dasselbe Prinzip unterscheidet nun auch ebensosehr das Subjekt von seiner eigenen Leiblichkeit und äußeren Umgebung überhaupt, als es auch das Innere mit derselben in Vermittlung bringt.

In den Kreis dieser subjektiven Besonderung - als Verselbständigung des Menschen gegen Gott, Natur, innere und äußere Existenz anderer Individuen sowie umgekehrt als innigste Beziehung und festes Verhältnis Gottes zur Gemeinde und des partikularen Menschen zu Gott, Naturumgebung und den unendlich vielfachen Bedürfnissen, Zwecken, Leidenschaften, Handlungen und Tätigkeiten des menschlichen Daseins - fällt die ganze Bewegung und Lebendigkeit, welche die Skulptur sowohl ihrem Inhalt als auch ihren Ausdrucksmitteln nach vermissen läßt, und führt eine unermeßliche Fülle des Stoffs und breite Mannigfaltigkeit der Darstellungsweise, die bisher gefehlt hatte, neu in die Kunst herein.

So ist das Prinzip der Subjektivität auf der einen Seite der Grund der Besonderung, auf der anderen aber ebenso das Vermittelnde und Zusammenfassende, so daß die Malerei nun auch das in ein und demselben Kunstwerke vereinigt, was bis jetzt zweien verschiedenen Künsten zufiel: die äußere Unlgebung, welche die Architektur künstlerisch behandelte, und die an sich selbst geistige Gestalt, die von der Skulptur erarbeitet wurde.

Die Malerei stellt ihre Figuren in eine von ihr selbst in dem gleichen Sinn erfundene äußere Natur oder architektonische Umgebung hinein und weiß dies Äußerliche durch Gemüt und Seele der Auffassung ebensosehr zu einer zugleich subjektiven Abspiegelung zu machen, als sie es mit dem Geist der sich darin bewegenden Gestalten in Verhältnis und Einklang zu setzen versteht.

Dies wäre das Prinzip für das Neue, was die Malerei zu der bisherigen Darstellungsweise der Kunst herzubringt.

Fragen wir jetzt nach dem Gange, den wir uns für die bestimmtere ((18)) Betrachtung vorzuschreiben haben, so will ich hier folgende Einteilung feststellen:

Erstens müssen wir uns wiederum nach dem allgemeinen Charakter umsehen, den die Malerei ihrem Begriff nach in Rücksicht auf ihren spezifischen Inhalt sowie in betreff auf das mit diesem Gehalt zusammenstimmende Material und die dadurch bedingte künstlerische Behandlung anzunehmen hat.

Zweitens sind sodann die besonderen Bestimmungen zu entwickeln, welche in dem Prinzip des Inhalts und der Darstellung liegen und den entsprechenden Gegenstand der Malerei sowie die Auffassungsweisen, Komposition und das malerische Kolorit fester begrenzen.

Drittens vereinzelt sich durch solche Besonderungen die Malerei zu verschiedenen Schulen, welche, wie in den übrigen Künsten, so auch hier ihre historischen Entwicklungsstufen haben.

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  1. Allgemeiner Charakter der Malerei

Wenn ich als das wesentliche Prinzip der Malerei die innere Subjektivität in ihrer Himmel und Erde umfassenden Lebendigkeit der Empfindung, Vorstellung und Handlung, in der Mannigfaltigkeit der Situationen und äußeren Erscheinungsweisen im Leiblichen angegeben und den Mittelpunkt der Malerei dadurch in die romantische, christliche Kunst hineinverlegt habe, so kann jedem sogleich die Instanz einfallen, daß nicht nur bei den Alten vortreffliche Maler zu finden sind, welche in dieser Kunst ebenso hoch als in der Skulptur, d.h. auf der höchsten Stufe standen, sondern daß auch andere Völker, wie die Chinesen, Inder, Ägypter usf., sich nach seiten der Malerei hin Ruhm erworben haben.

Allerdings ist die Malerei durch die Mannigfaltigkeit der Gegenstände, die sie ergreifen, und der Art, in welcher sie dieselben ausführen kann, auch in ihrer Verbreitung über verschiedene Völker weniger beschränkt; dies macht aber ((19)) nicht den Punkt aus, auf den es ankommt.

Sehen wir nur auf das Empirische, so ist dies und jenes in dieser und jener Art von diesen und anderen Nationen in den verschiedensten Zeiten produziert worden; die tiefere Frage jedoch geht auf das Prinzip der Malerei, auf die Untersuchung ihrer Darstellungsmittel und dadurch auf die Feststellung desjenigen Inhalts, der durch seine Natur selbst mit dem Prinzip gerade der malerischen Form und Darstellungsweise übereinstimmt, so daß diese Form die schlechthin entsprechende dieses Inhalts wird.

Wenigstens ist das, was man in Privathäusern der Alten durch Ausgrabungen gefunden hat, von dieser Art.

Dennoch müssen wir die Zierlichkeit des Geschmacks, das Passende der Gegenstände, die Deutlichkeit der Gruppierung sowie die Leichtigkeit der Ausführung und Frische des Kolorits bewundern, Vorzüge, die gewiß noch in einem weit höheren Grade den ursprünglichen Vorbildern eigen waren, nach welchen z.B. die Wandgemälde in dem sogenannten Hause des Tragödiendichters zu Pompeji gearbeitet worden sind.

Von namhaften Meistern ist leider nichts auf uns gekommen.

Wie vortrefflich nun aber auch diese ursprünglicheren Gemälde gewesen sein mögen, so steht dennoch zu behaupten, daß die Alten bei der unerreichbaren Schönheit ihrer Skulpturen die Malerei nicht zu dem Grade der eigentlich malerischen Ausbildung bringen konnten, welchen dieselbe in der christlichen Zeit des Mittelalters und vornehmlich des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts gewonnen hat.

Dies Zurückbleiben der Malerei hinter der Skulptur ist bei den Alten an und für sich zu präsumieren, weil der eigentlichste Kern der griechischen Anschauung mehr als mit jeder anderen Kunst gerade mit dem Prinzip dessen zusammenstimmt, was die Skulptur irgend zu leisten imstande ist.

In der Kunst aber läßt sich der geistige Gehalt ((20)) nicht von der Darstellungsweise abscheiden.

Fragen wir in dieser Rücksicht, weshalb die Malerei erst durch den Inhalt der romantischen Kunstform zu ihrer eigentümlichen Höhe emporgebracht sei, so ist eben die Innigkeit der Empfindung, die Seligkeit und der Schmerz des Gemüts dieser tiefere, eine geistige Beseelung fordernde Gehalt, welcher der höheren malerischen Kunstvollkommenheit den Weg gebahnt und dieselbe notwendig gemacht hat.

Ich will als Beispiel in dieser Rücksicht nur an das wieder erinnern, was Raoul Rochette von der Auffassung der Isis, die den Horus auf den Knien hält, anführt.

Im allgemeinen ist das Sujet hier dasselbe mit dem Gegenstande christlicher Madonnenbilder: eine göttliche Mutter mit ihrem Kinde.

Der Unterschied aber der Auffassung und Darstellung dessen, was in diesem Gegenstande liegt, ist ungeheuer.

Die ägyptische Isis, welche in Basreliefs in solcher Situation vorkommt, hat nichts Mütterliches, keine Zärtlichkeit, keinen Zug der Seele und Empfindung, wie sie doch selbst den steiferen byzantinischen Madonnenbildern nicht gänzlich fehlt.

Was hat nun nicht gar Raffael oder irgendein anderer der großen italienischen Meister aus der Madonna und dem Christuskinde gemacht.

Welche Tiefe der Empfindung, welch geistiges Leben, welche Innigkeit und Fülle, welche Hoheit oder Lieblichkeit, welch menschliches und doch ganz von göttlichem Geiste durchdrungenes Gemüt spricht uns aus jedem Zuge an.

Und in wie unendlich mannigfaltigen Formen und Situationen ist dieser eine Gegenstand oft von den gleichen Meistern und mehr noch von verschiedenen Künstlern dargestellt worden.

Die Mutter, die reine Jungfrau, die körperliche, die geistige Schönheit, Hoheit, Liebreiz, alles dies und bei weitem mehr ist abwechselnd als Hauptcharakter des Ausdrucks herausgehoben.

Überall aber ist es nicht die sinnliche Schönheit der Formen, sondern die geistige Beseelung, durch welche die Meisterschaft sich kundgibt und auch zur Meisterschaft der Darstellung führt.

Der schon öfter von mir angeführte Faun z.B., der den jungen Bacchus auf den Armen hält, ist von höchster Lieblichkeit und Liebenswürdigkeit.

Ebenso die Nymphen, die den Bacchus pflegen, eine Situation, welche eine kleine Gemme in schönster Gruppierung darstellt.

Hier haben wir die ähnliche Empfindung unbefangener, begierdeloser, sehnsuchtsloser Liebe zum Kinde, aber selbst abgesehen von dem Mütterlichen, hat der Ausdruck dennoch die innere Seele, die Tiefe des Gemüts, welcher wir in christlichen Gemälden begegnen, in keiner Weise.

Die Alten mögen zwar Porträts vortrefflich gemalt haben, aber weder ihre Auffassung der Naturdinge noch ihre Anschauung von menschlichen und göttlichen Zuständen ist der Art gewesen, daß in betreff der Malerei eine so innige Begeistigung als in der christlichen Malerei könnte zum Ausdruck gekommen sein.

Daß aber die Malerei diese subjektivere Art der Beseelung fordern muss, liegt schon in ihrem Material.

Ihr sinnliches Element nämlich, in welchem sie sich bewegt, ist die Verbreitung in die Fläche und das Gestalten durch die Besonderung der Farben, wodurch die Form der Gegenständlichkeit, wie sie für die Anschauung ist, zu einem vom Geist an die Stelle der realen Gestalt selbst gesetzten künstlerischen Scheine verwandelt wird.

Im Prinzip dieses Materials liegt es, daß das Äußerliche nicht mehr für sich in seinem - wenn auch von Geistigem beseelten - wirklichen Dasein letzte Gültigkeit behalten soll, sondern in dieser Realität gerade zu einem bloßen Scheinen des inneren Geistes herabgebracht werden muss, der sich für sich als Geistiges anschauen will.

Einen anderen Sinn, wenn wir die Sache tiefer fassen, hat dieser Fortgang von der totalen Skulpturgestalt her nicht.

Es ist das Innere des Geistes, das sich im Widerschein der ((22)) Äußerlichkeit als Inneres auszudrücken unternimmt.

Ebenso führt dann zweitens die Fläche, auf welcher die Malerei ihre Gegenstände erscheinen macht, schon für sich zu Umgebungen, Bezüglichkeiten, Verhältnissen hinaus, und die Farbe fordert als Besonderung des Scheinens nun auch eine Besonderheit des Inneren, welche erst durch Bestimmtheit des Ausdrucks, der Situation und Handlung klarwerden kann und deshalb unmittelbar Mannigfaltigkeit, Bewegung und partikulares inneres und äußeres Leben erheischt.

Dies Prinzip der Innerlichkeit als solcher, welche zugleich in ihrem wirklichen Erscheinen mit der Vielgestaltigkeit des äußeren Daseins verknüpft ist und sich aus dieser partikularen Existenz heraus als in sich gesamnleltes Fürsichsein zu erkennen gibt, haben wir aber als das Prinzip der romantischen Kunstform gesehen, in deren Gehalt und Darstellungsart deshalb das Element der Malerei einzig und allein seinen schlechthin entsprechenden Gegenstand hat.

Umgekehrt können wir gleichfalls sagen, die romantische Kunst, wenn sie zu Kunstwerken fortgehen wolle, müsse sich ein Material suchen, das mit ihrem Inhalte zusammenfalle, und finde dasselbe zunächst in der Malerei, welche deshalb in allen übrigen Gegenständen und Auffassungen mehr oder weniger formell bleibt.

Wenn es daher außer der christlichen Malerei auch eine orientalische, griechische und römische gibt, so bleibt dennoch die Ausbildung, welche diese Kunst innerhalb der Grenzen des Romantischen gewonnen hat, ihr eigentlicher Mittelpunkt, und wir können von orientalischer und griechischer Malerei nur so sprechen, wie wir auch in der Skulptur, die im klassischen Ideal wurzelte und mit der Darstellung desselben ihre wahre Höhe erreichte, von einer christlichen Skulptur zu reden hatten, d.h. wir müssen zugestehen, daß die Malerei erst im Stoffe der romantischen Kunstform den Inhalt erfaßt, der ihren Mitteln und Formen vollständig zusagt und deshalb auch in Behandlung solcher Gegenstände erst ihre Mittel nach allen Seiten gebrauchen und erschöpfen lernt. ((23))

Verfolgen wir diesen Punkt zunächst ganz im allgemeinen, so ergibt sich daraus für den Inhalt, das Material und die künstlerische Behandlungsweise der Malerei folgendes.

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  1. Hauptbestimmung des Inhalts

Die Hauptbestimmung, sahen wir, ist für den Inhalt des Malerischen die für sich seiende Subjektivität.

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a_) Dadurch kann nun weder nach seiten des Inneren die Individualität ganz in das Substantielle eingehen, sondern muss im Gegenteil zeigen, wie sie jeden Gehalt in sich als dieses Subjekt enthält und in demselben sich, ihr Inneres, die eigene Lebendigkeit ihres Vorstellens und Empfindens hat und ausdrückt, - noch kann die äußere Gestalt schlechthin wie in der Skulptur von der inneren Individualität beherrscht erscheinen.

Denn die Subjektivität, obschon sie das Äußere als die ihr zugehörige Objektivität durchdringt, ist dennoch zugleich aus dem Objektiven in sich zurückgehende Identität, welche durch diese Beschlossenheit in sich gegen das Äußerliche gleichgültig wird und dasselbe frei läßt.

Wie deshalb in der geistigen Seite des Inhalts das Einzelne der Subjektivität nicht mit der Substanz und Allgemeinheit unmittelbar in Einheit gesetzt, sondern zur Spitze des Fürsichseins in sich reflektiert ist, so wird nun auch im äußeren der Gestalt die Besonderheit und Allgemeinheit derselben aus jener plastischen Vereinigung zum Vorwalten des Einzelnen und somit Zufälligeren und Gleichgültigeren in der Weise fortgehen, in welcher dies auch sonst schon in der empirischen Wirklichkeit der herrschende Charakter aller Erscheinungen ist.

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b_) Ein zweiter Punkt bezieht sich auf die Ausdehnung, welche die Malerei durch ihr Prinzip in Rücksicht auf die darzustellenden Gegenstände erhält.

Die freie Subjektivität läßt einerseits der gesamten Breite der Naturdinge und allen Sphären der menschlichen Wirklichkeit ihr selbständiges Dasein, andererseits aber kann sie sich in alles Besondere hineinbegeben und es zum Inhalt des ((24)) Inneren machen; ja erst in diesem Verflochtensein mit der konkreten Wirklichkeit erweist sie sich selbst als konkret und lebendig.

Dadurch wird es dem Maler möglich, eine Fülle von Gegenständen in das Gebiet seiner Darstellungen hineinzunehmen, welche der Skulptur unzugänglich bleiben.

Der ganze Kreis des Religiösen, die Vorstellungen von Himmel und Hölle, die Geschichte Christi, der Jünger, Heiligen usf., die äußere Natur, das Menschliche bis zu dem Vorüberfliehendsten in Situationen und Charakteren, alles und jedes kann hier Platz gewinnen.

Denn zur Subjektivität gehört auch das Besondere, Willkürliche und Zufällige des Interesses und Bedürfnisses, das sich deshalb gleichfalls zur Auffassung hervordrängt.

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y_) Hiermit hängt die dritte Seite zusammen, daß die Malerei das Gemüt zum Inhalt ihrer Darstellungen ergreift.

Was im Gemüt lebt, ist nämlich in subjektiver Weise vorhanden, wenn es seinem Gehalt nach auch das Objektive und Absolute als solches ist.

Denn die Empfindung des Gemüts kann zwar zu ihrem Inhalte das Allgemeine haben, das jedoch als Empfindung nicht die Form dieser Allgemeinheit beibehält, sondern so erscheint, wie ich als dieses bestimmte Subjekt mich darin weiß und empfinde.

Um objektiven Gehalt in seiner Objektivität herauszustellen, muss ich mich selbst vergessen.

So bringt die Malerei allerdings das Innere in Form äußerer Gegenständlichkeit vor die Anschauung, aber ihr eigentlicher Inhalt, den sie ausdrückt, ist die empfindende Subjektivität; weshalb sie denn auch nach der Seite der Form nicht so bestimmte Anschauungen des Göttlichen z.B. als die Skulptur zu liefern vermag, sondern nur unbestimmtere Vorstellungen, die in die Empfindung fallen.

Dem scheint zwar der Umstand zu widersprechen, daß wir auch die äußere Umgebung des Menschen, Gebirge, Täler, Wiesen, Bäche, Bäume, Gesträuch, Schiffe, das Meer, Wolken und Himmel, Gebäude, Zimmer usf., vielfach von den berühmtesten Malern zum Gegenstande von Gemälden vorzugsweise ausgewählt sehen; doch was in solchen Kunstwerken ((25)) den Kern ihres Inhaltes ausmacht, sind nicht diese Gegenstände selbst, sondern die Lebendigkeit und Seele der subjektiven Auffassung und Ausführung, das Gemüt des Künstlers, das sich in seinem Werke abspiegelt und nicht nur ein bloßes Abbild äußerer Objekte, sondern zugleich sich selbst und sein Inneres liefert.

Gerade dadurch erweisen sich die Gegenstände in der Malerei auch nach dieser Seite als gleichgültiger, weil das Subjektive an ihnen anfängt als Hauptsache hervorzustechen.

In dieser Wendung gegen das Gemüt, das bei Gegenständen der äußeren Natur oft nur ein allgemeiner Klang der Stimmung sein kann, die hervorgebracht wird, unterscheidet sich die Malerei am meisten von Skulptur und Architektur, indem sie mehr in die Nähe der Musik tritt und aus der bildenden Kunst her den Übergang zu der tönenden macht.

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  1. Das sinnliche Material der Malerei

Das sinnliche Material nun zweitens der Malerei, im Unterschiede von der Skulptur, habe ich bereits mehrfach dem allgemeinsten Grundzuge nach angegeben, so daß ich hier nur den näheren Zusammenhang berühren will, in welchem dies Material mit dem geistigen Inhalt steht, den es vorzugsweise zur Darstellung zu bringen hat.

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  1. Das nächste, was in dieser Rücksicht muss in Betracht gezogen werden, ist der Umstand, daß die Malerei die räumliche Totalität der drei Dimensionen zusammenzieht.

Die vollständige Konzentration wäre die in den Punkt als Aufhebung des Nebeneinander überhaupt und als Unruhein-sich dieses Aufhebens, wie sie dem Zeitpunkt zukommt.

Zu dieser konsequent durchgeführten Negation aber geht erst die Musik fort.

Die Malerei dagegen läßt das Räumliche noch bestehen und tilgt nur eine der drei Dimensionen, so daß sie die Fläche zum Element ihrer Darstellungen macht.

Dies Vermindern der drei Dimensionen zur Ebene liegt in dem Prinzip des Innerlichwerdens, das sich am Räumlichen als Innerlichkeit nur dadurch hervortun kann, daß es die ((26)) Totalität der Äußerlichkeit nicht bestehen läßt, sondern sie beschränkt.

Gewöhnlich ist man geneigt zu meinen, diese Reduktion sei eine Willkür der Malerei, durch welche ihr ein Mangel anklebe.

Denn sie wolle ja doch Naturgegenstände in deren ganzer Realität oder geistige Vorstellungen und Empfindungen vermittels des menschlichen Körpers und dessen Gebärden anschaulich machen; für diesen Zweck aber sei die Fläche unzureichend und bleibe hinter der Natur zurück, welche in ganz anderer Vollständigkeit auftrete.

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aa) Allerdings ist die Malerei in Rücksicht auf das materiell Räumliche noch abstrakter als die Skulptur; aber diese Abstraktion, weit entfernt, eine bloß willkürliche Beschränkung oder menschliche Ungeschicklichkeit der Natur und ihren Produktionen gegenüber zu sein, macht gerade den notwendigen Fortgang von der Skulptur her aus.

Schon die Skulptur war nicht ein Nachbilden bloß des natürlichen, leiblichen Daseins, sondern ein Reproduzieren aus dem Geist und streifte deshalb von der Gestalt alle die Seiten der gewöhnlichen Naturexistenz ab, welche dem bestimmten darzustellenden Inhalt nicht entsprachen.

Dies betraf in der Skulptur die Partikularität der Färbung, so daß nur die Abstraktion der sinnlichen Gestalt übrigblieb.

In der Malerei tritt nun das Entgegengesetzte ein, denn ihr Inhalt ist die geistige Innerlichkeit, die nur im äußeren kann zum Vorschein kommen, als aus demselben in sich hineingehend.

So arbeitet die Malerei zwar auch für die Anschauung, doch in einer Weise, in welcher das Objektive, das sie darstellt, nicht ein wirkliches, totales, räumliches Naturdasein bleibt, sondern zu einem Widerschein des Geistes wird, in welchem er seine Geistigkeit nur insofern offenbar macht, als er das reale Dasein aufhebt und es zu einem bloßen Scheinen im Geistigen fürs Geistige umschafft.

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bb) Dadurch muss hier die Malerei der räumlichen Totalität Abbruch tun und braucht nicht etwa nur aus Beschränktheit der menschlichen Natur auf diese Vollständigkeit Verzicht zu ((27)) leisten.

Indem nämlich der Gegenstand der Malerei seinem räumlichen Dasein nach nur ein Scheinen des geistigen Inneren ist, das die Kunst für den Geist darstellt, löst sich die Selbständigkeit der wirklichen, räumlich vorhandenen Existenz auf und erhält eine weit engere Beziehung auf den Zuschauer als beim Skulpturwerk.

Die Statue ist für sich überwiegend selbständig, unbekümmert um den Beschauer, der sich hinstellen kann, wohin er will; sein Standpunkt, seine Bewegungen, sein Umhergehen ist für das Kunstwerk etwas Gleichgültiges.

Soll diese Selbständigkeit noch bewahrt sein, so muss das Skulpturbild nun auch dem Zuschauer auf jedem Standpunkte etwas geben können.

Bewahrt aber muss dies Fürsichsein des Werks in der Skulptur bleiben, weil sein Inhalt das äußerlich und innerlich auf sich Beruhende, Abgeschlossene und Objektive ist.

In der Malerei dagegen, deren Gehalt die Subjektivität, und zwar die in sich zugleich partikularisierte Innerlichkeit ausmacht, hat eben auch diese Seite der Entzweiung im Kunstwerk als Gegenstand und Zuschauer hervorzutreten, doch sich unmittelbar dadurch aufzulösen, daß das Werk, als das Subjektive darstellend, nun auch seiner ganzen Darstellungsweise nach die Bestimmung herauskehrt, wesentlich nur für das Subjekt, für den Beschauer und nicht selbständig für sich dazusein.

Der Zuschauer ist gleichsam von Anfang an mit dabei, mit eingerechnet, und das Kunstwerk nur für diesen festen Punkt des Subjekts.

Für diese Beziehung auf die Anschauung und deren geistigen Reflex aber ist das bloße Scheinen der Realität genug und die wirkliche Totalität des Raums sogar störend, weil dann die angeschauten Objekte für sich selbst ein Dasein behalten und nicht nur durch den Geist für seine eigene Anschauung darstellig gemacht erscheinen.

Die Natur vermag deshalb ihre Gebilde nicht auf eine Ebene zu reduzieren, denn ihre Gegenstände haben und sollen zugleich ein reales Fürsichsein haben; in der Malerei jedoch liegt die Befriedigung nicht im wirklichen Sein, sondern in dem bloß theoretischen Interesse an dem äußerlichen Widerscheinen ((28)) des Inneren, und sie entfernt damit alle Bedürftigkeit und Anstalt zu einer räumlichen, totalen Realität und Organisation.

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gg) Mit dieser Reduktion auf die Fläche hängt nun auch drittens der Umstand zusammen, daß die Malerei zur Architektur nur in einem entfernteren Bezuge steht als die Skulptur.

Denn Skulpturwerke, selbst wenn sie selbständig für sich auf öffentlichen Plätzen oder in Gärten aufgestellt werden, bedürfen immer eines architektonisch behandelten Postamentes, während in Zimmern, Vorplätzen, Hallen usf. entweder die Baukunst nor als Umgebung der Statuen dient oder umgekehrt Skulpturbilder als Ausschmückung von Gebäuden gebraucht werden und zwischen beiden dadurch ein engerer Zusammenhang stattfindet.

Die Malerei dagegen, sei es in eingeschlossenen Zimmern oder in offenen Hallen und im Freien, beschränkt sich auf die Wand.

Sie hat ursprünglich nur die Bestimmung, leere Wandflächen auszufüllen.

Diesem Berufe genügt sie hauptsächlich bei den Alten, welche die Wände der Tempel und später auch der Privatwohnungen in solcher Weise verzierten.

Die gotische Baukunst, deren Hauptaufgabe die Umschließung in den grandiosesten Verhältnissen ist, bietet zwar noch größere Flächen, ja die immensesten, welche zu denken sind, doch tritt bei ihr sowohl für das Äußere als auch für das Innere der Gebäude die Malerei nur in den früheren Mosaiken als Ausschmückung leerer Flächen ein; die spätere Architektur des vierzehnten Jahrhunderts besonders füllt im Gegenteil ihre ungeheueren Wandungen in einer selbst architektonischen Weise aus, wovon die Hauptfassade des Straßburger Münsters das großartigste Beispiel liefert.

Hier sind die leeren Flächen, außer den Eingangstüren, der Rose und den Fenstern, durch die über die Mauern hingezogenen fensterartigen Verzierungen sowie durch Figuren mit vieler Zierlichkeit und Mannigfaltigkeit ausgeschmückt, so daß es dazu keiner Malereien mehr bedarf.

Für die religiöse Architektur tritt daher die Malerei vornehmlich erst in Gebäuden wieder ((29)) auf, welche sich dem Typus der alten Baukunst zu nähern anfangen.

Im ganzen jedoch trennt sich die christliche religiöse Malerei auch von der Baukunst ab und verselbständigt ihre Werke, wie z.B. in großen Altargemälden, in Kapellen oder auf Hochaltären.

Zwar muss auch hier das Gemälde in bezug auf den Charakter des Ortes bleiben, für welchen es bestimmt ist, im übrigen aber hat es seine Bestimmung nicht nur in der Ausfüllung von Wandflächen, sondern ist um seiner selbst willen wie ein Skulpturwerk da.

Endlich wird die Malerei zur Auszierung von Sälen und Zimmern in öffentlichen Gebäuden, Rathäusern, Palästen, Privatwohnungen usw. gebraucht, wodurch sie sich wieder enger mit der Architektur verbindet, eine Verbindung, durch welche jedoch ihre Selbständigkeit als freie Kunst nicht verlorengehen darf.

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  1. Die weitere Notwendigkeit nun aber für die Aufhebung der Raumdimensionen in der Malerei zur Fläche bezieht sich darauf, daß die Malerei die zugleich in sich besonderte und dadurch an mannigfaltigen Partikularitäten reiche Innerlichkeit auszudrücken den Beruf hat.

Die bloße Beschränkung auf die räumlichen Formen der Gestalt, mit denen sich die Skulptur begnügen kann, löst sich deshalb in der reicheren Kunst auf, denn die Raumformen sind das Abstrakteste in der Natur, und es muss jetzt nach partikularen Unterschieden, insofern ein in sich mannigfaltigeres Material gefordert ist, gegriffen werden.

Zum Prinzip der Darstellung im Räumlichen tritt daher die physikalisch spezieller bestimmte Materie hinzu, deren Unterschiede, wenn sie für das Kunstwerk als die wesentlichen erscheinen sollen, dies an der totalen Räumlichkeit, die nicht mehr das letzte Darstellungsmittel bleibt, selber zeigen und der Vollständigkeit der Raumdimensionen Abbruch tun müssen, um das Erscheinen des Physikalischen herauszuheben.

Denn die Dimensionen sind in der Malerei nicht durch sich selbst in ihrer eigentlichen Realität da, sondern werden nur durch dies Physikalische scheinbar und sichtbar gemacht.

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aa) Fragen wir nun, welcher Art das physikalische Element ((30)) sei, dessen sich die Malerei bedient, so ist dasselbe das Licht als das allgemeine Sichtbarmachen der Gegenständlichkeit überhaupt.

Das bisherige sinnliche, konkrete Material der Architektur war die widerstandleistende, schwere Materie, welche besonders in der Baukunst gerade diesen Charakter der schweren Materie als drückender, lastender, tragender und getragener usf. hervorkehrte und die gleiche Bestimmung auch in der Skulptur noch nicht verlor.

Die schwere Materie lastet, weil sie ihren materiellen Einheitspunkt nicht in sich selbst, sondern in anderem hat und diesen Punkt sucht, ihm zustrebt, durch den Widerstand anderer Körper aber, die dadurch zu tragenden werden, an ihrem Platze bleibt.

Das Prinzip des Lichts ist das Entgegengesetzte der zu ihrer Einheit noch nicht aufgeschlossenen schweren Materie.

Was man auch vom Licht sonst noch aussagen möge, so steht doch nicht zu leugnen, daß es absolut leicht, nicht schwer und Widerstand leistend, sondern die reine Identität mit sich und damit die reine Beziehung auf sich, die erste Idealität, das erste Selbst der Natur sei.

Im Licht beginnt die Natur zum erstenmal subjektiv zu werden und ist nun das allgemeine physikalische Ich, das sich freilich weder zur Partikularität fortgetrieben noch zur Einzelheit und punktuellen Abgeschlossenheit in sich zusammengezogen hat, dafür aber die bloße Objektivität und Äußerlichkeit der schweren Materie aufhebt und von der sinnlichen, räumlichen Totalität derselben abstrahieren kann.

Nach dieser Seite der ideelleren Qualität des Lichts wird es zum physikalischen Prinzip der Malerei.

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bb) Das Licht als solches nun aber existiert nur als die eine Seite, welche im Prinzip der Subjektivität liegt, nämlich als diese ideellere Identität.

In dieser Rücksicht ist das Licht nur das Manifestieren, das sich jedoch hier in der Natur nur als das Sichtbarmachen überhaupt erweist, den besonderen Inhalt aber dessen, was es offenbart, außerhalb seiner als die Gegenständlichkeit hat, welche nicht das Licht, sondern das Andere desselben und damit dunkel ist.

Diese Gegenstände ((31)) nun gibt das Licht in ihren Unterschieden der Gestalt, Entfernung usf. dadurch zu erkennen, daß es sie bescheint, d .h. ihre Dunkelheit und Unsichtbarkeit mehr oder weniger aufhellt und einzelne Teile sichtbarer, d.h. als dem Beschauer näher, hervortreten, andere dagegen als dunkler, d.h. als von dem Beschauer entfernter, zurücktreten läßt.

Denn Hell und Dunkel als solches, insofern nicht die bestimmte Farbe des Gegenstandes dabei in Betracht kommt, bezieht sich überhaupt auf die Entfernung der beschienenen Objekte von uns in ihrer spezifischen Beleuchtung.

In diesem Verhältnis zur Gegenständlichkeit bringt das Licht nicht mehr das Licht als solches, sondern das in sich selbst schon partikularisierte Helle und Dunkle, Licht und Schatten hervor, deren mannigfaltige Figurationen die Gestalt und Entfernung der Objekte voneinander und vom Beschauer kenntlich machen.

Dies Prinzip ist es, dessen sich die Malerei bedient, weil die Besonderung von Hause aus in ihrem Begriffe liegt.

Vergleichen wir sie in dieser Rücksicht mit der Skulptur und Architektur, so stellen diese Künste die realen Unterschiede der räumlichen Gestalt wirklich hin und lassen Licht und Schatten durch die Beleuchtung, welche das natürliche Licht gibt, sowie durch die Stellung des Zuschauers bewirken, so daß die Rundung der Formen hier schon für sich vorhanden und Licht und Schatten, wodurch sie sichtbar wird, nur eine Folge dessen sind, was schon unabhängig von diesem Sichtbarwerden wirklich da war.

In der Malerei dagegen gehört das Helle und Dunkle mit allen seinen Gradationen und feinsten Übergängen selber zum Prinzip des künstlerischen Materials und bringt nur den absichtlichen Schein von dem hervor, was Skulptur und Baukunst für sich real gestalten.

Licht und Schatten, das Erscheinen der Gegenstände in ihrer Beleuchtung ist durch die Kunst und nicht durch das natürliche Licht bewirkt, welches deshalb nur dasjenige Hell und Dunkel und die Beleuchtung sichtbar macht, die hier schon von der Malerei produziert sind.

Dies ist der aus dem eigentlichen Material selbst hervorgehende positive Grund, ((32)) weshalb die Malerei nicht der drei Dimensionen bedarf.

Die Gestalt wird durch Licht und Schatten gemacht und ist für sich als reale Gestalt überflüssig.

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gg) Hell und Dunkel, Schatten und Licht sowie ihr Ineinanderspielen sind nun aber drittens nur eine Abstraktion, welche als diese Abstraktion in der Natur nicht existiert und daher auch nicht als sinnliches Material gebraucht werden kann.

Das Licht nämlich, wie wir bereits sahen, bezieht sich auf das ihm Andere, das Dunkle.

In diesem Verhältnis bleiben jedoch beide Prinzipien nicht etwa selbständig, sondern setzen sich als Einheit, als Ineinander von Licht und Dunkel.

Das in dieser Weise in sich selbst getrübte, verdunkelte Licht, das aber ebenso das Dunkle durchdringt und durchleuchtet, gibt das Prinzip für die Farbe als eigentliches Material der Malerei.

Das Licht als solches bleibt farblos, die reine Unbestimmtheit der Identität mit sich; zur Farbe, die gegen das Licht schon etwas relativ Dunkles ist, gehört das vom Licht Unterschiedene, eine Trübung, mit der sich das Prinzip des Lichts in eins setzt, und es ist deshalb eine schlechte und falsche Vorstellung, sich das Licht als aus den verschiedenen Farben, d.h. aus verschiedenen Verdunklungen zusammengesetzt zu denken.

Gestalt, Entfernung, Abgrenzung, Rundung, kurz, alle Raumverhältnisse und Unterschiede des Erscheinens im Raum werden in der Malerei nur durch die Farbe hervorgebracht, deren ideelleres Prinzip nun auch einen ideelleren Inhalt darzustellen befähigt ist und durch die tieferen Gegensätze, die unendlich mannigfaltigen Mittelstufen, Übergänge und Feinheiten der leisesten Nuancierung in Rücksicht auf die Fülle und Besonderheit der aufzunehmenden Gegenstände den allerbreitesten Spielraum gewährt.

Es ist unglaublich, was hier in der Tat die bloße Färbung vollbringt.

Zwei Menschen z.B. sind etwas schlechthin Unterschiedenes; jeder ist in seinem Selbstbewußtsein wie in seinem körperlichen Organismus für sich eine abgeschlossene geistige und leibliche ((33)) Totalität, und doch ist dieser ganze Unterschied in einem Gemälde nur auf den Unterschied von Farben reduziert.

Hier hört solche Färbung auf, eine andere fängt an, und dadurch ist alles da: Form, Entfernung, Mienenspiel, Ausdruck, das Sinnlichste und das Geistigste.

Und diese Reduktion dürfen wir, wie gesagt, nicht als Notbehelf und Mangel ansehen, sondern umgekehrt: die Malerei entbehrt die dritte Dimension nicht etwa, sondern verwirft sie absichtlich, um das bloß räumlich Reale durch das höhere und reichere Prinzip der Farbe zu ersetzen.

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  1. Dieser Reichtum erlaubt der Malerei nun auch in ihren Darstellungen die Totalität des Erscheinens auszubilden.

Die Skulptur ist mehr oder weniger auf das feste Insichabgeschlossensein der Individualität beschränkt; in der Malerei aber kann das Individuum nicht in der gleichen Begrenzung in sich und nach außen gehalten bleiben, sondern tritt zur mannigfaltigsten Bezüglichkeit über.

Denn einerseits ist es, wie ich schon berührte, in einen weit näheren Bezug auf den Zuschauer gesetzt, andererseits erhält es einen mannigfaltigeren Zusammenhang mit anderen Individuen und der äußeren Naturumgebung.

Das bloße Scheinenmachen der Objektivität gibt die Möglichkeit, sich zu den weitesten Entfernungen und Räumen und allen den verschiedenartigsten darin vorkommenden Gegenständen in ein und demselben Kunstwerk auszubreiten, das jedoch als Kunstwerk ebensosehr ein in sich beschlossenes Ganzes sein und sich in dieser Abschließung nicht als ein bloß zufälliges Aufhören und Begrenzen, sondern als eine der Sache nach zueinander gehörige Totalität von Besonderheiten erweisen muss.

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  1. Prinzip für die künstlerische Behandlung

Drittens haben wir, nach dieser allgemeinen Betrachtung des Inhalts und des sinnlichen Materials der Malerei, kurz noch das allgemeine Prinzip für die künstlerische Behandlungsart anzugeben.

Die Malerei läßt mehr als Skulptur und Baukunst die zwei ((34)) Extreme zu, daß auf der einen Seite die Tiefe des Gegenstandes, der religiöse und sittliche Ernst der Auffassung und Darstellung der idealen Schönheit der Formen, und auf der anderen Seite, bei für sich genommen unbedeutenden Gegenständen, die Partikularität des Wirklichen und die subjektive Kunst des Machens zur Hauptsache wird.

Wir können deshalb auch oft genug zwei Extreme des Urteils hören; bald den Ausruf: welch herrlicher Gegenstand, welche tiefe, hinreißende, bewunderungswürdige Konzeption, welche Großheit des Ausdrucks, welche Kühnheit der Zeichnung; bald wieder den entgegengesetzten: wie herrlich, wie unvergleichlich gemalt.

Dies Auseinandertreten liegt im Begriff der Malerei selbst, ja man kann wohl sagen, daß beide Seiten in gleichmäßiger Ausbildung nicht zu vereinigen sind, sondern daß jede für sich selbständig werden muss.

Denn die Malerei hat sowohl die Gestalt als solche, die Formen der Raumbegrenzung, als auch die Farbe zu ihrem Darstellungsmittel und steht durch diesen ihren Charakter zwischen dem Idealen, Plastischen, und dem Extreme der unmittelbaren Besonderheit des Wirklichen, wodurch auch zwei Arten der Malerei zum Vorschein kommen: die eine, die idealische, deren Wesen die Allgemeinheit ist, die andere, welche das Einzelne in seiner engeren Partikularität darstellt.

(zum Dreieck)

  1. In dieser Rücksicht hat die Malerei erstens, wie die Skulptur, das Substantielle, die Gegenstände des religiösen Glaubens, die großen Begebenheiten der Geschichte, die hervorragendsten Individuen aufzunehmen, obschon sie dies Substantielle in Form innerer Subjektivität zur Anschauung bringt.

Hier ist die Großartigkeit, der Ernst der dargestellten Handlung, die Tiefe des darin ausgedrückten Gemüts das, worauf es ankommt, so daß die Ausbildung und Anwendung all der reichen Kunstmittel, deren die Malerei fähig ist, und der Geschicklichkeit, welche der vollkommen virtuose Gebrauch dieser Mittel erfordert, hier noch ihr vollständiges Recht nicht erhalten kann.

Es ist die Macht des darzustellenden Gehalts und die Versenkung in das Wesentliche ((35)) und Substantielle desselben, welche jene überwiegende Fertigkeit in der Kunst des Malens als das noch Unwesentlichere zurückdrängen.

So sind z.B. die Raffaelischen Kartons von unschätzbarem Wert und zeigen die ganze Vortrefflichkeit der Konzeption, obschon Raffael selbst bei ausgeführten Gemälden - welche Meisterschaft er auch in Zeichnung, Reinheit idealer und dennoch durchweg lebendiger individueller Gestalten, Komposition und Kolorit erreicht haben mag - gewiß im Kolorit, im Landschaftlichen usf. von den holländischen Meistern übertroffen wird.

Mehr noch ist dies bei früheren italienischen Heroen der Kunst der Fall, gegen welche schon Raffael ebensosehr in Tiefe, Macht und Innigkeit des Ausdrucks zurücksteht, als er sie in Kunst des Malens, in Schönheit lebendiger Gruppierung, in Zeichnung usf. überflügelt hat.

(zum Dreieck)

  1. Umgekehrt aber darf, wie wir sahen, die Malerei nicht bei dieser Vertiefung in das Gehaltvolle der Subjektivität und deren Unendlichkeit stehenbleiben, sondern sie hat die Besonderheit, das, was sonst nur das Beiwesen, die Umgebung und den Hintergrund gleichsam ausmacht, selbständig zu entlassen und frei zu machen.

In diesem Fortgange nun vom tiefsten Ernste zur Äußerlichkeit des Partikularen muss sie bis zum Extrem der Erscheinung selbst als solcher, d.h. bis dahin durchdringen, wo aller Inhalt gleichgültig und das künstlerische Scheinenmachen das Hauptinteresse wird.

Mit höchster Kunst sehen wir die flüchtigsten Scheine des Himmels, der Tageszeit, der Waldbeleuchtung, die Scheine und Widerscheine der Wolken, Wellen, Seen, Ströme, das Schimmern und Blinken des Weins im Glase, den Glanz des Auges, das Momentane des Blicks, Lächelns usf. fixieren.

Die Malerei schreitet hier vom Idealischen zur lebendigen Wirklichkeit fort, deren Effekt der Erscheinung sie besonders durch Genauigkeit und Ausführung jeder einzelnsten Partie erreicht.

Doch ist dies keine bloße Emsigkeit der Ausarbeitung, sondern ein geistreicher Fleiß, der jede Besonderheit für sich vollendet und doch das Ganze in Zusammenhang und Fluss ((36)) erhält und hierzu der größten Kunst bedarf.

Hier scheint nun die dadurch erreichte Lebendigkeit im Scheinenmachen des Wirklichen eine höhere Bestimmung als das Ideal zu werden, und bei keiner Kunst wird deshalb mehr über Ideal und Natur gestritten, wie ich schon früher bei anderer Gelegenheit weitläufiger besprochen habe.

Man könnte allerdings die Anwendung aller Kunstmittel bei einem so geringfügigen Stoff als eine Verschwendung tadeln; die Malerei jedoch darf sich dieses Stoffs nicht entschlagen, der wieder seinerseits und allein dazu geeignet ist, mit solcher Kunst behandelt zu werden und diese unendliche Subtilität und Delikatesse des Scheinens zu gewähren.

(zum Dreieck)

  1. Bei diesem allgemeineren Gegensatze nun aber bleibt die künstlerische Behandlung nicht stehen, sondern geht, da die Malerei überhaupt auf dem Prinzip der Subjektivität und Besonderheit beruht, zu einer näheren Partikularisation und Vereinzelung fort.

Die Baukunst und Skulptur zeigt zwar auch nationale Unterschiede, und besonders in der Skulptur läßt sich bereits eine nähere Individualität von Schulen und einzelnen Meistern erkennen; in der Malerei aber dehnt sich diese Verschiedenheit und Subjektivität der Darstellungsweise ganz ebenso ins Weite und Unberechenbare aus, als die Gegenstände, welche sie ergreifen darf, nicht im voraus können begrenzt werden.

Hier vornehmlich macht sich der partikulare Geist der Völker, Provinzen, Epochen und Individuen geltend und betrifft nicht nur die Wahl der Gegenstände und den Geist der Konzeption, sondern auch die Art der Zeichnung, Gruppierung, des Kolorits, der Pinselführung, Behandlung bestimmter Farben usf. bis auf subjektive Manieren und Angewöhnungen herunter.

Weil die Malerei sich im Inneren und Besonderen so unbeschränkt zu ergehen die Bestimmung hat, so ist nun allerdings ebenso des Allgemeinen wenig, was sich bestimmt von ihr sagen läßt, als es des Bestimmten wenig gibt, das im allgemeinen von ihr könnte angeführt werden.

Dennoch dürfen wir uns nicht mit dem begnügen, was ich bisher von ((37)) dem Prinzip des Inhalts, des Materials und der künstlerischen Behandlung erläutert habe, sondern müssen, wenn wir auch das Empirische in seiner weitschichtigen Mannigfaltigkeit beiseite stellen, noch einige besondere Seiten, die sich als durchgreifend erweisen, einer näheren Betrachtung unterwerfen.

(zum Dreieck)

  1. Besondere Bestimmtheit der Malerei

Die verschiedenen Gesichtspunkte, nach denen wir diese festere Charakteristik zu unternehmen haben, sind uns schon durch die bisherige Erörterung vorgeschrieben.

Sie betreffen wiederum den Inhalt, das Material und die künstlerische Behandlung beider.

Was erstens den Inhalt angeht, so haben wir zwar als den entsprechenden Stoff den Gehalt der romantischen Kunstform gesehen, wir müssen jedoch die weitere Frage nach den bestimmteren Kreisen aus dem Reichtume dieser Kunstform aufwerfen, welche sich mit der malerischen Darstellung vorzugsweise zusammenzuschließen geeignet sind.

Zweitens kennen wir wohl das Prinzip des sinnlichen Materials, müssen aber jetzt die Formen näher bestimmen, welche auf der Fläche durch Färbung ausdrückbar sind, insofern die menschliche Gestalt und die sonstigen Naturdinge sollen zur Erscheinung kommen, um die Innerlichkeit des Geistes kundzugeben.

Drittens fragt es sich in der gleichen Weise nach der Bestimmtheit der künstlerischen Auffassung und Darstellung, welche dem verschiedenen Charakter des Inhalts in selber unterschiedener Weise entspricht und dadurch besondere Arten der Malerei herbeiführt.

(zum Dreieck)

  1. Der romantische Inhalt

Ich habe schon früher daran erinnert, daß die Alten vortreffliche Maler gehabt haben, zugleich aber bemerkt, daß der Beruf der Malerei erst durch die Anschauungsweise und ((38)) Art der Empfindung zu erfüllen sei, welche sich in der romantischen Kunstform tätig erweist.

Dem scheint nun aber, von seiten des Inhalts her betrachtet, der Umstand zu widersprechen, daß gerade auf dem Höhepunkte der christlichen Malerei, zur Zeit Raffaels, Correggios, Rubens’ usf., mythologische Gegenstände teils für sich, teils zur Ausschmückung und Allegorisierung von großen Taten, Triumphen, Heiraten der Fürsten usf. sind benutzt und dargestellt worden.

Ähnliches ist auch in neuester Zeit vielfach wieder zur Sprache gekommen.

So hat Goethe z.B. die Beschreibungen des Philostrat von Polygnots Gemälden wieder aufgenommen und diese Sujets sehr schön mit poetischer Auffassung für den Maler aufgefrischt und erneuert.

Ist nun aber mit solchen Vorschlägen die Forderung verbunden, die Gegenstände der griechischen Mythologie und Sagengeschichte oder auch Szenen aus der römischen Welt, zu denen die Franzosen in einer gewissen Epoche ihrer Malerei große Vorliebe gezeigt haben, im spezifischen Sinne und Geist der Alten selbst aufzufassen und darzustellen, so ist hiergegen sogleich im allgemeinen einzuwenden, daß sich dies Vergangene nicht ins Leben zurückrufen lasse und das Spezifische der Antike dem Prinzip der Malerei nicht vollkommen gemäß sei.

Der Maler muss deshalb aus diesen Stoffen etwas ganz anderes machen, einen ganz anderen Geist, eine andere Empfindungs- und Veranschaulichungsweise, als bei den Alten selber darin lag, hineinlegen, um solchen Inhalt mit den eigentlichen Aufgaben und Zwecken der Malerei in Einklang zu bringen.

So ist denn auch der Kreis antiker Stoffe und Situationen im ganzen nicht derjenige, welchen die Malerei in konsequenter Entwicklung ausgebildet hat, sondern er ist im Gegenteil als ein zugleich heterogenes Element, das wesentlich erst muss umgearbeitet werden, verlassen worden.

Denn wie ich schon mehrfach andeutete, hat die Malerei vornehmlich das zu ergreifen, dessen Darstellung sie vornehmlich der Skulptur, Musik und Poesie gegenüber vermittels der äußerlichen Gestalt gewähren kann.

Es ((39)) ist dies die Konzentration des Geistes in sich, welche der Skulptur auszudrücken versagt bleibt, während die Musik wiederum nicht zum Äußerlichen der Erscheinung des Inneren herübertreten und die Poesie selbst nur eine unvollkommene Anschauung des Leiblichen geben kann.

Die Malerei dagegen ist beide Seiten noch zu verknüpfen imstande, sie vermag im Äußerlichen selbst die volle Innigkeit auszudrücken und hat sich deshalb auch die empfindungsreiche Tiefe der Seele und ebenso die tief eingeprägte Besonderheit des Charakters und Charakteristischen zum wesentlichen Inhalt zu nehmen; die Innigkeit des Gefühls überhaupt und die Innigkeit im Besonderen, für deren Ausdruck bestimmte Begebenheiten, Verhältnisse, Situationen nicht bloß als Explikation des individuellen Charakters erscheinen müssen, sondern die spezifische Besonderheit sich als in die Seele und Physiognomie selbst tief eingeschnitten, eingewurzelt und als von der äußeren Gestalt ganz aufgenommen zu zeigen hat.

Zum Ausdruck der Innigkeit überhaupt nun aber ist nicht die ursprünglich ideale Selbständigkeit und Großartigkeit des Klassischen erforderlich, in welcher die Individualität in dem unmittelbaren Einklang mit dem Substantiellen der geistigen Wesenheit und dem Sinnlichen der körperlichen Erscheinung bleibt; ebensowenig genügt der Darstellung des Gemüts die natürliche Heiterkeit, die griechische Froheit des Genusses und selige Versenktheit, sondern zur wahren Tiefe und Innigkeit des Geistes gehört, daß die Seele ihre Gefühle, Kräfte, ihr ganzes inneres Leben durchgearbeitet, daß sie vieles überwunden, Schmerzen gelitten, Seelenangst und Seelenleiden ausgestanden, doch in dieser Trennung sich erhalten habe und aus ihr in sich zurückgekehrt sei.

Die Alten stellen uns in dem Mythos vom Herkules zwar auch einen Heros hin, der nach vielen Mühseligkeiten unter die Götter versetzt wird und dort einer seligen Ruhe genießt; aber die Arbeit, die Herkules vollbringt, ist nur eine äußere Arbeit, die Seligkeit, die ihm als Lohn zugeteilt wird, nur ein stilles Ausruhen, und die alte Prophezeiung, daß Zeus’ Reich durch ((40)) ihn zu Ende gebracht werden solle, hat er, der höchste griechische Held, nicht wahr gemacht, sondern das Ende der Regierung jener selbständigen Götter fängt erst da an, wo der Mensch statt äußerlicher Drachen und Lernäischer Schlangen die Drachen und Schlangen der eigenen Brust, die innere Härtigkeit und Sprödigkeit der Subjektivität überwindet.

Nur hierdurch wird die natürliche Heiterkeit zu jener höheren Heiterkeit des Geistes, welche den Durchgang durch das negative Moment der Entzweiung vollendet und sich durch diese Arbeit die unendliche Befriedigung errungen hat.

Die Empfindung der Heiterkeit und des Glücks muss verklärt und zur Seligkeit geläutert sein.

Denn Glück und Glückseligkeit enthalten noch ein zufälliges natürliches Zusammenstimmen des Subjekts mit äußeren Zuständen; in der Seligkeit aber ist das Glück, das sich noch auf die unmittelbare Existenz bezieht, fortgelassen und das Ganze in die Innerlichkeit des Geistes verlegt.

Seligkeit ist eine Befriedigung, die erworben und so allein berechtigt ist; eine Heiterkeit des Sieges, das Gefühl der Seele, welche das Sinnliche und Endliche in sich ausgetilgt und damit die Sorge abgeworfen hat, die immer auf der Lauer steht; selig ist die Seele, die zwar in Kampf und Qual eingegangen ist, doch über ihr Leiden triumphiert.

(zum Dreieck)

  1. Fragen wir jetzt nach dem, was in diesem Inhalt das eigentlich Ideale sein kann, so ist es die Versöhnung des subjektiven Gemütes mit Gott, der in seiner menschlichen Erscheinung selbst diesen Weg der Schmerzen durchgemacht hat.

Die substantielle Innigkeit ist nur die der Religion, der Frieden des Subjekts, das sich empfindet, doch nur wahrhaft befriedigt ist, insofern es sich in sich gesammelt, sein irdisches Herz gebrochen, sich über die bloße Natürlichkeit und Endlichkeit des Daseins erhoben und in dieser Erhebung sich die allgemeine Innigkeit, die Innigkeit und Einigkeit in und mit Gott erworben hat.

Die Seele will sich, aber sie will sich in einem Anderen, als sie selbst in ihrer Partikularität ist, sie gibt sich deshalb auf gegen Gott, um in ihm sich selber zu ((41)) finden und zu genießen.

Dies ist der Charakter der Liebe, die Innigkeit in ihrer Wahrheit, die begierdelose, religiöse Liebe, welche dem Geiste Versöhnung, Frieden und Seligkeit gibt.

Sie ist nicht der Genuß und die Freude wirklicher, lebendiger Liebe, sondern leidenschaftslos, ja ohne Neigung, nur ein Neigen der Seele; eine Liebe, in der nach der natürlichen Seite ein Tod, ein Abgestorbensein ist, so daß das wirkliche Verhältnis als irdische Verbindung und Beziehung von Menschen zu Menschen als ein vergängliches vorschwebt, das so, wie es existiert, wesentlich nicht seine Vollkommenheit hat, sondern den Mangel der Zeitlichkeit und Endlichkeit in sich trägt und damit eine Erhebung in ein Jenseits herbeiführt, die zugleich ein sehnsuchtsloses, begierdeloses Bewußtsein und Genießen der Liebe bleibt.

Dieser Zug macht das seelenvolle, innere, höhere Ideale aus, das jetzt an die Stelle der stillen größe und Selbständigkeit der Antike tritt.

Den Göttern des klassischen Ideals fehlt es zwar gleichfalls nicht an einem Zug von Trauer, an dem schicksalsvollen Negativen, welches das Scheinen der kalten Notwendigkeit an diesen heiteren Gestalten ist, die jedoch, in selbständiger Göttlichkeit und Freiheit, ihrer einfachen größe und Macht gewiß bleiben.

Solch eine Freiheit aber ist nicht die Freiheit der Liebe, die seelenvoller und inniger ist, da sie in einem Verhalten von Seele zu Seele, von Geist zu Geist liegt.

Diese Innigkeit entzündet den in dem Gemüt gegenwärtigen Strahl der Seligkeit, einer Liebe, die im Leiden und höchsten Verlust sich nicht etwa nur getröstet oder gleichgültig fühlt, sondern je tiefer sie leidet, desto tiefer auch darin das Gefühl und die Gewißheit der Liebe findet und im Schmerze zeigt, an sich und in sich überwunden zu haben.

In den Idealen der Alten dagegen sehen wir, unabhängig von jenem angedeuteten Zuge einer stillen Trauer, wohl nur den Ausdruck des Schmerzes edler Naturen, wie z.B. in der Niobe und dem Laokoon; sie vergehen nicht in Klage und Verzweiflung, sondern bewähren sich groß und hochherzig darin, aber dieses Bewahren ihrer selbst bleibt ((42)) leer: das Leiden, der Schmerz ist gleichsam das Letzte, und an die Stelle der Aussöhnung und Befriedigung muss eine kalte Resignation treten, in welcher das Individuum, ohne in sich zusammenzubrechen, das aufgibt, woran es festgehalten hatte.

Nicht das Niedrige ist zerdrückt, keine Wut, keine Verachtung oder Verdrießlichkeit gibt sich kund, aber die Hoheit der Individualität ist doch nur ein starres Beisichsein, ein erfüllungsloses Ertragen des Schicksals, in welchem der Adel und Schmerz der Seele nicht als ausgeglichen erscheinen.

Den Ausdruck der Seligkeit und Freiheit hat erst die romantische religiöse Liebe.

Diese Einigkeit und Befriedigung nun ist ihrer Natur nach geistig konkret, denn sie ist die Empfindung des Geistes, der sich in einem Anderen eins mit sich selber weiß.

Dadurch sind hier, wenn der dargestellte Inhalt vollständig sein soll, zwei Seiten gefordert, insofern zur Liebe die Verdoppelung geistiger Persönlichkeit notwendig ist; sie beruht auf zwei seibständigen Personen, welche dennoch das Gefühl ihrer Einheit haben.

Mit dieser Einheit jedoch ist immer zugleich das Moment des Negativen verbunden.

Die Liebe nämlich gehört der Subjektivität an, das Subjekt aber ist dieses für sich bestehende Herz, das, um zu lieben, von sich selbst ablassen, sich aufgeben, den spröden Punkt seiner Eigentümlichkeit opfern muss.

Dies Opfer macht das Rührende in der Liebe aus, die nur in der Hingebung lebt und empfindet.

Wenn deshalb der Mensch dennoch in dem Hingeben sein Selbst zurückerhält und in dem Aufheben seines Fürsichseins gerade zum affirmativen Fürsichsein gelangt, so bleibt bei dem Gefühl dieser Einigkeit und ihres höchsten Glücks doch das Negative, die Rührung übrig, nicht sowohl als Empfindung des Opfers als vielmehr der unverdienten Seligkeit, sich dessenungeachtet selbständig und mit sich in Einheit zu fühlen.

Die Rührung ist das Gefühl des dialektischen Widerspruchs, die Persönlichkeit aufgegeben zu haben und doch selbständig zu sein, ein Widerspruch, der in der Liebe vorhanden und in ihr ewig gelöst ist. ((43))

Was nun die Seite der besonderen menschlichen Subjektivität in dieser Innigkeit anbetrifft, so hebt die eine beseligende, den Himmel in ihr genießende Liebe über das Zeitliche und die besondere Individualität des Charakters hinaus, der etwas Gleichgültiges wird.

Schon die Götterideale der Skulptur gehen, wie bemerkt worden, ineinander über; indem sie aber dem Inhalt und dem Kreise der ersten, unmittelbaren Individualität nicht entnommen sind, so bleibt diese Individualität dennoch die wesentliche Form der Darstellung.

In jenem reinen Strahle der Seligkeit dagegen ist die Besonderheit aufgehoben; vor Gott sind alle Menschen gleich, oder vielmehr die Frömmigkeit macht sie wirklich gleich, so daß es nur die angegebene Konzentration der Liebe ist, auf deren Ausdruck es ankommt und welche ebenso des Glücks oder dieses und jenes einzelnen Gegenstandes nicht bedarf.

Freilich braucht auch die religiöse Liebe zu ihrer Existenz bestimmte Individuen, die auch außer dieser Empfindung einen anderweitigen Kreis ihres Daseins haben; da jedoch die seelenvolle Innigkeit hier den eigentlich idealen Inhalt abgibt, so findet dieselbe nicht in der besonderen Verschiedenheit des Charakters und seines Talentes, seiner Verhältnisse und Schicksale ihre Äußerung und Wirklichkeit, sondern ist vielmehr darüber erhoben.

Wenn man daher in unserer Zeit die Rücksicht auf den Unterschied der Subjektivität des Charakters zur Hauptsache in der Erziehung und in dem, was der Mensch an sich selbst zu fordern hat, machen hört, woraus der Grundsatz folgt, daß jeder anders behandelt werden und sich selbst anders behandeln müsse, so steht diese Sinnesweise ganz im Gegensatz gegen die religiöse Liebe, in welcher dergleichen Verschiedenheiten zurücktreten.

Umgekehrt aber erhält die individuelle Charakteristik, gerade weil sie das Unwesentliche ist, das sich mit dem geistigen Himmelreich der Liebe nicht absolut verschmelzt, hier eine größere Bestimmtheit, indem dieselbe, dem Prinzipe der romantischen Kunstform gemäß, frei wird und sich um so charakteristischer ausprägt, als sie die klassische Schönheit, ((44)) das Durchdrungensein der unmittelbaren Lebendigkeit und endlichen Besonderheit von dem geistigen religiösen Gehalte nicht zu ihrem höchsten Gesetze hat.

Dessenunerachtet aber kann und soll dies Charakteristische nicht jene Innigkeit der Liebe trüben, die nun ihrerseits gleichfalls an das Charakteristische als solches nicht gebunden, sondern frei geworden ist und für sich das wahrhaft selbständige geistige Ideale ausmacht.

Den idealen Mittelpunkt nun und Hauptinhalt des religiösen Gebietes bildet, wie schon bei Betrachtung der romantischen Kunstform auseinandergesetzt ist, die in sich versöhnte, befriedigte Liebe, deren Gegenstand in der Malerei, da dieselbe auch den geistigsten Gehalt in Form menschlicher, leiblicher Wirklichkeit darzustellen hat, kein bloßes geistiges Jenseits bleiben, sondern wirklich und gegenwärtig sein muss.

Hiernach können wir die Heilige Familie und vornehmlich die Liebe der Madonna zum Kinde als den schlechthin gemäßen idealen Inhalt dieses Kreises bezeichnen.

Diesseits und Jenseits dieses Mittelpunktes aber breitet sich noch ein weiter, wenn auch in einer oder anderer Rücksicht weniger in sich selbst für die Malerei vollkommener Stoff aus.

Die Gliederung dieses gesamten Inhalts können wir folgendermaßen feststellen.

(zum Dreieck)

aa) Der erste Gegenstand ist das Objekt der Liebe selbst in einfacher Allgemeinheit und ungetrübter Einheit mit sich: Gott selbst in seinem erscheinungslosen Wesen - Gottvater.

Hier hat die Malerei jedoch, wenn sie Gott, den Vater, wie die religiöse christliche Vorstellung ihn zu fassen hat, darstellen will, große Schwierigkeiten zu überwinden.

Der Vater der Götter und Menschen als besonderes Individuum ist in der Kunst in Zeus erschöpft.

Was dagegen dem christlichen Gottvater sogleich abgeht, ist die menschliche Individualität, in welcher die Malerei das Geistige allein wiederzugeben imstande ist.

Denn für sich genommen, ist Gottvater zwar geistige Persönlichkeit und höchste Macht, Weisheit usf., aber als gestaltlos und als eine Abstraktion des ((45)) Gedankens festgehalten.

Die Malerei aber kann die Anthropomorphisierung nicht vermeiden und muss ihm deshalb eine menschliche Gestalt zuteilen.

Wie allgemein nun, wie hoch, innerlich und machtvoll sie dieselbe auch halten möge, so wird daraus dennoch nur ein männliches, mehr oder weniger ernstes Individuum entstehen, das mit der Vorstellung von Gottvater nicht vollständig zusammenfällt.

Von den alten Niederländern z.B. hat van Eyck in dem Gottvater des Altarbildes zu Gent das Vortrefflichste erreicht, was in dieser Sphäre kann geleistet werden; es ist dies ein Werk, das man dem olympischen Jupiter an die Seite stellen kann; aber wie vollendet es auch durch den Ausdruck der ewigen Ruhe, Hoheit, Macht, Würde usf. sein mag - und es ist in der Konzeption und Ausführung so tief und großartig als irgend möglich -, so bleibt doch darin für unsere Vorstellung etwas Unbefriedigendes.

Denn das, als was Gottvater vorgestellt wird, ein zugleich menschliches Individuum, ist erst Christus der Sohn.

In ihm erst schauen wir dies Moment der Individualität und des Menschseins als ein göttliches Moment, und zwar so an, daß sich dasselbe nicht als eine unbefangene Phantasiegestalt, wie bei den griechischen Göttern, sondern als die wesentliche Offenbarung, als die Hauptsache und Hauptbedeutung erweist.

(zum Dreieck)

bb) Das wesentlichere Objekt der Liebe wird daher in den Darstellungen der Malerei Christus sein.

Mit diesem Gegenstande nämlich tritt die Kunst zugleich ins Menschliche hinüber, das sich hier außer Christus noch zu einem weiteren Kreise ausbreitet, zur Darstellung der Maria, des Joseph, Johannes, der Jünger usf. sowie endlich des Volkes, das teils dem Heiland folgt, teils seine Kreuzigung verlangt und ihn in seinen Leiden verhöhnt.

Hier kehrt nun aber die soeben erwähnte Schwierigkeit wieder, wenn Christus, wie dies in Brustbildern, Porträts gleichsam geschehen ist, in seiner Allgemeinheit soll gefaßt und dargestellt werden.

Ich muss gestehen, daß für mich wenigstens die Christusköpfe, die ich gesehen habe, von Carracci ((46)) z.B.. vornehmlich der berühmte Kopf von van Eyck in der ehemaligen Sollyschen Sammlung, jetzt in dem Berliner Museum, und der von Memling bei den Gebrüdern Boisserèe, jetzt in München, für mich nicht das Befriedigende haben, das sie gewähren sollen.

Der Eycksche ist zwar in der Form. der Stirn, Farbe, der ganzen Konzeption sehr großartig, aber der Mund und das Auge drücken nichts zugleich Übermenschliches aus.

Der Eindruck ist mehr der eines starren Ernstes, welcher durch das Typische der Form, Scheitelung des Haars usf. noch vermehrt wird.

Sind dergleichen Köpfe dagegen in Ausdruck und Gestalt gegen das individueller Menschliche hingewendet und damit zugleich in das Mildere, Weichere, Sanfte, so verlieren sie leicht an Tiefe und Macht der Wirkung; am wenigsten aber, wie ich schon früher anführte, paßt für sie die Schönheit der griechischen Form.

In gemäßerer Weise kann daher Christus in den Situationen seines wirklichen Lebens zum Gegenstande von Gemälden genommen werden.

Doch ist in dieser Rücksicht ein wesentlicher Unterschied nicht zu übersehen.

In der Lebensgeschichte Christi nämlich ist zwar einerseits die menschliche Subjektivität Gottes ein Hauptmoment; Christus wird einer der Götter, aber als wirklicher Mensch, und tritt so als einer derselben unter die Menschen zurück, in deren Erscheinungsweise er deshalb auch, soweit sie das geistige Innere ausdrückt, dargestellt werden kann.

Andererseits aber ist er nicht nur einzelner Mensch, sondern durchaus Gott.

In solchen Situationen nun, wo diese Göttlichkeit aus der menschlichen Subjektivität hervorbrechen soll, stößt die Malerei auf neue Schwierigkeiten.

Die Tiefe des Gehalts fängt an, zu übermächtig zu werden.

Denn in den meisten Fällen, wo Christus z.B. lehrt, wird die Kunst es nicht viel weiter bringen, als daß sie ihn als den edelsten, würdigsten, weisesten Mann darstellt, etwa wie Pythagoras oder sonst einen anderen Weisen in Raffaels “Schule von Athen.”

Eine vornehmlichste Aushilfe ist deshalb nur darin zu suchen, daß die Malerei die ((47)) Göttlichkeit Christi hauptsächlich im Vergleiche zu seiner Umgebung, besonders im Kontraste gegen das Sündliche, die Reue und Buße oder die Niedrigkeit und Schlechtigkeit im Menschen zur Anschauung bringt oder umgekehrt durch Anbetende, welche als Menschen, als seinesgleichen durch ihre Anbetung ihn, der erscheint und da ist, der unmittelbaren Existenz entrücken, so daß wir ihn in den Himmel des Geistes gehoben werden sehen und zugleich den Anblick haben, daß er nicht nur als Gott, sondern als gewöhnliche, natürliche, nicht ideale Gestalt erschienen ist und als Geist wesentlich sein Dasein in der Menschheit, der Gemeinde hat und im Reflexe derselben seine Göttlichkeit ausdrückt.

Diesen geistigen Reflex jedoch müssen wir nicht so nehmen, als wenn Gott in der Menschheit als in einer bloßen Akzidenz oder äußeren Gestaltung und Ausdrucksweise vorhanden sei, sondern wir müssen das geistige Dasein im Bewußtsein des Menschen als die wesentliche geistige Existenz Gottes ansehen.

Eine solche Darstellungsart wird besonders da einzutreten haben, wo Christus als Mann, Lehrer, als Auferstandener oder verklärt und gen Himmel fahrend uns vor Augen gestellt werden soll.

In dergleichen Situationen nämlich sind die Mittel der Malerei, die menschliche Gestalt und ihre Farbe, das Antlitz, der Blick des Auges an und für sich nicht zureichend, um das vollkommen auszudrücken, was in Christus liegt.

Am wenigsten aber kann hier die antike Schönheit der Formen ausreichen.

Besonders die Auferstehung, Verklärung und Himmelfahrt, wie überhaupt alle Szenen aus dem Leben Christi, in welchen er nach der Kreuzigung und dem Tode bereits dem unmittelbaren Dasein als dieser einzelne Mensch entnommen und auf dem Wege der Rückkehr zum Vater ist, fordern in Christus selbst einen höheren Ausdruck der Göttlichkeit, als ihn die Malerei vollständig zu geben vermag, indem sie hier das eigentliche Mittel, durch welches sie darstellen muss, die menschliche Subjektivität in ihrer Außengestalt, verwischen und dieselbe in einem reineren Lichte verklären soll. ((48))

Vorteilhafter und ihrem Zweck entsprechender sind deshalb diejenigen Situationen aus der Lebensgeschichte Christi, in welchen er in sich selbst geistig noch nicht vollendet oder wo die Göttlichkeit gehemmt, erniedrigt, im Momente der Negation erscheint.

Dies ist in Christi Kindheit und in der Passionsgeschichte der Fall.

Daß Christus Kind ist, drückt einerseits bestimmt seine Bedeutung, die er in der Religion hat, aus: er ist Gott, der Mensch wird und deshalb auch den natürlichen Stufengang des Menschlichen durchmacht; andererseits liegt zugleich darin, daß er als Kind vorgestellt wird, die sachliche Unmöglichkeit, das schon alles klar zeigen zu können, was er an sich ist.

Hier hat nun die Malerei den unberechenbaren Vorteil, daß sie aus der Naivität und Unschuld des Kindes eine Hoheit und Erhabenheit des Geistes hervorleuchten läßt, welche teils durch diesen Kontrast schon an Macht gewinnt, teils, eben weil sie einem Kinde angehört, in dieser Tiefe und Herrlichkeit in einem unendlich geringeren Grade zu fordern ist als in Christus dem Manne, Lehrer, Weltrichter usf.

So sind Raffaels Christuskinder, besonders das der Sixtinischen Madonna in Dresden, vom schönsten Ausdruck der Kindlichkeit, und doch zeigt sich in ihnen ein Hinausgehen über die bloß kindliche Unschuld, welches ebensosehr das Göttliche in der jungen Hülle gegenwärtig sehen als auch die Erweiterung dieser Göttlichkeit zur unendlichen Offenbarung ahnen läßt und zugleich wieder im Kindlichen die Rechtfertigung enthält, daß solche Offenbarung noch nicht vollendet dasteht.

Bei van Eyckschen Madonnenbildern dagegen sind die Kinder jedesmal das am wenigsten Gelungene, meist steif und in der mangelhaften Gestalt neugeborener Kinder.

Man will darin etwas Absichtliches, Allegorisches sehen: sie seien nicht schön, weil nicht die Schönheit des Christuskindes das ausmache, was verehrt werde, sondern Christus als Christus.

Bei der Kunst aber darf solche Betrachtung nicht hereinkommen, und Raffaels Kinder stehen als Kunstwerke in dieser Rücksicht weit höher. ((49))

Ebenso zweckmäßig ist die Darstellung der Leidensgeschichte, der Verspottung, Dornenkrönung, des Ecce Homo, der Kreuztragung, Kreuzigung, Abnahme vom Kreuz, Grablegung usf.

Denn hier ist es eben die Göttlichkeit im Gegenteil ihres Triumphes, in der Erniedrigung ihrer unbegrenzten Macht und Weisheit, was den Gehalt abgibt.

Dies bleibt die Kunst nicht nur überhaupt vorzustellen imstande, sondern die Originalität der Konzeption hat zugleich in diesem Inhalte einen großen Spielraum, ohne ins Phantastische auszuschweifen.

Es ist Gott, der leidet, insofern er Mensch ist, in dieser bestimmten Schranke ist, und so zeigt sich der Schmerz nicht nur als menschlicher Schmerz über menschliches Schicksal, sondern es ist ein ungeheures Leiden, die Empfindung unendlicher Negativität, aber in menschlicher Gestalt, als subjektive Empfindung; und doch tritt, indem es Gott ist, der leidet, wiederum die Milderung, Herabsetzung seines Leidens ein, das nicht zum Ausbruch der Verzweiflung, nicht zu Verzerrung und Gräßlichkeit kommen kann.

Dieser Ausdruck von Seelenleiden ist besonders in mehreren italienischen Meistern eine ganz originelle Schöpfung.

Der Schmerz ist in den unteren Teilen des Gesichts nur Ernst, nicht wie im Laokoon ein Verziehen der Muskeln, das auf ein Schreien könnte gedeutet werden, aber in Augen und Stirne sind es Wellen, Stürme des Seelenleidens, die gleichsam sich übereinander herwälzen; die Schweißtropfen der inneren Qual brechen hervor, aber eben auf der Stirn, in welcher der unverrückbare Knochen das Hauptbestimmende ausmacht; und gerade in diesem Punkte, wo Nase, Augen und Stirn zusammenkommen und sich das innere Sinnen, die geistige Natur konzentriert und diese Seite hervortreibt, sind es nur wenige Häute und Muskeln, die keiner großen Verzierung fähig sind und dieses Leiden eben damit gehalten und zugleich unendlich zusammengefaßt erscheinen lassen.

Insbesondere erinnere ich mich eines Kopfes in der Galerie von Schleißheim, in welchem der Meister - ich glaube Guido Reni - und dann auch in ähnlichen Darstellungen andere ((50)) ein ganz eigentümlithes Kolorit erfunden haben, das nicht der menschlichen Farbe angehört.

Sie hatten die Nacht des Geistes zu enthüllen und schufen sich hier eine Farbengebung, die eben diesem Gewittersturme, diesen schwarzen Wolken des Geistes, die zugleich fest umschlossen sind von der ehernen Stirne der göttlichen Natur, aufs herrlichste entspricht.

Als den vollkommensten Gegenstand aber habe ich bereits die in sich befriedigte Liebe angegeben, deren Objekt kein bloß geistiges Jenseits, sondern gegenwärtig ist, so daß wir die Liebe selbst in ihrem Gegenstande vor uns sehen.

Die höchste, eigentümlichste Form dieser Liebe ist die Mutterliebe Marias zu Christus, die Liebe der einen Mutter, die den Heiland der Welt geboren und in ihren Armen trägt.

Es ist dies der schönste Inhalt, zu dem sich die christliche Kunst überhaupt und vornehmlich die Malerei in ihrem religiösen Kreise emporgehoben hat.

Die Liebe zu Gott und näher zu Christus, der zur Rechten Gottes sitzt, ist rein geistiger Art; ihr Gegenstand ist nur den Augen der Seele sichtbar, so daß es hier nicht zu der eigentlichen Verdoppelung kommt, die zur Liebe gehört, und kein zugleich auch natürliches Band die Liebenden befestigt und von Hause aus aneinanderkettet.

Jede andere Liebe umgekehrt bleibt teils in ihrer Neigung zufällig, teils haben die Liebenden, wie Geschwister z.B. oder der Vater in der Liebe zu den Kindern, noch außerhalb dieses Verhältnisses andere Bestimmungen, von welchen sie wesentlich in Anspruch genommen werden.

Der Vater, Bruder haben sich der Welt, dem Staat, Gewerbe, Krieg, kurz, allgemeinen Zwekken zuzuwenden, die Schwester wird Gattin, Mutter usw.

Bei der Liebe der Mutter dagegen ist überhaupt schon die Liebe zum Kinde weder etwas Zufälliges noch ein bloß einzelnes Moment, sondern es ist ihre höchste irdische Bestimmung, in welcher ihr natürlicher Charakter und ihr heiligster Beruf unmittelbar in eins zusammenfallen.

Wenn aber bei der sonstigen Mutterliebe die Mutter im Kinde zugleich den ((51)) Gatten und die innerste Einigung mit demselben anschaut und empfindet, so bleibt in der Beziehung Marias zum Kinde auch diese Seite fort.

Denn ihre Empfindung hat nichts mit ehelicher Liebe zu einem Manne gemein, im Gegenteil, ihr Verhältnis zu Joseph ist mehr geschwisterlicher Art und von Josephs Seite ein Gefühl geheimnisreicher Ehrfurcht vor dem Kinde, das Gottes und Marias ist.

So kommt denn die religiöse Liebe in ihrer vollsten und innigsten menschlichen Form nicht in dem leidenden und erstandenen oder unter seinen Freunden weilenden Christus, sondern in der weiblichen empfindenden Natur, in Maria zur Anschauung.

Ihr ganzes Gemüt und Dasein überhaupt ist menschliche Liebe zu dem Kinde, das sie das ihre nennt, und zugleich Verehrung, Anbetung, Liebe zu Gott, mit dem sie sich eins empfindet.

Sie ist demütig vor Gott und doch in dem unendlichen Gefühl, die Eine zu sein, die vor allen anderen Jungfrauen die gebenedeite ist; sie ist nicht selbständig für sich, sondern erst in ihrem Kinde, in Gott vollendet, aber in ihm, sei es an der Krippe, sei es als Himmelskönigin, befriedigt und beseligt, ohne Leidenschaft und Sehnsucht, ohne weiteres Bedürfnis, ohne anderen Zweck, als zu haben und zu halten, was sie hat.

Die Darstellung dieser Liebe erhält nun von seiten des religiösen Inhalts einen breiten Verlauf: die Verkündigung, die Heimsuchung, Geburt, Flucht nach Ägypten usf. z.B. gehören hierher.

Hierzu gesellen sich dann im späteren Lebensgange die Jünger und Frauen, welche Christus folgen und in welchen die Liebe zu Gott mehr oder weniger ein persönliches Verhältnis der Liebe zu dem lebendigen, gegenwärtigen Heiland wird, der als wirklicher Mensch unter ihnen wandelt; ebenso die Liebe der Engel, die bei der Geburt und vielen anderen Szenen zu Christus in ernsterer Andacht oder unschuldiger Freudigkeit herniederschweben.

In allen diesen stellt besonders die Malerei den Frieden und das volle Genügen der Liebe dar.

Aber dieser Frieden geht ebensosehr zum innersten Leiden ((52)) fort.

Maria sieht Christus das Kreuz tragen, sie sieht ihn am Kreuze leiden und sterben, vom Kreuze herabgenommen und begraben werden, und keines Schmerz von allen ist tiefer als der ihrige.

Doch auch in solchem Leiden macht weder die Starrheit des Schmerzes oder nur des Verlustes noch das Tragen der Notwendigkeit oder die Anklage der Ungerechtigkeit des Schicksals den eigentlichen Inhalt aus, so daß hier besonders die Vergleichung mit dem Schmerze der Niobe charakteristisch wird.

Auch Niobe hat alle ihre Kinder verloren und steht nun da in reiner Hoheit und unverkümmerter Schönheit.

Was sich hier erhält, ist die Seite der Existenz dieser Unglücklichen, die zur Natur gewordene Schönheit, welche den ganzen Umfang ihrer daseienden Realität ausmacht; diese wirkliche Individualität bleibt in ihrer Schöne, was sie ist.

Aber ihr Inneres, ihr Herz hat den ganzen Gehalt seiner Liebe, seiner Seele verloren; ihre Individualität und Schönheit kann nur versteinern.

Der Schmerz der Maria ist von ganz anderer Art.

Sie empfindet, fühlt den Dolch, der die Mitte ihrer Seele durchdringt, das Herz bricht ihr, aber sie versteinert nicht.

Sie hatte nicht nur die Liebe, sondern ihr volles Inneres ist die Liebe, die freie konkrete Innigkeit, die den absoluten Inhalt dessen bewahrt, was sie verliert, und in dem Verluste selbst des Geliebten in dem Frieden der Liebe bleibt.

Das Herz bricht ihr; aber das Substantielle ihres Herzens, der Gehalt ihres Gemüts, der in unverlierbarer Lebendigkeit durch ihr Seelenleiden scheint, ist etwas unendlich Höheres: die lebendige Schönheit der Seele gegen die abstrakte Substanz, deren leiblich ideales Dasein, wenn sie verlorengeht, unverdorben bleibt, aber zu Stein wird.

Ein letzter Gegenstand in bezug auf Maria ist endlich ihr Tod und ihre Himmelfahrt.

Den Tod der Maria, in welchem sie den Reiz der Jugend wieder erhält, hat besonders Scorel schön gemalt.

Der Meister hat hier der Jungfrau den Ausdruck des Somnambulismus, des Erstorbenseins, der Erstarrung und Blindheit nach außen mit dem Ausdruck gegeben, ((53)) daß der Geist, der dennoch durch die Züge hindurchblickt, sich anderwärts befindet und selig ist.

(zum Dreieck)

gg) Drittens nun tritt zu dem Kreise dieser wirklichen Gegenwart Gottes in seinem und der Seinen Leben, Leiden und Verklärtwerden die Menschheit, das subjektive Bewußtsein, das sich Gott oder spezieller die Akte seiner Geschichte zum Gegenstande seiner Liebe macht und sich nicht zu irgendeinem zeitlichen Inhalt, sondern zum Absoluten verhält.

Auch hier sind die drei Seiten, die herausgehoben werden können, die ruhige Andacht, die Buße und Konversion, welche im Inneren und äußeren die Leidensgeschichte Gottes am Menschen wiederholt, sowie drittens die innere Verklärung und Seligkeit der Reinigung.

Was erstens die Andacht als solche angeht, so gibt sie hauptsächlich den Inhalt für die Anbetung ab.

Diese Situation ist einerseits Demütigung, Hingabe seiner, das Suchen des Friedens in einem anderen, andererseits nicht bitten, aber beten.

Bitten und Beten sind zwar eng verwandt, insofern auch das Gebet eine Bitte sein kann.

Doch das eigentliche Bitten will etwas für sich; es dringt in den, der etwas mir Wesentliches besitzt, um ihn durch meine Bitten mir geneigt, ihm das Herz weich zu machen, seine Liebe zu mir zu erregen, also das Gefühl seiner Identität mit mir zu erwecken; was ich aber beim Bitten empfinde, ist das Verlangen nach etwas, das der andere verlieren soll, damit ich es empfange; der andere soll mich lieben, damit meine Selbstliebe befriedigt, mein Nutzen, mein Wohl befördert werde.

Ich dagegen gebe nichts Weiteres dabei auf als etwa das, was in dem Bekenntnis liegt, daß der Gebetene dergleichen über mich vermöge.

Solcher Art nun ist das Beten nicht; es ist eine Erhebung des Herzens zu dem Absoluten, das an und für sich die Liebe ist und nichts für sich hat; die Andacht selber wird die Gewährung, die Bitte selber die Seligkeit.

Denn obschon das Gebet auch eine Bitte um irgend etwas Besonderes enthalten kann, so ist doch nicht dieses Besondere das, was sich eigentlich ausdrücken soll, sondern das Wesentliche ((54)) ist die Gewißheit der Erhörung überhaupt, nicht der Erhörung in betreft dieses Besonderen, aber das absolute Zutrauen, daß Gott mir zuteilen werde, was zu meinem Besten gereicht.

Auch in dieser Beziehung ist das Beten selbst die Befriedigung, der Genuß, das ausdrückliche Gefühl und Bewußtsein der ewigen Liebe, die nicht nur als Strahl der Verklärung die Gestalt und Situation durchscheint, sondern für sich die Situation und das Darzustellende, Existierende ausmacht.

Diese Situation der Anbetung haben z.B. der Papst Sixtus auf dem nach ihm benannten Raffaelischen Gemälde, die heilige Barbara ebendaselbst, ebenso unzählige Anbetungen der Apostel und Heiligen, des heiligen Franziskus z.B. unter dem Kreuz, wo nun statt des Schmerzes Christi oder statt des Zagens, Zweifelns, Verzweifelns der Jünger die Liebe und Verehrung Gottes, das in ihn versinkende Gebet zum Inhalt erwählt wird.

Es sind dies besonders in den älteren Epochen der Malerei meist alte, im Leben und Leiden durchgearbeitete Gesichter, porträtmäßig aufgefaßt, aber andächtige Seelen, so daß dieses Anbeten nicht nur in diesem Moment ihr Geschäft ist, sondern sie werden gleichsam zu Geistlichen, Heiligen, deren ganzes Leben, Denken, Begehren und Wollen die Andacht ist und deren Ausdruck bei aller Porträtmäßigkeit nichts anderes enthält als diese Zuversicht und diesen Frieden der Liebe.

Anders jedoch ist dies schon bei älteren deutschen und niederländischen Meistern.

Das Sujet des Kölner Dombildes z.B. sind die anbetenden Könige und die Patrone Kölns; auch in der van Eyckischen Schule war dieser Gegenstand sehr beliebt.

Hier nun sind die Anbetenden häufig bekannte Personen, Fürsten, wie man z.B. auf der berühmten Anbetung bei den Gebrüdern Boisseree, welche für ein Werk van Eycks ausgegeben wird, in zweien der Könige Philipp von Burgund und Karl den Kühnen hat erkennen wollen.

Diesen Gestalten sieht man es an, daß sie auch außerdem noch etwas sind, andere Geschäfte haben und hier nur gleichsam am Sonntag oder morgens früh in die Messe gehen, die übrige ((55)) Woche aber oder den übrigen Tag anderweitige Geschäfte treiben.

Besonders sind auf niederländischen oder deutschen Bildern die Donatare fromme Ritter, gottesfürchtige Hausfrauen mit ihren Söhnen und Töchtern.

Sie gleichen der Martha, die ab- und zugeht und sich auch um Äußerliches und Weltliches bemüht, und nicht der Maria, die das beste Teil erwählt hat.

Es fehlt ihnen zwar in ihrer Frömmigkeit nicht an Innigkeit und Gemüt, aber es ist nicht der Gesang der Liebe, der ihre ganze Natur ausmacht und der nicht bloß eine Erhebung, ein Gebet oder Dank für empfangene Gewährung, sondern ihr einziges Leben wie das der Nachtigall sein müßte.

Der Unterschied, welcher im allgemeinen auf dergleichen Gemälden zwischen Heiligen und Anbetenden und frommen Mitgliedern der christlichen Gemeinde in ihrem wirklichen Dasein zu machen ist, läßt sich dahin angeben, daß die Betenden besonders auf italienischen Bildern im Ausdruck ihrer Frömmigkeit eine vollkommene Übereinstimmung des äußeren und Inneren zeigen.

Das seelenvolle Gemüt erscheint auch als das Seelenvolle hauptsächlich der Gesichtsformen, die nichts den Gefühlen des Herzens Entgegengesetztes oder von denselben Verschiedenes ausdrücken.

Dies Entsprechen ist dagegen in der Wirklichkeit nicht jedesmal vorhanden.

Ein weinendes Kind z.B., besonders wenn es eben zu weinen anfängt, bringt uns oft - unabhängig davon, daß wir wissen, sein Leiden sei nicht der Tränen wert durch seine Grimassen zum Lachen; ebenso verzerren ältere Leute, wenn sie lachen wollen, ihr Gesicht, weil die Züge zu fest, kalt und eisern sind, um sich einem natürlichen, unangestrengten Lachen oder freundlichen Lächeln zu bequemen.

Solche Unangemessenheit der Empfindung und der sinnlichen Formen, in welchen die Frömmigkeit sich ausspricht, muss die Malerei vermeiden und soviel als möglich die Harmonie des Inneren und äußeren zustande bringen; was denn auch die Italiener im vollsten Maße, die Deutschen und Niederländer, weil sie porträtartiger darstellen, weniger getan haben. ((56))

Als eine fernere Bemerkung will ich noch hinzufügen, daß diese Andacht der Seele auch nicht das angstvolle Rufen in äußerer Not oder Seelennot sein muss, wie es die Psalmen und viele lutherische Kirchenlieder enthalten - als z.B.: “Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele nach dir” [Ps. 42,2] -, sondern ein Hinschmelzen, wenn auch nicht so süß wie bei Nonnen, eine Hingebung der Seele und ein Genuß dieses Hingebens, ein Befriedigtsein, Fertigsein.

Denn die Not des Glaubens, die angstvolle Verkümmerung des Gemüts, dies Zweifeln und Verzweifeln, das im Ringen und in der Entzweiung bleibt, solche hypochondrische Frömmigkeit, welche niemals weiß, ob sie auch nicht in Sünde, ob die Reue auch wahr und die Gnade durchgedrungen ist, solche Hingebung, in welcher sich das Subjekt doch nicht kann fahrenlassen und dies gerade durch seine Angst beweist, gehört nicht zur Schönheit des romantischen Ideals.

Eher schon kann die Andacht das Auge sehnsüchtig gegen den Himmel emporschlagen, obgleich es künstlerischer und befriedigender ist, wenn der Blick auf ein gegenwärtiges, diesseitiges Objekt der Anbetung, auf Maria, Christus, einen Heiligen usf. gerichtet ist.

Es ist leicht, ja zu leicht, einem Bilde dadurch ein höheres Interesse zu geben, daß die Hauptfigur den Blick gen Himmel, ins Jenseitige hinein hebt, wie denn auch heutigentags dies leichte Mittel gebraucht wird, Gott, die Religion zur Grundlage des Staats zu machen oder alles und jedes, statt aus der Vernunft der Wirklichkeit, mit Bibelstellen zu erweisen.

Bei Guido Reni z.B. ist es zur Manier geworden, seinen Bildern diesen Blick und Augenaufschlag zu geben.

Die Himmelfahrt Mariä in München z.B. hat sich den höchsten Ruhm bei Freunden und Kunstkennern erworben, und allerdings ist die hohe Glorie der Verklärung, der Versenkung und Auflösung der Seele in den Himmel und die ganze Haltung der in den Himmel hineinschwebenden Figur, die Helligkeit und Schönheit der Farbe von der höchsten Wirkung; aber ich finde es für Maria dennoch angemessener, wenn sie in ihrer gegenwärtigen ((57)) Liebe und Beseligung mit dem Blick auf das Kind dargestellt wird; die Sehnsucht, das Streben, jener Blick gen Himmel streifen nahe an die moderne Empfindsamkeit heran.

Der zweite Punkt nun betrifft das Hereintreten der Negativität in die geistige Andacht der Liebe.

Die Jünger, Heiligen, Märtyrer haben zum Teil äußerlich, zum Teil nur im Innern denselben Schmerzensweg entlangzugehen, auf welchem Christus ihnen in der Passionsgeschichte vorangewandelt ist.

Dieser Schmerz liegt zum Teil an der Grenze der Kunst, welche die Malerei zu überschreiten leicht geneigt sein kann, insofern sie sich die Grausamkeit und Gräßlichkeit des körperlichen Leidens, das Schinden und Braten, die Peinigung und Qual der Kreuzigung zum Inhalte nimmt.

Dies darf ihr, wenn sie nicht aus dem geistigen Ideal heraustreten soll, nicht erlaubt werden, und nicht etwa bloß, weil dergleichen Martern vors Auge zu bringen nicht sinnlich schön ist oder weil wir heutigentags schwache Nerven haben, sondern aus dem höheren Grunde, daß es um diese sinnliche Seite nicht zu tun ist.

Die geistige Geschichte, die Seele in ihrem Leiden der Liebe, und nicht das unmittelbare körperliche Leiden an einem Subjekte selbst, der Schmerz um das Leiden anderer oder der Schmerz in sich selbst über den eigenen Unwert ist der eigentliche Inhalt, der gefühlt und dargestellt werden soll.

Die Standhaftigkeit der Märtyrer in sinnlichen Grausamkeiten ist eine Standhaftigkeit, die bloß sinnlichen Schmerz erträgt, im geistigen Ideal aber hat es die Seele mit sich, ihrem Leiden, der Verletzung ihrer Liebe, der inneren Buße, Trauer, Reue und Zerknirschung zu tun.

Auch bei dieser inneren Pein darf dann aber die positive Seite nicht fehlen.

Die Seele muss der objektiven, an und für sich vollbrachten Versöhnung des Menschen mit Gott gewiß und nur bekümmert sein, daß dies ewige Heil auch in ihr subjektiv werde.

In dieser Weise sehen wir häufig ((58)) Büßende, Märtyrer, Mönche, die in der Gewißheit der objektiven Versöhnung teils in der Trauer sind um ein Herz, das aufgegeben werden soll, teils diese Hingabe ihrer selbst vollbracht haben, doch die Versöhnung immer von neuem vollbracht wissen wollen und sich deshalb die Buße immer wieder auferlegen.

Hier nun kann ein gedoppelter Ausgangspunkt genommen werden.

Ist nämlich von Hause aus ein frohes Naturell, Freiheit, Heiterkeit, Entschiedenheit, die das Leben und die Bande der Wirklichkeit leichtnehmen und es kurz damit abzumachen wissen, vom Künstler zugrunde gelegt, so vergesellschaften sich damit auch mehr ein natürlicher Adel, Grazie, Froheit, Freiheit und Schönheit der Form.

Wenn dagegen ein halsstarriger, trotziger, roher, beschränkter Sinn die Voraussetzung abgibt, so fordert die Überwindung eine harte Gewalt, um den Geist aus dem Sinnlichen und Weltlichen herauszuwinden und die Religion des Heils zu gewinnen.

Bei solcher Widerspenstigkeit treten daher härtere Formen der Kräftigkeit und Festigkeit ein, die Narben der Wunden, welche dieser Hartnäckigkeit geschlagen werden müssen, sind sichtbarer und bleibender, und die Schönheit der Formen fällt fort.

Drittens kann nun auch die positive Seite der Versöhnung, die Verklärung aus dem Schmerz, die aus der Buße gewonnene Seligkeit für sich zum Inhalt gemacht werden, ein Gegenstand, der freilich leicht zu Abwegen verleitet.

Dies sind die Hauptunterschiede des absoluten geistigen Ideals als des wesentlichsten Inhaltes der romantischen Malerei; es ist der Stoff ihrer gelungensten, gefeiertesten Werke, Werke, die unsterblich sind durch die Tiefe ihres Gedankens und, wenn eine wahrhafte Darstellung hinzukommt, die höchste Steigerung des Gemüts zu seiner Beseligung, das Seelenvollste, Innigste ausmachen, was der Künstler irgend zu geben vermag.

Nach diesem religiösen Kreise haben wir nun noch zweier anderer Gebiete Erwähnung zu tun. ((59))

(zum Dreieck)

  1. Das Entgegengesetzte gegen den religiösen Kreis ist das, für sich genommen, ebenso Innigkeitslose als auch Ungöttliche

Wir haben den Charakter der religiösen Gegenstände so angegeben, daß sich in ihnen die substantielle Innigkeit der Seele ausspreche, das Beisichsein der Liebe im Absoluten.

Die Innigkeit hat nun aber auch noch einen anderen Gehalt.

Sie kann auch in dem ihr schlechthin äußeren einen Anklang an das Gemüt finden und in der Objektivität als solcher Züge erkennen, die dem Geistigen verwandt sind.

Ihrer Unmittelbarkeit nach werden zwar Hügel, Berge, Wälder, Talgründe, Ströme, Ebenen, Sonnenschein, der Mond, der gestirnte Himmel usf. bloß als Berge, Ströme, Sonnenschein wahrgenommen; aber erstens sind diese Gegenstände schon für sich von Interesse, insofern es die freie Lebendigkeit der Natur ist, die in ihnen erscheint und ein Zusammenstimmen mit dem Subjekt als selbst lebendigem bewirkt; zweitens bringen die besonderen Situationen des Objektiven Stimmungen in das Gemüt herein, welche den Stimmungen der Natur entsprechen.

In diese Lebendigkeit, in dieses Antönen an Seele und Gemüt kann der Mensch sich einleben und so auch in der Natur innig sein.

Wie die Arkadier von einem Pan sprachen, der im Düster des Waldes in Schauer und Schrecken versetzt, so sind die verschiedenen Zustände der landschaftlichen Natur in ihrer milden Heiterkeit, ihrer duftigen Ruhe, ihrer Frühlingsfrische, ihrer winterlichen Erstarrung, ihrem Erwachen am Morgen, ihrer Abendruhe usf. bestimmten Gemütszuständen gemäß.

Die ruhige Tiefe des Meeres, die Möglichkeit einer unendlichen Macht des Aufruhrs hat ein Verhältnis zur Seele, wie umgekehrt Gewitter, das Brausen, Heranschwellen, Überschäumen, Brechen der sturmgepeitschten Wellen die Seele zu einem sympathetischen Tönen bewegen.

Diese Innigkeit hat die Malerei auch zu ihrem Gegenstande.

Deshalb dürfen nun aber nicht die Naturobjekte als solche in ihrer bloß äußerlichen Form und Zusammenstellung den eigentlichen ((60)) Inhalt ausmachen, so daß die Malerei zu einer bloßen Nachahmung wird; sondern die Lebendigkeit der Natur, welche sich durch alles hindurcherstreckt, und die charakteristische Sympathie besonderer Zustände dieser Lebendigkeit mit bestimmten Seelenstimmungen in den dargestellten landschaftlichen Gegenden hervorzuheben und lebhafter herauszukehren, dies innige Eingehen erst ist das geistvolle und gemütreiche Moment, durch welches die Natur nicht nur als Umgebung, sondern auch selbständig zum Inhalt der Malerei werden kann.

(zum Dreieck)

  1. Eine dritte Art der Innigkeit endlich ist diejenige, welche bei teils ganz unbedeutenden Objekten, die aus ihrer landschaftlichen Lebendigkeit herausgerissen sind, teils bei Szenen des menschlichen Lebens stattfindet, die uns nicht nur als ganz zufällig, sondern sogar als niedrig und gemein erscheinen können.

Ich habe schon bei anderer Gelegenheit (Bd. I, S. 214 ff. und S. 222 ff.) das Kunstgemäße solcher Gegenstände zu rechtfertigen gesucht.

In Rücksicht auf Malerei will ich zu der bisherigen Betrachtung nur noch folgende Bemerkungen hinzufügen.

Die Malerei hat es nicht nur mit der inneren Subjektivität, sondern zugleich mit dem in sich partikularisierten Inneren zu tun.

Dies Innere nun, eben weil es die Besonderheit zum Prinzip hat, bleibt nicht bei dem absoluten Gegenstande der Religion stehen und nimmt sich ebensowenig vom äußeren nur die Naturlebendigkeit und deren bestimmten landschaftlichen Charakter zum Inhalt, sondern muss zu allem und jedem fortgehen, wohinein der Mensch, als einzelnes Subjekt, sein Interesse legen und worin er seine Befriedigung finden kann.

Schon in Darstellungen aus dem religiösen Kreise hebt die Kunst, je mehr sie steigt, um so mehr auch ihren Inhalt in das Irdische und Gegenwärtige hinein und gibt demselben die Vollkommenheit weltlichen Daseins, so daß die Seite der sinnlichen Existenz durch die Kunst zur Hauptsache und das Interesse der Andacht das geringere wird.

Denn auch hier hat die Kunst die Aufgabe, dies Ideale ganz zur Wirklichkeit ((61)) herauszuarbeiten, das den Sinnen Entrückte sinnlich darstellig zu machen und die Gegenstände aus der fernen Szene der Vergangenheit in die Gegenwart herüberzubringen und zu vermenschlichen.

Auf unserer Stufe nun ist es die Innigkeit im unmittelbar Gegenwärtigen selbst, in den alltäglichen Umgebungen, in dem Gewöhnlichsten und Kleinsten, was zum Inhalte wird.

(zum Dreieck)

aa) Fragen wir nun aber, was bei der sonstigen Armseligkeit oder Gleichgültigkeit solcher Stoffe den eigentlich kunstgemäßen Gehalt abgebe, so ist das Substantielle, das sich darin erhält und geltend macht, die Lebendigkeit und Freudigkeit des selbständigen Daseins überhaupt, bei der größten Mannigfaltigkeit des eigentümlichen Zwecks und Interesses.

Der Mensch lebt immer im unmittelbar Gegenwärtigen; was er in jedem Augenblick tut, ist eine Besonderheit, und das Recht besteht darin, jedes Geschäft, und sei es das kleinste, schlechthin auszufüllen, mit ganzer Seele dabeizusein.

Dann wird der Mensch eins mit solcher Einzelheit, für welche allein er zu existieren scheint, indem er die ganze Energie seiner Individualität hineingelegt hat.

Dies Verwachsensein bringt nun diejenige Harmonie des Subjekts mit der Besonderheit seiner Tätigkeit in seinen nächsten Zuständen hervor, die auch eine Innigkeit ist und hier den Reiz der Selbständigkeit solch eines für sich totalen, abgeschlossenen und vollendeten Daseins ausmacht.

So liegt also das Interesse, das wir an dergleichen Darstellungen nehmen können, nicht im Gegenstande, sondern in dieser Seele der Lebendigkeit, die schon für sich, unabhängig von dem, worin sie sich lebendig erweist, jedem unverdorbenen Sinne, jedem freien Gemüt zusagt und ihm ein Gegenstand der Teilnahme und Freude ist.

Wir müssen uns daher den Genuß nicht dadurch verkümmern, daß wir Kunstwerke dieser Art aus dem Gesichtspunkte der sogenannten Natürlichkeit und täuschenden Nachahmung der Natur zu bewundern aufgefordert werden.

Diese Aufforderung, welche dergleichen ((62)) Werke an die Hand zu geben scheinen, ist selbst nur eine Täuschung, welche den eigentlichen Punkt verkennt.

Denn die Bewunderung schreibt sich dann nur aus der bloß äußerlichen Vergleichung eines Kunstwerks und eines Naturwerks her und bezieht sich nur auf die Übereinstimmung der Darstellung mit einer sonst schon vorhandenen Sache, während hier der eigentliche Inhalt und das Künstlerische in der Auffassung und Ausführung die Übereinstimmung der dargestellten Sache mit sich selbst, die für sich beseelte Realität ist.

Nach dem Prinzipe der Täuschung können z.B. wohl die Dennerschen Porträts gelobt werden, die zwar Nachahmungen der Natur sind, aber größtenteils die Lebendigkeit als solche, auf die es hier ankommt, gar nicht treffen, sondern sich gerade darin ergehen, die Haare, Runzeln, überhaupt das darzustellen, was zwar nicht ein abstrakt Totes, doch ebensowenig die Lebendigkeit menschlicher Physiognomie ist.

Lassen wir uns ferner den Genuß durch die vornehme Verstandesreflexion verflachen, daß wir dergleichen Sujets als gemein und unserer höheren Gedanken unwürdig betrachten, so nehmen wir den Inhalt ebenfalls nicht so, wie die Kunst ihn uns wirklich darbietet.

Wir bringen dann nämlich nur das Verhältnis mit, welches wir unseren Bedürfnissen, Vergnügen, unserer sonstigen Bildung und anderweitigen Zwecken nach zu solchen Gegenständen haben, d.h. wir fassen sie nur nach ihrer äußeren Zweckmäßigkeit auf, wodurch nun unsere Bedürfnisse der lebendige Selbstzweck, die Hauptsache werden, die Lebendigkeit des Gegenstandes aber vernichtet ist, insofern er wesentlich nur dazu bestimmt erscheint, als bloßes Mittel zu dienen oder uns ganz gleichgültig zu bleiben, weil wir ihn nicht zu gebrauchen wissen.

Ein Sonnenblick z.B., der durch eine offene Tür in ein Zimmer fällt, in das wir hineintreten, eine Gegend, die wir durchreisen, eine Näherin, eine Magd, die wir emsig beschäftigt sehen, kann uns etwas durchaus Gleichgültiges sein, weil wir weit davon abliegenden Gedanken und Interessen ((63)) ihren Lauf geben und deshalb, in diesem Selbstgespräch oder Dialog mit anderen, gegen unsere Gedanken und Reden die vor uns dastehende Situation nicht zum Worte kommen lassen oder nur eine ganz flüchtige Aufmerksamkeit darauf richten, die über die abstrakten Urteile “angenehm, schön, häßlich” usf. nicht hinausreicht.

So erfreuen wir uns auch wohl an der Lustigkeit eines Bauerntanzes, indem wir denselben oberflächlich mit ansehen, oder entfernen uns davon und verachten ihn, weil wir “ein Feind von allem Rohen” sind.

Ähnlich geht es uns mit menschlichen Physiognomien, mit denen wir im täglichen Leben verkehren oder die uns zufällig begegnen.

Unsere Subjektivität und Wechseltätigkeit kommt immer dabei mit ins Spiel.

Wir sind getrieben, diesem oder jenem dies oder das zu sagen, haben Geschäfte abzumachen, Rücksichten zu nehmen, denken an dies oder jenes von ihm, sehen ihn um diesen oder jenen Umstand an, den wir von ihm wissen, richten uns im Gespräch danach, schweigen von diesem, um ihn nicht zu verletzen, berühren jenes nicht, weil er’s uns übel deuten möchte, kurz, wir haben immer seine Geschichte, Rang, Stand, unser Benehmen oder unser Geschäft mit ihm zum Gegenstande und bleiben in einem durchaus praktischen Verhältnisse oder in dem Zustande der Gleichgültigkeit und unaufmerksamen Zerstreutheit stehen.

Die Kunst nun aber in Darstellung solcher lebendigen Wirklichkeit verändert vollständig unseren Standpunkt zu derselben, indem sie ebensosehr alle die praktischen Verzweigungen abschneidet, die uns sonst mit dem Gegenstande in Zusammenhang setzen und uns denselben ganz theoretisch entgegenbringt, als sie auch die Gleichgültigkeit aufhebt und unsere anderwärts beschäftigte Aufmerksamkeit ganz auf die dargestellte Situation hinleitet, für die wir, um sie zu genießen, uns in uns sammeln und konzentrieren müssen.

Die Skulptur besonders schlägt durch ihre ideale Produktionsweise die praktische Beziehung zu dem Gegenstande von Hause aus nieder, insofern ihr Werk sogleich zeigt, dieser ((64)) Wirklichkeit nicht anzugehören.

Die Malerei dagegen führt uns einerseits ganz in die Gegenwart einer uns näheren alltäglichen Welt hinein, aber sie zerreißt in ihr andererseits alle die Fäden der Bedürftigkeit, der Anziehung, Neigung oder Abneigung, welche uns zu solcher Gegenwart hinziehen oder von ihr abstoßen, und führt uns die Gegenstände als Selbstzweck in ihrer eigentümlichen Lebendigkeit näher.

Es findet hier das Umgekehrte dessen statt, was Herr von Schlegel z.B. in der Geschichte des Pygmalion so ganz prosaisch als die Rückkehr des vollendeten Kunstwerks zum gemeinen Leben, zum Verhältnis der subjektiven Neigung und des realen Genusses ausspricht, eine Rückkehr, die das Gegenteil derjenigen Entfernung ist, in welche das Kunstwerk die Gegenstände zu unserem Bedürfnisse setzt und eben damit deren eigenes selbständiges Leben und Erscheinen vor uns hinstellt.

(zum Dreieck)

bb) Wie nun die Kunst in diesem Kreise einem Inhalte, den wir sonst nicht für sich in seiner Eigentümlichkeit gewähren lassen, die eingebüßte Selbständigkeit revindiziert, so weiß sie zweitens solche Gegenstände festzuhalten, die in der Wirklichkeit nicht so verweilen, daß wir sie für sich zu beachten gewohnt würden.

Je höher die Natur in ihren Organisationen und deren beweglicher Erscheinung hinaufreicht, desto mehr gleicht sie dem Schauspieler, der nur dem Augenblicke dient.

In dieser Beziehung habe ich es schon früher als einen Triumph der Kunst über die Wirklichkeit gerühmt, daß sie auch das Flüchtigste zu fixieren imstande ist.

In der Malerei nun betrifft dieses Dauerbarmachen des Augenblicklichen einerseits wiederum die konzentrierte momentane Lebendigkeit in bestimmten Situationen, andererseits die Magie des Scheinens derselben in ihrer veränderlichen momentanen Färbung.

Ein Trupp von Reitern z.B. kann sich in seiner Gruppierung, in den Zuständen jedes einzelnen in jedem Augenblicke verändern.

Wären wir selber dabei, so hätten wir ganz andere Dinge zu tun, als auf die Lebendigkeit dieser Veränderungen zu achten; wir hätten ((65)) dann aufzusteigen, abzusteigen, den Schnappsack aufzumachen, zu essen, zu trinken, auszuruhen, die Pferde abzuschirren, zu tränken, zu füttern usf.; oder wären wir im gewöhnlichen praktischen Leben Zuschauer, so sähen wir mit ganz anderen Interessen darauf; wir würden wissen wollen, was sie machen, was für Landsleute es sind, zu welchem Zweck sie ausziehen und dergleichen mehr.

Der Maler dagegen schleicht den vorübergehendsten Bewegungen, den flüchtigsten Ausdrücken des Gesichts, den augenblicklichsten Farbenerscheinungen in dieser Beweglichkeit nach und bringt sie bloß im Interesse dieser ohne ihn verschwindenden Lebendigkeit des Scheinens vor uns.

Besonders das Spiel des Farbenscheins, nicht die Farbe als solche, sondern ihr Hell und Dunkel, das Hervor- und Zurücktreten der Gegenstände ist der Grund, daß die Darstellung natürlich erscheint, worauf wir in Kunstwerken weniger zu merken pflegen, als es diese Seite verdient, die uns erst die Kunst zum Bewußtsein bringt.

außerdem nimmt der Künstler in diesen Beziehungen der Natur ihren Vorzug, ins einzelnste zu gehen, konkret, bestimmt, individualisiert zu sein, indem er seinen Gegenständen die gleiche Individualität lebendiger Erscheinung in deren schnellsten Blitzen bewahrt und doch nicht unmittelbare, streng nachgebildete Einzelheiten für die bloße Wahrnehmung, sondern für die Phantasie eine Bestimmtheit gibt, in welcher zugleich die Allgemeinheit wirksam bleibt.

(zum Dreieck)

gg) Je geringfügiger nun, im Verhältnis zu religiösen Stoffen, die Gegenstände sind, welche diese Stufe der Malerei als Inhalt ergreift, desto mehr macht hier gerade die künstlerische Produktion, die Art des Sehens, Auffassens, Verarbeitens, die Einlebung des Künstlers in den ganz individuellen Umkreis seiner Aufgaben, die Seele und lebendige Liebe seiner Ausführung selbst eine Hauptseite des Interesses aus und gehört mit zu dem Inhalt.

Was der Gegenstand unter seinen Händen wird, muss jedoch nichts sein, was nicht derselbe in der Tat ist und sein kann.

Wir glauben nur etwas ganz Anderes und Neues zu sehen, weil wir in der Wirklichkeit ((66)) nicht auf dergleichen Situationen und deren Farbenerscheinung so im Detail achthaben.

Umgekehrt kommt auch allerdings etwas Neues zu diesen gewöhnlichen Gegenständen hinzu, nämlich eben die Liebe, der Sinn und Geist, die Seele, aus welcher sie der Künstler ergreift, sich aneignet und so seine eigene Begeisterung der Produktion dem, was er erschafft, als ein neues Leben einhaucht.

Dies sind die wesentlichsten Gesichtspunkte, welche in betreff des Inhalts der Malerei zur Berücksichtigung kommen.

(zum Dreieck)

  1. Nähere Bestimmungen des sinnlichen Materials

Die zweite Seite, von welcher wir demnächst zu sprechen haben, bezieht sich auf die näheren Bestimmungen, denen das sinnliche Material, insofern es den angegebenen Inhalt in sich aufnehmen soll, sich zugänglich erweisen muss.

(zum Dreieck)

  1. Das erste, was in dieser Rücksicht von Wichtigkeit wird, ist die Linearperspektive.

Sie tritt als notwendig ein, weil die Malerei nur die Fläche zu ihrer Verfügung hat, während sie nicht mehr, wie das Basrelief der alten Skulptur, ihre Figuren nebeneinander auf ein und demselben Plane ausbreiten kann, sondern zu einer Darstellungsweise fortgehen muss, welche die Entfernung ihrer Gegenstände nach allen Raumdimensionen scheinbar zu machen genötigt ist.

Denn die Malerei hat den Inhalt, den sie erwählt, zu entfalten, in seiner vielfachen Bewegung vor Augen zu stellen und die Figuren mit der äußeren landschaftlichen Natur, Gebäulichkeiten, Umgebung von Zimmern usf. in einem ganz anderen Grade, als dies die Skulptur selbst im Relief irgendwie vermag, in einen mannigfaltigen Zusammenhang zu bringen.

Was nun die Malerei in dieser Rücksicht nicht in seiner wirklichen Entfernung in der realen Weise der Skulptur hinstellen kann, muss sie durch den Schein der Realität ersetzen.

Das nächste besteht in dieser Rücksicht darin, daß sie die eine Fläche, die sie vor sich hat, in unterschiedene, scheinbar voneinander entfernt liegende Plane zerteilt und dadurch die Gegensätze eines nahen Vordergrundes ((67)) und entfernten Hintergrundes erhält, welche durch den Mittelgrund wieder in Verbindung treten.

Auf diese verschiedenen Plane stellt sie ihre Gegenstände hin.

Indem sich nun die Objekte, je weiter sie vom Auge abliegen, um so mehr verhältnismäßig verkleinern und diese Abnahme in der Natur selbst schon mathematisch bestimmbaren optischen Gesetzen folgt, so hat die Malerei auch ihrerseits diesen Regeln, welche durch die Übertragung der Gegenstände auf eine Fläche wiederum eine spezifische Art der Anwendung erhalten, Folge zu geben.

Dies ist die Notwendigkeit für die sogenannte lineare oder mathematische Perspektive in der Malerei, deren nähere Vorschriften wir jedoch hier nicht zu erörtern haben.

(zum Dreieck)

  1. Zweitens nun aber stehen die Gegensätze [?] nicht nur in bestimmter Entfernung voneinander, sondern sind auch von unterschiedener Form.

Diese besondere Raumumgrenzung, durch welche jedes Objekt in seiner spezifischen Gestalt sichtbar gemacht wird, ist die Sache der Zeichnung.

Erst die Zeichnung gibt sowohl die Entfernung der Gegenstände voneinander als auch die einzelne Gestalt derselben an.

Ihr vorzüglichstes Gesetz ist die Richtigkeit in Form und Entfernung, welche sich freilich zunächst noch nicht auf den geistigen Ausdruck, sondern nur auf die äußere Erscheinung bezieht und deshalb nur die selbst äußerliche Grundlage bildet, doch besonders bei organischen Formen und deren mannigfaltigen Bewegungen durch die dadurch eintretenden Verkürzungen von großer Schwierigkeit ist.

Insofern sich nun diese beiden Seiten rein auf die Gestalt und deren räumliche Totalität beziehen, so machen sie das Plastische, Skulpturmäßige in der Malerei aus, das diese Kunst, da sie auch das Innerlichste durch die Außengestalt ausdrückt, ebensowenig entbehren kann, als sie in anderer Rücksicht dabei stehenbleiben darf.

Denn ihre eigentliche Aufgabe ist die Färbung, so daß in dem wahrhaft Malerischen Entfernung und Gestalt nur durch Farbenunterschiede ihre eigentliche Darstellung gewinnen und darin aufgehen. ((68))

(zum Dreieck)

  1. Es ist deshalb die Farbe, das Kolorit, was den Maler zum Maler macht.

Wir bleiben zwar gern beim Zeichnen und hauptsächlich beim Skizzenhaften als bei dem vornehmlich Genialen stehen, aber wie erfindungsreich und phantasievoll auch der innere Geist in Skizzen aus der gleichsam durchsichtigeren, leichteren Hülle der Gestalt unmittelbar heraustreten kann, so muss doch die Malerei malen, wenn sie nicht nach der sinnlichen Seite in der lebendigen Individualität und Partikularisation ihrer Gegenstände abstrakt bleiben will.

Hiermit soll jedoch den Zeichnungen und besonders den Handzeichnungen der großen Meister, wie z.B. Raffaels und Albrecht Dürers, ein bedeutender Wert nicht abgesprochen werden.

Im Gegenteil haben nach einer Seite hin gerade Handzeichnungen das höchste Interesse, indem man das Wunder sieht, daß der ganze Geist unmittelbar in die Fertigkeit der Hand übergeht, die nun mit der größten Leichtigkeit, ohne Versuch, in augenblicklicher Produktion alles, was im Geiste des Künstlers liegt, hinstellt.

Die Dürerschen Randzeichnungen z.B. in dem Gebetbuche auf der Münchener Bibliothek sind von unbeschreiblicher Geistigkeit und Freiheit; Einfall und Ausführung erscheint als ein und dasselbe, während man bei Gemälden die Vorstellung nicht entfernen kann, daß hier die Vollendung erst nach mehrfachem Übermalen, stetem Fortschreiten und Verbessern geleistet sei.

Dessenungeachtet bringt erst die Malerei durch den Gebrauch der Farbe das Seelenvolle zu seiner eigentlich lebendigen Erscheinung.

Doch haben nicht alle Malerschulen die Kunst des Kolorits in gleicher Höhe gehabt, ja es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß fast nur die Venezianer und vorzüglich die Niederländer die vollkommenen Meister in der Farbe geworden sind: beide der See nahe, beide in einem niedrigen Lande, durchschnitten von Sümpfen, Wasser, Kanälen.

Bei den Holländern kann man sich dies so erklären, daß sie bei einem immer nebligen Horizonte die stete Vorstellung des grauen Hintergrundes vor sich hatten und nun ((69)) durch dieses Trübe um so mehr veranlaßt wurden, das Farbige in allen seinen Wirkungen und Mannigfaltigkeiten der Beleuchtung, Reflexe, Lichtscheine usf. zu studieren, hervorzuheben und darin gerade eine Hauptaufgabe ihrer Kunst zu finden.

Gegen die Venezianer und Holländer gehalten, erscheint die sonstige Malerei der Italiener, Correggio und einige andere ausgenommen, als trockener, saftloser, kälter und unlebendiger.

Näher nun lassen sich bei der Färbung folgende Punkte als die wichtigsten herausheben.

(zum Dreieck)

aa) Erstens die abstrakte Grundlage aller Farbe, das Helle und Dunkle.

Wenn dieser Gegensatz und seine Vermittlungen für sich ohne weitere Farbenunterschiede in Wirkung gesetzt werden, so kommen dadurch nur die Gegensätze des Weißen als des Lichts und des Schwarzen als des Schattens sowie die Übergänge und Nuancen zum Vorschein, welche die Zeichnung integrieren, indem sie dem eigentlich Plastischen der Gestalt angehören und die Hebung, Senkung, Rundung, Entfernung der Gegenstände hervorbringen.

Wir können in dieser Rücksicht hier der Kupferstecherkunst, welche es nur mit dem Hell und Dunkel als solchem zu tun hat, beiläufig erwähnen.

außer dem unendlichen Fleiß und der sorglichsten Arbeitsamkeit ist in dieser hochzuschätzenden Kunst, wenn sie auf ihrer Höhe steht, Geist mit der Nützlichkeit großer Vervielfältigung verbunden, welche auch die Buchdruckerkunst hat.

Doch ist sie nicht, wie die Zeichnung als solche, bloß auf Licht und Schatten angewiesen, sondern bemüht sich in ihrer heutigen Ausbildung, besonders mit der Malerei in Wetteifer zu treten und außer dem Hell und Dunkel, das durch die Beleuchtung bewirkt wird, auch noch diejenigen Unterschiede größerer Helle oder Dunkelheit auszudrücken, welche durch die Lokalfarbe selbst hervorkommen; wie sich z.B. im Kupferstich bei derselben Beleuchtung der Unterschied von blondem und schwarzem Haar sichtbar machen läßt.

In der Malerei nun aber gibt das Hell und Dunkel, wie ((70)) gesagt, nur die Grundlage ab, obschon diese Grundlage von der höchsten Wichtigkeit ist.

Denn sie allein bestimmt das Vor- und Zurücktreten, die Rundung, überhaupt das eigentliche Erscheinen der Gestalt als sinnlicher Gestalt, das, was man die Modellierung nennt.

Die Meister des Kolorits treiben es in dieser Rücksicht bis zum äußersten Gegensatz des hellsten Lichtes und der tiefsten Schatten und bringen nur dadurch ihre großen Effekte hervor.

Doch ist ihnen dieser Gegensatz nur erlaubt, insofern er nicht hart, d.h. insofern er nicht ohne reichhaltiges Spiel der Übergänge und Vermittlungen bleibt, die alles in Zusammenhang und Fluss setzen und bis zu den feinsten Nuancierungen fortgehen.

Fehlen aber solche Gegensätze, so wird das Ganze flach, weil eben nur der Unterschied des Helleren oder Dunkleren bestimmte Teile sich hervorheben, andere dagegen zurücktreten läßt.

Besonders bei reichen Kompositionen und weiten Entfernungen der darzustellenden Gegenstände voneinander wird es notwendig, bis in das tiefste Dunkel hineinzugehen, um eine weite Stufenleiter für Licht und Schatten zu haben.

Was nun die nähere Bestimmtheit des Lichts und Schattens betrifft, so hängt dieselbe vornehmlich von der Art der vom Künstler angenommenen Beleuchtung ab.

Das Tageslicht, Morgen-, Mittags-, Abendlicht, Sonnenschein oder Mondlicht, klarer oder bewölkter Himmel, das Licht bei Gewittern, Kerzenbeleuchtung, beschlossenes, einfallendes oder gleichmäßig sich verbreitendes Licht, die verschiedenartigsten Beleuchtungsweisen verursachen hier die allermannigfaltigsten Unterschiede.

Bei einer öffentlichen, reichen Handlung, einer in sich selbst klaren Situation des wachen Bewußtseins ist das äußere Licht mehr Nebensache, und der Künstler wird am besten das gewöhnliche Tageslicht gebrauchen, wenn nicht die Forderung dramatischer Lebendigkeit, die gewünschte Heraushebung bestimmter Figuren und Gruppen und das Zurücktretenlassen anderer eine ungewöhnliche Beleuchtungsweise, welche für dergleichen Unterschiede günstiger ((71)) ist, notwendig macht.

Die älteren großen Maler haben deshalb Kontraste, überhaupt ganz spezielle Situationen gleichsam der Beleuchtung wenig benutzt, und mit Recht, da sie mehr auf das Geistige als solches als auf den Effekt der sinnlichen Erscheinungsweise losgingen und bei der überwiegenden Innerlichkeit und Wichtigkeit des Gehalts diese immer mehr oder weniger äußere Seite entbehren konnten.

Bei Landschaften dagegen und unbedeutenden Gegenständen des gewöhnlichen Lebens wird die Beleuchtung von ganz anderem Belang.

Hier sind die großen künstlerischen, oft auch künstlichen, magischen Effekte an ihrer Stelle.

In der Landschaft z.B. können die kühnen Kontraste großer Lichtmassen und starker Schattenpartien die beste Wirkung tun, doch ebensosehr auch zur bloßen Manier werden.

Umgekehrt sind es in diesen Kreisen hauptsächlich die Lichtreflexe, das Scheinen und Widerscheinen, dies wunderbare Lichtecho, das ein besonders lebendiges Spiel von Hell und Dunkel hervorbringt und sowohl für den Künstler als auch für den Beschauer ein gründliches und anhaltendes Studium erfordert.

Dabei kann denn die Beleuchtung, welche der Maler äußerlich oder innerlich in seiner Konzeption aufgefaßt hat, selbst nur ein schnell vorübergehender und sich verändernder Schein sein.

Wie plötzlich aber auch oder ungewöhnlich die festgehaltene Beleuchtung sein mag, so muss dennoch der Künstler selbst bei der bewegtesten Handlung dafür sorgen, daß das Ganze in dieser Mannigfaltigkeit nicht unruhig, schwankend, verworren werde, sondern klar und zusammengehalten bleibe.

(zum Dreieck)

bb) Demgemäß, was ich bereits oben sagte, muss nun aber die Malerei das Hell und Dunkel nicht in seiner bloßen Abstraktion, sondern durch die Verschiedenheit der Farbe selbst ausdrücken.

Licht und Schatten müssen farbig sein.

Wir haben deshalb zweitens von der Farbe als solcher zu sprechen.

(zum Dreieck)

Der erste Punkt betrifft hier wieder zunächst das Hell und Dunkel der Farben gegeneinander, insofern sie in ihrem ((72)) wechselseitigen Verhältnis selbst als Licht und Dunkel wirken und einander heben oder drücken und schaden.

Rot z.B. und noch mehr Gelb ist für sich bei gleicher Intensität heller als Blau.

Dies hängt mit der Natur der verschiedenen Farben selbst, die erst Goethe neuerdings in das rechte Licht gestellt hat, zusammen.

Im Blau nämlich ist das Dunkle die Hauptsache, das erst, insofern es durch ein helleres, doch nicht vollständig durchsichtiges Medium wirkt, als blau erscheint.

Der Himmel z.B. ist dunkel; auf höchsten Bergen wird er immer schwärzer; durch ein durchsichtiges, jedoch trübendes Medium wie die atmosphärische Luft der niedrigeren Ebenen gesehen, erscheint er blau und um so heller, je weniger durchsichtig die Luft ist.

Beim Gelb umgekehrt wirkt das an und für sich Helle durch ein Trübes, welches das Helle noch durchscheinen läßt.

Der Rauch ist z.B. solch ein trübendes Mittel; vor etwas durch ihn hindurchwirkendem Schwarzen gesehen, sieht er bläulich aus, vor etwas Hellem gelblich und rötlich.

Das eigentliche Rot ist die wirksame, königliche, konkrete Farbe, in welcher sich Blau und Gelb, die selbst wieder Gegensätze sind, durchdringen; Grün kann man auch als solche Vereinigung ansehen, doch nicht als die konkrete Einheit, sondern als bloß ausgelöschten Unterschied, als die gesättigte, ruhige Neutralität.

Diese Farben sind die reinsten, einfachsten, die ursprünglichen Grundfarben.

Man kann deshalb auch in der Art und Weise, wie die älteren Meister sie anwendeten, eine symbolische Beziehung suchen.

Besonders im Gebrauch des Blau und Rot: Blau entspricht dem Sanfteren, Sinnvollen, Stilleren, dem empfindungsreichen Hineinsehen, insofern es das Dunkle zum Prinzip hat, das nicht Widerstand leistet, während das Helle mehr das Widerstehende, Produzierende, Lebendige, Heitere ist; Rot das Männliche, Herrschende, Königliche; Grün das Indifferente, Neutrale.

Nach dieser Symbolik trägt z.B. Maria, wo sie als thronend, als Himmelskönigin vorgestellt ist, häufig einen roten, wo sie dagegen als Mutter erscheint, einen blauen Mantel. ((73))

Alle die übrigen unendlich mannigfaltigen Farben müssen als bloße Modifikationen betrachtet werden, in welchen irgendeine Schattierung jener Kardinalfarben zu erkennen ist.

In diesem Sinne wird z.B. kein Maler Violett eine Farbe nennen.

In ihrem Wechselverhältnis nun sind alle diese Farben selber in ihrer Wirkung gegeneinander heller und dunkler, - ein Umstand, welchen der Maler wesentlich in Betracht ziehen muss, um den rechten Ton, den er an jeder Stelle für die Modellierung, Entfernung der Gegenstände nötig hat, nicht zu verfehlen.

Hier tritt nämlich eine ganz eigentümliche Schwierigkeit ein.

In dem Gesicht z.B. ist die Lippe rot, die Augenbraue dunkel, schwarz, braun oder, wenn auch blond, dennoch immer in dieser Farbe dunkler als die Lippe; ebenso sind die Wangen durch ihr Rot heller der Farbe nach als die Nase bei gelblicher, bräunlicher, grünlicher Hauptfarbe.

Diese Teile können nun ihrer Lokalfarbe zufolge heller und intensiver gefärbt sein, als es ihnen der Modellierung nach zukommt.

In der Skulptur, ja selbst in der Zeichnung werden dergleichen Partien ganz nur nach dem Verhältnis der Gestalt und Beleuchtung in Hell und Dunkel gehalten.

Der Maler dagegen muss sie in ihrer lokalen Färbung aufnehmen, welche dies Verhältnis stört.

Dasselbe findet mehr noch bei voneinander entfernteren Gegenständen statt.

Für den gewöhnlichen sinnlichen Anblick ist es der Verstand, der in bezug auf die Dinge über ihre Entfernung und Form usf. nicht nur nach dem Farbenscheine, sondern auch noch aus ganz anderen Umständen urteilt.

In der Malerei aber ist nur die Farbe vorhanden, die als bloße Farbe dasjenige beeinträchtigen kann, was das Hell und Dunkel für sich fordert.

Hier besteht nun die Kunst des Malers darin, solch einen Widerspruch aufzulösen und die Farben so zusammenzustellen, daß sie weder in ihrer Lokaltinte der Modellierung noch in ihrem sonstigen Verhältnis einander Schaden tun.

Erst durch die Berücksichtigung beider Punkte kann die wirkliche Gestalt und Färbung der Gegenstände bis zur Vollendung zum Vorschein kommen.

Mit ((74)) welcher Kunst haben z.B. die Holländer den Glanz von Atlasgewändern mit allen den mannigfaltigen Reflexen und Abstufungen des Schattens in Falten usf., den Schein des Silbers, Goldes, Kupfers, glasierter Gefäße, Samt usf. und ebenso van Eyck schon das Leuchten der Edelsteine, Goldborten, Geschmeide usf. gemalt.

Die Farben, durch welche z.B. der Goldglanz hervorgebracht ist, haben für sich nichts Metallisches; sieht man sie in der Nähe, so ist es einfaches Gelb, das für sich betrachtet nur wenig leuchtet; die ganze Wirkung hängt einerseits von dem Herausheben der Form, andererseits von der Nachbarschaft ab, in welche jede einzelne Farbnuance gebracht ist.

(zum Dreieck)

Eine weitere Seite zweitens geht die Harmonie der Farben an.

Ich habe bereits oben bemerkt, daß die Farben eine durch die Natur der Sache selbst gegliederte Totalität ausmachen.

In dieser Vollständigkeit müssen sie nun auch erscheinen; keine Hauptfarbe darf ganz fehlen, weil sonst der Sinn der Totalität etwas vermißt.

Besonders die älteren Italiener und Niederländer geben in Ansehung dieses Farbensystems eine volle Befriedigung; wir finden in ihren Gemälden Blau, Gelb, Rot, Grün.

Solche Vollständigkeit nun macht die Grundlage der Harmonie aus.

Weiter aber müssen die Farben so zusammengestellt sein, daß sowohl ihr malerischer Gegensatz als auch die Vermittlung und Auflösung desselben und dadurch eine Ruhe und Versöhnung fürs Auge zustande kommt.

Teils die Art der Zusammenstellung, teils der Grad der Intensität jeder Farbe bewirkt solche Kraft des Gegensatzes und Ruhe der Vermittlung.

In der älteren Malerei waren es besonders die Niederländer, welche die Kardinalfarben in ihrer Reinheit und ihrem einfachen Glanz gebrauchten, wodurch die Harmonie durch Schärfung der Gegensätze erschwert wird, aber, wenn sie erreicht ist, dem Auge wohltut.

Doch muss bei dieser Entschiedenheit und Kräftigkeit der Farbe dann auch der Charakter der Gegenstände sowie die Kraft des Ausdrucks selbst entschiedener ((75)) und einfacher sein.

Hierin liegt zugleich eine höhere Harmonie der Färbung mit dem Inhalt.

Die Hauptpersonen z.B. müssen auch die hervorstechendste Farbe haben und in ihrem Charakter, ihrer ganzen Haltung und Ausdrucksweise großartiger erscheinen als die Nebenpersonen, denen nur die gemischteren Farben zukommen.

In der Landschaftsmalerei treten dergleichen Gegensätze der reinen Kardinalfarben weniger heraus, in Szenen hingegen, worin die Personen die Hauptsache bleiben und insbesondere die Gewänder die größten Teile der ganzen Fläche einnehmen, sind jene einfacheren Farben an ihrer Stelle.

Hier entspringt die Szene aus der Welt des Geistigen, in welcher das Unorganische, die Naturumgebung abstrakter, d.h. nicht in seiner natürlichen Vollständigkeit und isolierten Wirkung erscheinen muss und die mannigfaltigen Tinten der Landschaft in ihrer nuancenreichen Buntheit weniger passen.

Im allgemeinen paßt die Landschaft zur Umgebung menschlicher Szenen nicht so vollständig als ein Zimmer, überhaupt Architektonisches, denn die Situationen, welche im Freien spielen, sind im ganzen genommen gewöhnlich nicht diejenigen Handlungen, in denen das volle Innere als das Wesentliche sich herauskehrt.

Wird aber der Mensch in die Natur herausgestellt, so muss sie nur als bloße Umgebung Gültigkeit erhalten.

Bei dergleichen Darstellungen nun erhalten, wie gesagt, vornehmlich die entschiedenen Farben ihren rechten Platz.

Doch gehört eine Kühnheit und Kraft zu ihrem Gebrauch.

Süßliche, verschwemmte, lieblich tuende Gesichter stimmen nicht zu ihnen; solch ein weicher Ausdruck, solche Verblasenheit von Physiognomien, welche man seit Mengs für Idealität zu halten gewohnt ist, würde durch entschiedene Farben ganz darniedergeschlagen werden.

In neuester Zeit sind bei uns vornehmlich nichtssagende, weichliche Gesichter mit gezierten, besonders graziös oder einfach und großartig seinsollenden Stellungen usf. Mode geworden.

Diese Unbedeutendheit von seiten des inneren geistigen Charakters führt dann auch auf Unbedeutendheit der Farben ((76)) und des Farbtons, so daß alle Farben in Unscheinbarkeit und kraftloser Gebrochenheit und Abdämpfung gehalten werden und nichts recht hervorkommt, - nichts anderes freilich herunterdrückt, aber auch nichts heraushebt.

Es ist dies wohl eine Harmonie der Farben und häufig von großer Süße und einschmeichelnder Lieblichkeit, aber in der Unbedeutendheit.

In der ähnlichen Beziehung sagt schon Goethe in seinen Anmerkungen zur Übersetzung von Diderots Versuch über die Malerei:

“Man gibt keineswegs zu, daß es leichter sei, ein schwaches Kolorit harmonischer zu machen als ein starkes; aber freilich, wenn das Kolorit stark ist, wenn Farben lebhaft erscheinen, dann empfindet auch das Auge Harmonie und Disharmonie viel lebhafter wenn man aber die Farben schwächt, einige hell, andere gemischt, andere beschmutzt im Bilde braucht, dann weiß freilich niemand, ob er ein harmonisches oder disharmonisches Bild sieht; das weiß man aber allenfalls zu sagen, daß es unwirksam, daß es unbedeutend sei.”

Mit der Harmonie der Farben ist nun aber im Kolorit noch keineswegs alles erreicht, sondern es müssen drittens noch mehrere andere Seiten, um eine Vollendung hervorzubringen, hinzukommen.

(zum Dreieck)

Ich will in dieser Rücksicht hier nur noch der sogenannten Luftperspektive, der Karnation und endlich der Magie des Farbenscheines Erwähnung tun.

Die Linearperspektive betrifft zunächst nur die Größenunterschiede, welche die Linien der Gegenstände in ihrer geringeren oder weiteren Entfernung vom Auge machen.

Diese Veränderung und Verkleinerung der Gestalt ist jedoch nicht das einzige, was die Malerei nachzubilden hat.

Denn in der Wirklichkeit erleidet alles durch die atmosphärische Luft, die zwischen den Gegenständen, ja selbst zwischen den verschiedenen Teilen derselben hinzieht, eine Verschiedenartigkeit der Färbung.

Dieser mit der Entfernung sich abdämpfende Farbton ist es, welcher die Luftperspektive ausmacht, insofern dadurch die Gegenstände teils in der Weise ihrer Umrisse, teils in Rücksicht auf ihren Hell- und Dunkelschein ((77)) und sonstige Färbung modifiziert werden.

Gewöhnlich meint man, was im Vorgrunde dem Auge am nächsten steht, sei immer das Hellste und der Hintergrund das Dunklere, in der Tat aber verhält sich die Sache anders.

Der Vorgrund ist das Dunkelste und Hellste zugleich, d.h. der Kontrast von Licht und Schatten wirkt in der Nähe am stärksten, und die Umrisse sind am bestimmtesten; je weiter dagegen die Objekte sich vom Auge entfernen, desto farbloser, unbestimmter in ihrer Gestalt werden sie, indem sich der Gegensatz von Licht und Schatten mehr und mehr verliert, bis sich das Ganze überhaupt in ein helles Grau verliert.

Die verschiedene Art der Beleuchtung jedoch verursacht in dieser Rücksicht die verschiedenartigsten Abweichungen.

Das Schwerste nun aber zweitens in der Färbung, das Ideale gleichsam, der Gipfel des Kolorits ist das Inkarnat, der Farbton der menschlichen Fleischfarbe, welche alle anderen Farben wunderbar in sich vereinigt, ohne daß sich die eine oder andere selbständig heraushebt.

Das jugendliche, gesunde Rot der Wange ist zwar reiner Karmin, ohne allen Stich ins Blaue, Violette oder Gelbe, aber dies Rot ist selbst nur ein Anflug oder vielmehr ein Schimmer, der von innen herauszudringen scheint und sich unbemerkbar in die übrige Fleischfarbe hinein verliert.

Diese aber ist ein ideelles Ineinander aller Hauptfarben.

Durch das durchsichtige Gelb der Haut scheint das Rot der Arterien, das Blau der Venen, und zu dem Hell und Dunkel und den, sonstigen mannigfaltigen Scheinen und Reflexen kommen noch graue, bräunliche, selbst grünliche Töne hinzu, die uns beim ersten Anblick höchst unnatürlich dünken und doch ihre Richtigkeit und wahrhaften Effekt haben können.

Dabei ist dieses Ineinander von Scheinen ganz glanzlos, d.h. es zeigt kein Scheinen von anderem an ihm, sondern ist von innen her beseelt und ((78)) belebt.

Dies Durchscheinen von innen besonders ist für die Darstellung von größter Schwierigkeit.

Man kann es einem See im Abendschein vergleichen, in welchem man die Gestalten, die er abspiegelt, und zugleich die klare Tiefe und Eigentümlichkeit des Wassers sieht.

Metallglanz dagegen ist wohl scheinend und widerscheinend, Edelgesteine zwar durchsichtig, blitzend, doch kein durchscheinendes Ineinander von Farben wie das Fleisch, ebenso der Atlas, glänzende Seidenstoffe usf.

Die tierische Haut, das Haar oder Gefieder, die Wolle usf. sind in derselben Weise von der verschiedenartigsten Färbung, aber doch in den bestimmten Teilen von direkterer, selbständiger Farbe, so daß die Mannigfaltigkeit mehr ein Resultat verschiedener Flächen und Plane, kleiner Punkte und Linien von verschiedenen Färbungen als ein Ineinander wie beim Fleisch ist.

Am nächsten noch kommen demselben die Farbenspiele durchscheinender Trauben und die wunderbaren zarten, durchsichtigen Farbnuancen der Rose.

Doch auch diese erreicht nicht den Schein innerer Belebung, den die Fleischfarbe haben muss und dessen glanzloser Seelenduft zum Schwierigsten gehört, was die Malerei kennt.

Denn dies Innerliche, Subjektive der Lebendigkeit soll auf einer Fläche nicht als aufgetragen, nicht als materielle Farbe, als Striche, Punkte usf., sondern als selbst lebendiges Ganzes erscheinen: durchsichtig tief, wie das Blau des Himmels, das fürs Auge keine widerstandleistende Fläche sein darf, sondern worein wir uns müssen vertiefen können.

Schon Diderot in dem von Goethe übersetzten Aufsatz über Malerei sagt in dieser Hinsicht:

"Wer das Gefühl des Fleisches erreicht hat, ist schon weit gekommen, das übrige ist nichts dagegen.

Tausend Maler sind gestorben, ohne das Fleisch gefühlt zu haben, tausend andere werden sterben, ohne es zu fühlen."

Was kurz das Material angeht, durch welches diese glanzlose Lebendigkeit des Fleisches kann hervorgebracht werden, so hat sich erst die Ölfarbe als hierzu vollkommen tauglich erwiesen.

Am wenigsten geschickt, ein Ineinanderscheinen zu ((79)) bewirken, ist die Behandlung in Mosaiken, welche sich zwar durch ihre Dauer empfiehlt, doch, weil sie die Farbnuancen durch verschieden gefärbte Glasstifte oder Steinchen, die nebeneinandergestellt werden, ausdrücken muss, niemals das fließende Sichverschmelzen eines ideellen Ineinander von Farben bewirken kann.

Weiter gehen schon die Fresko- und Temperamalerei.

Doch beim Freskomalen werden die auf nassen Kalk aufgetragenen Farben zu schnell eingesogen, so daß einerseits die größte Fertigkeit und Sicherheit des Pinsels nötig ist, andererseits mehr mit großen Strichen nebeneinander gearbeitet werden muss, welche, da sie schnell auftrocknen, keine feinere Vertreibung gestatten.

Das Ähnliche findet beim Malen mit Temperafarben statt, die zwar zu großer innerer Klarheit und schönem Leuchten zu bringen sind, doch durch ihr schnelles Auftrocknen gleichfalls sich weniger zur Verschmelzung und Vertreibung eignen und eine mehr zeichnende Behandlung mit Strichen nötig machen.

Die Ölfarbe dagegen erlaubt nicht nur das zarteste, sanfteste Ineinanderschmelzen und Vertreiben, wodurch die Übergänge so unmerklich werden, daß man nicht sagen kann, wo eine Farbe anfängt und wo aufhört, sondern sie erhält auch bei richtiger Mischung und rechter Auftragsweise ein edelsteinartiges Leuchten und kann vermittels ihres Unterschiedes von Deck- und Lasurfarben in weit höherem Grade als die Temperamalerei ein Durchscheinen verschiedener Farbenlagen hervorbringen.

Der dritte Punkt endlich, dessen wir noch erwähnen müssen, betrifft die Duftigkeit, Magie in der Wirkung des Kolorits.

Diese Zauberei des Farbenscheins wird hauptsächlich da erst auftreten, wo die Substantialität und Geistigkeit der Gegenstände sich verflüchtigt hat und nun die Geistigkeit in die Auffassung und Behandlung der Färbung hereintritt.

Im allgemeinen läßt sich sagen, daß die Magie darin besteht, alle Farben so zu behandeln, daß dadurch ein für sich objektloses Spiel des Scheines hervorkommt, das die äußerste verschwebende Spitze des Kolorits bildet, ein Ineinander ((80)) von Färbungen, ein Scheinen von Reflexen, die in andere Scheine scheinen und so fein, so flüchtig, so seelenhaft werden, daß sie ins Bereich der Musik herüberzugehen anfangen.

Nach seiten der Modellierung gehört die Meisterschaft des Helldunkels hierher, worin schon unter den Italienern Leonardo da Vinci und vor allem Correggio Meister waren.

Sie sind zu tiefsten Schatten fortgegangen, die aber selbst wieder durchleuchtet bleiben und sich durch unmerkliche Übergänge bis zum hellsten Lichte steigern.

Dadurch kommt die höchste Rundung zum Vorschein, nirgends ist eine Härte oder Grenze, überall ein Übergehen; Licht und Schatten wirken nicht unmittelbar nur als Licht oder Schatten, sondern beide durchscheinen einander, wie eine Kraft von innen her durch ein Äußeres hindurchwirkt.

Das Ähnliche gilt für die Behandlung der Farbe, in welcher auch die Holländer die größten Meister waren.

Durch diese Idealität, dies Ineinander, dieses Herüber und Hinüber von Reflexen und Farbenscheinen, durch diese Veränderlichkeit und Flüchtigkeit von Übergängen breitet sich über das Ganze bei der Klarheit, dem Glanz, der Tiefe, dem milden und saftigen Leuchten der Farbe ein Schein der Beseelung, welcher die Magie des Kolorits ausmacht und dem Geiste des Künstlers, der dieser Zauberer ist, eigens angehört.

(zum Dreieck)

gg) Dies führt uns auf einen letzten Punkt, den ich kurz noch besprechen will.

Unseren Ausgangspunkt nahmen wir von der Linearperspektive, schritten sodann zur Zeichnung fort und betrachteten endlich die Farbe; zuerst Licht und Schatten in Rücksicht auf Modellierung; zweitens als Farbe selbst, und zwar als Verhältnis der relativen Helligkeit und Dunkelheit der Farben gegeneinander sowie ferner als Harmonie, Luftperspektive, Karnation und Magie derselben.

Die dritte Seite nun betrifft die schöpferische Subjektivität des Künstlers in Hervorbringung des Kolorits.

Gewöhnlich meint man, die Malerei könne hierbei nach ganz bestimmten Regeln verfahren.

Dies ist jedoch nur bei der ((81)) Linearperspektive, als einer ganz geometrischen Wissenschaft, der Fall, obschon auch hier nicht einmal die Regel als abstrakte Regel hervorscheinen darf, wenn sie nicht das eigentlich Malerische zerstören soll.

Die Zeichnung zweitens läßt sich weniger schon als die Perspektive durchweg auf allgemeine Gesetze zurückführen, am wenigsten aber das Kolorit.

Der Farbensinn muss eine künstlerische Eigenschaft, eine eigentümliche Seh- und Konzeptionsweise von Farbtönen, die existieren, sowie eine wesentliche Seite der reproduktiven Einbildungskraft und Erfindung sein.

Dieser Subjektivität des Farbtons wegen, in welcher der Künstler seine Welt anschaut und die zugleich produktiv bleibt, ist die große Verschiedenheit des Kolorits keine bloße Willkür und beliebige Manier einer Färbung, die nicht so in rerum natura vorhanden ist, sondern liegt in der Natur der Sache selbst.

So erzählt z.B. Goethe in Dichtung und Wahrheit * folgendes hierher gehörige Beispiel.

“Als ich (nach einem Besuche der Dresdner Galerie) bei meinem Schuster wieder eintrat” bei einem solchen hatte er sich aus Grille einquartiert -, "um das Mittagsmahl zu genießen, traute ich meinen Augen kaum: denn ich glaubte ein Bild von Ostade vor mir zu sehen, so vollkommen, daß man es nur auf die Galerie hätte hängen dürfen.

Stellung der Gegenstände, Licht, Schatten, bräunlicher Teint des Ganzen, alles, was man in jenen Bildern bewundert, sah ich hier in der Wirklichkeit.

Es war das erste Mal, daß ich auf einen so hohen Grad die Gabe gewahr wurde, die ich nachher mit mehrerem Bewußtsein übte, die Natur nämlich mit den Augen dieses oder jenes Künstlers zu sehen, dessen Werken ich soeben eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatte.

Diese Fähigkeit hat mir viel Genuß gewährt, aber auch die Begierde vermehrt, der Ausübung eines Talents, das mir die Natur versagt zu haben schien, von Zeit zu Zeit eifrig nachzuhängen."

Besonders tut sich diese Verschiedenheit des Kolorits auf der einen Seite bei ((82)) Darstellung des menschlichen Fleisches hervor, selbst abgesehen von allen äußerlich wirkenden Modifikationen der Beleuchtung, des Alters, Geschlechts, der Situation, Nationalität, Leidenschaft usf.

Auf der anderen ist es die Darstellung des täglichen Lebens im Freien oder Innern der Häuser, Schenken, Kirchen usw. sowie die landschaftliche Natur, deren Reichtum von Gegenständen und Färbungen jeden Maler mehr oder weniger an seinen eigenen Versuch weist, dies mannigfaltige Spiel von Scheinen, das hier eintritt, aufzufassen, wiederzugeben und sich nach seiner Anschauung, Erfahrung und Einbildungskraft zu erfinden.

(zum Dreieck)

  1. Die künstlerische Konzeption, Komposition und Charakterisierung

Wir haben bis jetzt in betreff auf die besonderen Gesichtspunkte, welche in der Malerei geltend zu machen sind, erstens vom Inhalt, zweitens von dem sinnlichen Material gesprochen, dem dieser Inhalt eingebildet werden kann.

Drittens bleibt uns zum Schluß nur noch übrig, die Art und Weise festzustellen, in welcher der Künstler seinen Inhalt, diesem bestimmten sinnlichen Elemente gemäß, malerisch zu konzipieren und auszuführen hat.

Den breiten Stoff, der sich auch hier wieder unserer Betrachtung darbietet, können wir folgendermaßen gliedern.

Erstens sind es die allgemeineren Unterschiede der Konzeptionsweise, die wir sondern und in ihrer Fortbewegung zu immer reicherer Lebendigkeit begleiten müssen.

Zweitens haben wir uns mit den bestimmteren Seiten zu beschäftigen, welche innerhalb dieser Arten der Auffassung näher die eigentlich malerische Komposition, die künstlerischen Motive der ergriffenen Situation und der Gruppierung angehen.

Drittens wollen wir einen Blick auf die Art der Charakterisierung werfen, welche aus der Verschiedenheit sowohl der Gegenstände als auch der Konzeption hervorgeht.

(zum Dreieck)

  1. Was nun erstens die allgemeinsten Weisen der malerischen ((83)) Auffassung betrifft, so finden dieselben teils in dem Inhalt selbst, der zur Darstellung gebracht werden soll, teils in dem Entfaltungsgange der Kunst ihren Ursprung, welche nicht gleich von Hause aus den ganzen Reichtum, der in einem Gegenstande liegt, herausarbeitet, sondern erst nach mannigfaltigen Stufen und Übergängen zur vollen Lebendigkeit hingelangt.

(zum Dreieck)

aa) Der erste Standpunkt, den die Malerei in dieser Beziehung einnehmen kann, zeigt noch ihre Herkunft von der Skulptur und Architektur, indem sie sich in dem allgemeinen Charakter ihrer ganzen Konzeptionsweise noch diesen Künsten anschließt.

Dies wird am meisten der Fall sein können, wenn sich der Künstler auf einzelne Figuren beschränkt, welche er nicht in der lebendigen Bestimmtheit einer in sich mannigfaltigen Situation, sondern in dem einfachen, selbständigen Beruhen auf sich hinstellt.

Aus den verschiedenen Kreisen des Inhalts, den ich als für die Malerei gemäß bezeichnet habe, sind hierfür besonders religiöse Gegenstände, Christus, einzelne Apostel und Heilige passend.

Denn dergleichen Figuren müssen fähig sein, für sich selbst in ihrer Vereinzelung Bedeutung genug zu haben, eine Totalität zu sein und einen substantiellen Gegenstand der Verehrung und Liebe für das Bewußtsein auszumachen.

In dieser Art finden wir vornehmlich in der älteren Kunst Christus oder Heilige isoliert ohne bestimmtere Situation und Naturumgebung dargestellt.

Tritt eine Umgebung hinzu, so besteht sie hauptsächlich in architektonischen Verzierungen, besonders gotischen, wie dies z.B. bei älteren Niederländern und Oberdeutschen häufig vorkommt.

In dieser Bezüglichkeit auf die Architektur, zwischen deren Pfeiler und Bogen oft auch mehrere solche Figuren, der zwölf Apostel z.B., nebeneinandergestellt werden, geht die Malerei noch nicht zu der Lebendigkeit der späteren Kunst fort, und auch die Gestalten selbst bewahren noch teils den mehr starren, statuarischen Charakter der Skulptur, teils bleiben sie überhaupt in einem statuarischen Typus stehen, ((84)) wie ihn die byzantinische Malerei z.B. an sich trägt.

Für solche einzelne Figuren ohne alle Umgebung oder bei bloß architektonischer Einschließung ist dann auch eine strengere Einfachheit der Farbe und grellere Entschiedenheit derselben passend.

Die ältesten Maler haben statt einer reichen Naturumgebung deshalb den einfarbigen Goldgrund beibehalten, dem nun die Farben der Gewänder face machen und ihn gleichsam parieren müssen und daher entschiedener, greller sind, als wir sie in den Zeiten der schönsten Ausbildung der Malerei finden, wie denn überhaupt die Barbaren ohnehin an einfachen lebhaften Farben, Rot, Blau usf., ihr Gefallen haben.

Zu dieser ersten Art der Auffassung gehören nun größtenteils auch die wundertätigen Bilder.

Als zu etwas Stupendem hat der Mensch zu ihnen nur ein stupides Verhältnis, das die Seite der Kunst gleichgültig läßt, so daß sie dem Bewußtsein nicht durch menschliche Verlebendigung und Schönheit freundlich nähergebracht werden und die am meisten religiös verehrten, künstlerisch betrachtet, gerade die allerschlechtesten sind.

Wenn nun aber dergleichen vereinzelte Figuren nicht als eine für sich fertige Totalität um ihrer ganzen Persönlichkeit willen einen Gegenstand der Verehrung oder des Interesses abgeben können, so hat eine solche noch im Prinzip der skulpturartigen Auffassung ausgeführte Darstellung keinen Sinn.

So sind Porträts z.B. für die Bekannten der Person und ihrer ganzen Individualität wegen interessant; sind aber die Personen vergessen oder unbekannt, so frischt sich durch ihre Darstellung in einer Aktion oder Situation, die einen bestimmten Charakter zeigt, eine ganz andere Teilnahme an, als die ist, die wir für solche ganz einfache Konzeptionsweise gewinnen können.

große Porträts, wenn sie durch alle Mittel der Kunst in voller Lebendigkeit vor uns dastehen, haben an dieser Fülle des Daseins selbst schon dies Hervortreten, Hinausschreiten aus ihrem Rahmen.

Bei van Dyckschen Porträts z.B. hat mir der Rahmen, besonders wenn ((85)) die Stellung der Figur nicht ganz en face, sondern etwas herumgewendet ist, ausgesehen wie die Tür der Welt, in welche der Mensch da hereintritt.

Sind deshalb Individuen nicht, wie Heilige, Engel usf., schon etwas in sich selbst Vollendetes und Fertiges und können sie nur durch die Bestimmtheit einer Situation, durch einen einzelnen Zustand, eine besondere Handlung interessant werden, so ist es unangemessen, sie als selbständige Gestalten darzustellen.

So waren z.B. die letzte Arbeit Kügelgens in Dresden vier Köpfe, Bruststücke: Christus, Johannes der Täufer, Johannes der Evangelist und der verlorene Sohn.

Was Christus und Johannes den Evangelisten anbetrifft, so fand ich, als ich sie sah, die Auffassung ganz zweckmäßig.

Aber der Täufer und vollends der verlorene Sohn haben gar nicht diese Selbständigkeit für mich, daß ich sie in dieser Weise als Bruststücke sehen mochte.

Hier ist im Gegenteil notwendig, diese Figuren in Tätigkeit und Handlung zu setzen oder wenigstens in Situationen zu bringen, durch welche sie in lebendigem Zusammenhange mit ihrer äußeren Umgebung die charakteristische Individualität eines in sich abgeschlossenen Ganzen erlangen könnten.

Der Kügelgensche Kopf des verlorenen Sohnes drückt zwar sehr schön den Schmerz, die tiefe Reue und Zerknirschung aus, aber daß dies gerade die Reue des verlorenen Sohnes sein solle, ist nur durch eine ganz kleine Herde Schweine im Hintergrunde angedeutet.

Statt dieser symbolischen Hinweisung sollten wir ihn mitten unter der Herde sehen oder in einer anderen Szene seines Lebens.

Denn der verlorene Sohn hat keine weitere vollständige allgemeine Persönlichkeit und existiert für uns, soll er nicht zu einer bloßen Allegorie werden, nur in der bekannten Reihe von Situationen, in welchen ihn die Erzählung schildert.

Wie er das väterliche Haus verläßt, oder in seinem Elend, seiner Reue, seiner Rückkehr müßte er uns in konkreter Wirklichkeit vorgeführt werden.

So aber sind jene Schweine im Hintergrunde nicht viel besser als ein Zettel mit dem aufgeschriebenen Namen. ((86))

(zum Dreieck)

bb) Überhaupt kann die Malerei, da sie die volle Besonderheit der subjektiven Innigkeit zu ihrem Inhalt zu nehmen hat, weniger noch als die Skulptur bei dem situationslosen Beruhen in sich und der bloß substantiellen Auffassung eines Charakters stehenbleiben, sondern muss diese Selbständigkeit aufgeben und ihren Inhalt in bestimmter Situation, Mannigfaltigkeit, Unterschiedenheit der Charaktere und Gestalten in bezug aufeinander und auf ihre äußere Umgebung darzustellen bemüht sein.

Dies Ablassen von den bloß traditionellen statuarischen Typen, von der architektonischen Aufstellung und Umschließung der Figuren und der skulpturartigen Konzeptionsweise, diese Befreiung von dem Ruhenden, Untätigen, dies Suchen eines lebendigen menschlichen Ausdrucks, einer charakteristischen Individualität, dies Hineinsetzen jedes Inhalts in die subjektive Besonderheit und deren bunte Äußerlichkeit macht den Fortschritt der Malerei aus, durch welchen sie erst den ihr eigentümlichen Standpunkt erlangt.

Mehr als den übrigen bildenden Künsten ist es daher der Malerei nicht nur gestattet, sondern es muss sogar von ihr gefordert werden, zu einer dramatischen Lebendigkeit fortzugehen, so daß die Gruppierung ihrer Figuren die Tätigkeit in einer bestimmten Situation anzeigt.

(zum Dreieck)

gg) Mit diesem Hineinführen in die vollendete Lebendigkeit des Daseins und dramatische Bewegung der Zustände und Charaktere verbindet sich drittens dann die immer vermehrte Wichtigkeit, welche bei der Konzeption und Ausführung auf die Individualität und das volle Leben der Farbenerscheinung aller Gegenstände gelegt wird, insofern in der Malerei die letzte Spitze der Lebendigkeit nur durch Farbe ausdrückbar ist.

Doch kann sich diese Magie des Scheins endlich auch so überwiegend geltend machen, daß darüber der Inhalt der Darstellung gleichgültig wird und die Malerei dadurch in dem bloßen Duft und Zauber ihrer Farbtöne und der Entgegensetzung und ineinanderscheinenden und -spielenden Harmonie sich ganz ebenso zur Musik herüberzuwenden ((87)) anfängt, als die Skulptur in der weiteren Ausbildung des Reliefs sich der Malerei zu nähern beginnt.

(zum Dreieck)

  1. Das nächste nun, wozu wir jetzt überzugehen haben, betrifft die besonderen Bestimmungen, denen die malerische Kompositionsweise, als Darstellung einer bestimmten Situation und deren näherer Motive durch Zusammenstellung und Gruppierung verschiedener Gestalten oder Naturgegenstände zu einem in sich abgeschlossenen Ganzen, in ihren Hervorbringungen folgen muss.

(zum Dreieck)

aa) Das Haupterfordernis, das wir an die Spitze stellen können, ist die glückliche Auswahl einer für die Malerei passenden Situation.

Hier besonders hat die Erfindungskraft des Malers ihr unermeßliches Feld: von der einfachsten Situation eines unbedeutenden Gegenstandes an, eines Blumenstraußes oder eines Weinglases mit Tellern, Brot, einzelnen Früchten umher, bis hin zu den reichhaltigen Kompositionen von großen öffentlichen Begebenheiten, Haupt- und Staatsaktionen, Krönungsfesten, Schlachten und dem Jüngsten Gericht, wo Gottvater, Christus, die Apostel, die himmlischen Heerscharen und die ganze Menschheit, Himmel, Erde und Hölle zusammentreten.

Was das Nähere angeht, so ist in dieser Beziehung das eigentlich Malerische einerseits von dem Skulpturartigen, andererseits von dem Poetischen, wie es nur der Dichtkunst vollkommen auszudrücken möglich ist, bestimmter abzuscheiden.

Die wesentliche Verschiedenheit einer malerischen von einer skulpturmäßigen Situation liegt, wie wir bereits oben gesehen haben, darin, daß die Skulptur hauptsächlich das selbständig in sich Beruhende, Konfliktlose in harmlosen Zuständen, an denen die Bestimmtheit nicht das Durchgreifende ausmacht, darzustellen berufen ist und erst im Relief vornehmlich zur Gruppierung, epischen Ausbreitung von Gestalten, zur Darstellung von bewegteren Handlungen, denen eine Kollision zugrunde liegt, fortzuschreiten ((88)) anfängt, die Malerei dagegen bei ihrer eigentlichen Aufgabe erst dann anfängt, wenn sie aus der beziehungslosen Selbständigkeit ihrer Figuren und dem Mangel an Bestimmtheit der Situation herausgeht, um in die lebendige Bewegung menschlicher Zustände, Leidenschaften, Konflikte, Handlungen in stetem Verhältnis zu der äußeren Umgebung eintreten und selbst bei Auffassung der landschaftlichen Natur dieselbe Bestimmtheit einer besonderen Situation und deren lebendigster Individualität festhalten zu können.

Wir stellten deshalb gleich anfangs schon für die Malerei die Forderung auf, daß sie die Darstellung der Charaktere, der Seele, des Inneren nicht so zu liefern habe, wie sich diese innere Welt unmittelbar in ihrer äußeren Gestalt zu erkennen gibt, sondern durch Handlungen das, was sie ist, entwickelt und äußert.

Der letztere Punkt hauptsächlich ist es, welcher die Malerei in einen näheren Bezug zur Poesie bringt.

Beide Künste in diesem Verhältnisse haben teils einen Vorzug, teils einen Nachteil.

Die Malerei kann die Entwicklung einer Situation, Begebenheit, Handlung nicht, wie die Poesie oder Musik, in einer Sukzession von Veränderungen geben, sondern nur einen Moment ergreifen wollen.

Hieraus folgt die ganz einfache Reflexion, daß durch diesen einen Moment das Ganze der Situation oder Handlung, die Blüte derselben, dargestellt und deshalb der Augenblick aufgesucht werden muss, in welchem das Vorhergehende und Nachfolgende in einen Punkt zusammengedrängt ist.

Bei einer Schlacht z.B. wurde dies der Moment des Sieges sein: das Gefecht ist noch sichtbar, zugleich aber die Entscheidung bereits gewiß.

Der Maler kann daher einen Rest des Vergangenen, das sich in seinem Abziehen und Verschwinden noch in der Gegenwart geltend macht, aufnehmen und zugleich das Künftige, das als unmittelbare Folge aus einer bestimmten Situation hervorgehen muss, andeuten.

Ins Nähere jedoch kann ich mich hier nicht einlassen.

Bei diesem Nachteil gegen den Dichter hat nun aber der ((89)) Maler den Vorteil voraus, daß er die bestimmte Szene, indem er sie sinnlich vor die Anschauung im Scheine ihrer wirklichen Realität bringt, in der vollkommensten Einzelheit ausmalen kann.

“Ut pictura poesis erit,” ist zwar ein beliebter Spruch, der besonders in der Theorie vielfach urgiert und von der beschreibenden Dichtkunst in ihren Schilderungen der Jahres- und Tageszeiten, Blumen, Landschaften präzis genommen und in Anwendung gebracht worden ist.

Die Beschreibung aber solcher Gegenstände und Situationen in Worten ist einerseits sehr trocken und tädiös und kann dennoch, wenn sie aufs einzelne eingehen will, niemals fertig werden; andererseits bleibt sie verwirrt, weil sie das als ein Nacheinander der Vorstellung geben muss, was in der Malerei auf einmal vor der Anschauung steht, so daß wir das Vorhergehende immer vergessen und aus der Vorstellung heraushaben, während es doch wesentlich mit dem anderen, was folgt, in Zusammenhang sein soll, da es im Raum zusammengehört und nur in dieser Verknüpfung und diesem Zugleich einen Wert hat.

In diesen gleichzeitigen Einzelheiten dagegen kann gerade der Maler das ersetzen, was ihm in Ansehung der fortlaufenden Sukzession vom Vergangenen und Nachfolgenden abgeht.

Doch steht die Malerei wieder in einer anderen Beziehung gegen die Poesie und Musik zurück, in betreff des Lyrischen nämlich.

Die Dichtkunst kann Empfindungen und Vorstellungen nicht nur als Empfindungen und Vorstellungen überhaupt, sondern auch als Wechsel, Fortgang, Steigerung derselben entwickeln.

Mehr noch in Rücksicht auf die konzentrierte Innerlichkeit ist dies in der Musik der Fall, die es sich mit der Bewegung der Seele in sich zu tun macht.

Die Malerei nun aber hat hierfür nichts als den Ausdruck des Gesichts und der Stellung und verkennt, wenn sie sich auf das eigentlich Lyrische ausschließlich einläßt, ihre Mittel.

Denn wie sehr sie auch die innere Leidenschaft und Empfindung in Mienenspiel und Bewegungen des Körpers ausdrückt, so muss doch dieser Ausdruck nicht unmittelbar die Empfindung als solche betreffen, ((90)) sondern die Empfindung in einer bestimmten Äußerung, Begebenheit, Handlung.

Daß sie im Äußerlichen darstellt, hat deshalb nicht den abstrakten Sinn, durch Physiognomie und Gestalt das Innere anschaubar zu machen; sondern die Äußerlichkeit, in deren Form sie das Innere ausspricht, ist eben die individuelle Situation einer Handlung, die Leidenschaft in bestimmter Tat, durch welche die Empfindung erst ihre Explikation und Erkennbarkeit erhält.

Wenn man daher das Poetische der Malerei darein setzt, daß sie die innere Empfindung unmittelbar ohne näheres Motiv und Handlung in Gesichtszügen und Stellung ausdrücken solle, so heißt dies nur die Malerei in eine Abstraktion zurückweisen, der sie sich gerade zu entwinden hat, und von ihr verlangen, sich der Eigentümlichkeit der Poesie zu bemächtigen, wodurch sie, wenn sie den Versuch wagt, nur in Trockenheit oder Fadheit gerät.

Ich hebe hier diesen Punkt heraus, weil in der vorjährigen hiesigen Kunstausstellung (1828) mehrere Bilder aus der sogenannten Düsseldorfer Schule sehr gerühmt worden sind, deren Meister bei vieler Verständigkeit und technischer Fertigkeit diese Richtung auf die bloße Innerlichkeit, auf das, was ausschließlich nur für die Poesie darstellbar ist, genommen haben.

Der Inhalt war größtenteils Goetheschen Gedichten oder aus Shakespeare, Ariost und Tasso entlehnt und machte hauptsächlich die innerliche Empfindung der Liebe aus.

Gewöhnlich stellten die vorzüglichsten Gemälde je ein Liebespaar dar, Romeo und Julia z.B., Rinaldo und Armida, ohne nähere Situation, so daß jene Paare gar nichts tun und ausdrücken, als ineinander verliebt zu sein, also sich zueinander hinzuneigen und recht verliebt einander anzusehen, recht verliebt dreinzublicken.

Da muss sich denn natürlich der Hauptausdruck in Mund und Auge konzentrieren, und besonders hat Rinaldo eine Stellung mit seinen langen Beinen, bei der er eigentlich, so wie sie daliegen, nicht recht weiß, wo er mit hin soll.

Das streckt sich deshalb auch ganz bedeutungslos hin.

Die Skulptur, wie wir gesehen ((91)) haben, entschlägt sich des Auges und Seelenblicks, die Malerei ergreift dagegen dies reiche Moment des Ausdrucks, aber sie muss sich nicht auf diesen Punkt konzentrieren, nicht das Feuer oder die schwimmende Mattigkeit und Sehnsüchtigkeit des Auges oder die süßliche Freundlichkeit des Mundes sich ohne alle Motive zum Hauptaugenmerk des Ausdrucks machen wollen.

Von ähnlicher Art war auch der Fischer von Hübner, wozu der Stoff aus dem bekannten Goetheschen Gedicht genommen war, das die unbestimmte Sehnsucht nach der Ruhe, Kühlung und Reinheit des Wassers mit so wunderbarer Tiefe und Anmut der Empfindung schildert.

Der Fischerknabe, der da nackt ins Wasser gezogen wird, hat, wie die männlichen Figuren in den übrigen Bildern auch, ein sehr prosaisches Gesicht, dem man es, wenn seine Physiognomie ruhig wäre, nicht ansehen würde, daß er tiefer, schöner Empfindungen fähig sein könnte.

Überhaupt kann man von allen diesen männlichen und weiblichen Gestalten nicht sagen, daß sie von gesunder Schönheit wären; im Gegenteil zeigen sie nichts als die Nervengereiztheit, Schmächtigkeit und Krankhaftigkeit der Liebe und Empfindung überhaupt, die man nicht reproduziert sehen, sondern von der man, wie im Leben so auch in der Kunst, vielmehr gern verschont bleiben will.

In dieselbe Kategorie gehört auch die Art und Weise, in welcher Schadow, der Meister dieser Schule, die Goethesche Mignon dargestellt hat.

Der Charakter Mignons ist schlechthin poetisch.

Was sie interessant macht, ist ihre Vergangenheit, die Härte des äußeren und inneren Schicksals, der Widerstreit italienischer, in sich heftig aufgeregter Leidenschaft in einem Gemüt, das sich darin nicht klar wird, dem jeder Zweck und Entschluß fehlt und das nun, in sich selbst ein Geheimnis, absichtlich geheimnisvoll sich nicht zu helfen weiß; dies in sich gekehrte, ganz abgebrochene Sichäußern, das nur in einzelnen, unzusammenhängenden Eruptionen merken läßt, was in ihr vorgeht, ist die Furchtbarkeit des Interesses, das wir an ihr nehmen müssen.

Ein solches volles Konvolut kann nun wohl vor ((92)) unserer Phantasie stehen, aber die Malerei kann es nicht, wie es Schadow gewollt hat, so ohne Bestimmtheit der Situation und der Handlung einfach durch Mignons Gestalt und Physiognomie darstellen.

Im ganzen läßt sich daher behaupten. diese genannten Bilder seien ohne Phantasie für Situationen, Motive und Ausdruck gefaßt.

Denn zu echten Kunstdarstellungen der Malerei gehört, daß der ganze Gegenstand mit Phantasie ergriffen und in Gestalten zur Anschauung gebracht sei, die sich äußern, ihr Inneres durch eine Folge der Empfindung, durch eine Handlung dartun, welche für die Empfindung so bezeichnend ist, daß nun alles und jedes im Kunstwerk von der Phantasie zum Ausdruck des ausgewählten Inhalts vollständig verwendet erscheint.

Die älteren italienischen Maler besonders haben wohl auch, wie diese modernen, Liebesszenen dargestellt und zum Teil ihren Stoff aus Gedichten genommen, aber sie haben denselben mit Phantasie und gesunder Heiterkeit zu gestalten verstanden.

Amor und Psyche, Amor mit Venus, Plutos Raub der Proserpina, der Raub der Sabinerinnen, Herkules mit dem Spinnrocken bei Omphale, welche die Löwenhaut um sich geworfen: das sind alles Gegenstände, welche die älteren Meister in lebendigen, bestimmten Situationen, in Szenen mit Motiven, und nicht bloß als einfache, in keiner Handlung begriffene Empfindung ohne Phantasie, darstellten.

Auch aus dem Alten Testament haben sie Liebesszenen entlehnt.

So hängt z.B. in Dresden ein Bild von Giorgione: Jakob, der weither gekommen, grüßt die Rahel, drückt ihr die Hand und küßt sie; weiter hin stehen ein paar Knechte an einem Brunnen, beschäftigt, für ihre Herde Wasser zu schöpfen, die zahlreich im Tale weidet.

Ein anderes Gemälde stellt Isaak und Rebekka dar; Rebekka reicht Abrahams Knechten zu trinken, wodurch sie von ihnen erkannt wird.

Ebenso sind aus Ariost Szenen hergenommen, Medor z.B., der Angelikas Namen auf die Einfassung eines Quells schreibt.

Wenn in neuerer Zeit soviel von der Poesie in der Malerei gesprochen wird, so darf dies, wie gesagt, nichts anderes ((93)) heißen, als einen Gegenstand mit Phantasie fassen, Empfindungen durch Handlung sich explizieren lassen, nicht aber die abstrakte Empfindung festhalten und als solche ausdrükken wollen.

Selbst die Poesie, welche die Empfindung doch in ihrer Innerlichkeit auszusprechen vermag, breitet sich in Vorstellungen, Anschauungen und Betrachtungen aus; wollte sie z.B. beim Ausdruck der Liebe nur dabei stehenbleiben zu sagen: “Ich liebe dich,” und immer nur zu wiederholen: “Ich liebe dich,” so möchte das zwar den Herren, die viel von der Poesie der Poesie geredet haben, genehm sein, aber es wäre die abstrakteste Prosa.

Denn Kunst überhaupt in betreff auf Empfindung besteht in Auffassung und Genuß derselben durch die Phantasie, welche die Leidenschaft in der Poesie zu Vorstellungen klärt und uns in deren Äußerung, sei es lyrisch oder in epischen Begebenheiten und dramatischen Handlungen, befriedigt.

Für das Innere als solches genügt aber in der Malerei Mund, Auge und Stellung nicht, sondern es muss eine totale konkrete Objektivität dasein, welche als Existenz des Inneren gelten kann.

Die Hauptsache nun also bei einem Gemälde besteht darin, daß es eine Situation, die Szene einer Handlung darstelle.

Hierbei ist das erste Gesetz die Verständlichkeit.

In dieser Rücksicht haben religiöse Gegenstände den großen Vorzug, daß sie allgemein bekannt sind.

Der Gruß des Engels, die Anbetung der Hirten oder der Drei Könige, die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten, die Kreuzigung, Grablegung, Auferstehung, ebenso die Legenden der Heiligen waren dem Publikum, für welches ein Gemälde gemalt wurde, nichts Fremdes, wenn uns auch jetzt die Geschichten der Märtyrer ferner liegen.

Für eine Kirche z.B. ward größtenteils nur die Geschichte des Patrons oder des Schutzheiligen der Stadt usf. dargestellt.

Die Maler selbst haben sich deshalb nicht immer aus eigener Wahl an solche Gegenstände gehalten, sondern das Bedürfnis forderte dieselben für Altäre, Kapellen, Klöster usf., so daß nun schon der Ort der Aufstellung selbst zur Verständlichkeit des Bildes beiträgt.

Dies ist zum ((94)) Teil notwendig, denn der Malerei fehlen die Sprache, die Worte und Namen, durch welche die Poesie sich außer ihren mannigfaltig anderen Bezeichnungsmitteln helfen kann.

So werden z.B. in einem königlichen Schlosse, Rathaussaale, Parlamentshause Szenen großer Begebenheiten, wichtiger Momente aus der Geschichte dieses Staates, dieser Stadt, dieses Hauses ihre Stelle haben und an dem Orte, für welchen das Gemälde bestimmt ist, durchweg bekannt sein.

Man wird z.B. für ein hiesiges königliches Schloß nicht leicht einen Gegenstand aus der englischen oder chinesischen Geschichte oder aus dem Leben des Königs Mithridates auswahlen.

Anders ist es in Bildergalerien, wo alles zusammengehängt wird, was man an guten Kunstwerken irgend besitzt und aufkaufen kann, wodurch denn freilich das Gemälde seine individuelle Zusammengehörigkeit mit einem bestimmten Lokal sowie seine Verständlichkeit durch den Ort verliert.

Dasselbe ist in Privatzimmern der Fall; ein Privatmann nimmt, was er kriegen kann, oder sammelt im Sinne einer Galerie und hat sonst seine anderweitigen Liebhabereien und Grillen.

Den geschichtlichen Sujets stehen nun in bezug auf Verständlichkeit die sogenannten allegorischen Darstellungen, welche zu einer Zeit sehr am Brette waren, bei weitem nach und werden außerdem, da ihnen meist die innere Lebendigkeit und Partikularität der Gestalten abgehen muss, unbestimmt, frostig und kalt.

Dagegen sind die landschaftlichen Naturszenen und Situationen der täglichen menschlichen Wirklichkeit ebenso klar in dem, was sie bedeuten sollen, als sie in Rücksicht auf Individualität, dramatische Mannigfaltigkeit, Bewegung und Fülle des Daseins für die Erfindung und Ausführung einen höchst günstigen Spielraum gewähren.

(zum Dreieck)

bb) Daß nun aber die bestimmte Situation, soweit es die Sache des Malers sein kann, sie verständlich zu machen, erkennbar werde, dazu reicht das bloß äußere Lokal der Aufstellung und die allgemeine Bekanntschaft mit dem Gegenstande nicht hin.

Denn im ganzen sind dies nur äußerliche ((95)) Beziehungen, welche das Kunstwerk als solches weniger angehen.

Der Hauptpunkt, um den es sich eigentlich handelt, besteht im Gegenteil darin, daß der Künstler Sinn und Geist genug habe, um die verschiedenen Motive, welche die bestimmte Situation enthält, hervorzuheben und erfindungsreich zu gestalten.

Jede Handlung, in welcher das Innere in die Objektivität heraustritt, hat unmittelbare Äußerungen, sinnliche Folgen und Beziehungen, welche, insofern sie in der Tat Wirkungen des Inneren sind, die Empfindung verraten und abspiegeln und deshalb sowohl zu Motiven der Verständlichung als auch der Individualisierung aufs glücklichste verwendet werden können.

Es ist z.B. ein bekannter, vielbesprochener Vorwurf, den man der Raffaelischen “Transfiguration” gemacht hat, daß sie in zwei ganz zusammenhanglose Handlungen auseinanderfalle, was in der Tat, äußerlich betrachtet, der Fall ist: oben auf dem Hügel sehen wir die Verklärung, unten die Szene mit dem Besessenen.

Geistig aber fehlt es an dem höchsten Zusammenhange nicht.

Denn einerseits ist Christi sinnliche Verklärung eben die wirkliche Erhöhung desselben über den Boden und die Entfernung von den Jüngern, welche deshalb auch als Trennung und Entfernung selbst sichtbar werden muss; andererseits ist die Hoheit Christi am meisten hier in einem wirklichen einzelnen Falle dadurch verklärt, daß die Jünger den Besessenen ohne Hilfe des Herrn nicht zu heilen vermögen.

Hier ist also diese gedoppelte Handlung durchaus motiviert und der Zusammenhang äußerlich und innerlich dadurch hergestellt, daß ein Jünger auf Christus, den Entfernten, ausdrücklich hinzeigt und damit die wahre Bestimmung des Sohnes Gottes andeutet, zugleich auf Erden zu sein, auf daß das Wort wahr werde:

“Wenn zwei versammelt sind in meinem Namen, bin ich mitten unter ihnen.”

In einer Zeichnung nun blickt Achill auf den Helm des gewaffneten Helden, sein ((96)) Herz erglüht bei diesem Anblick, und infolge dieser inneren Bewegung zerreißt die Perlenschnur, die er am Halse trägt; ein Knabe sucht sie zusammen und nimmt sie vom Boden auf.

Dies sind Motive glücklicher Art.

Ferner hat der Künstler mehr oder weniger große Räume auszufüllen, bedarf der Landschaft als Hintergrund, Beleuchtung, architektonischer Umgebungen, Nebenfiguren, Gerätschaften usf.

Diesen ganzen sinnlichen Vorrat nun muss er, soviel es tunlich ist, zur Darstellung von Motiven, welche in der Situation liegen, verwenden und so das Äußerliche selbst in einen solchen Bezug auf dieselben zu bringen wissen, daß es nicht mehr für sich unbedeutend bleibt.

Zwei Fürsten z.B. oder Erzväter reichen sich die Hände; soll dies ein Friedenszeichen, die Besiegelung eines Bundes sein, so werden Krieger, Waffen und dergleichen, Vorbereitungen zum Opfer für den Eidschwur die passende Umgebung ausmachen; begegnen sich dagegen dieselben Personen, treffen sie auf einer Wanderschaft zusammen und reichen sich zum Gruß und Wiedersehen die Hände, so werden ganz andere Motive nötig sein.

Dergleichen in einer Weise zu erfinden, daß eine Bedeutsamkeit für den Vorgang und eine Individualisierung der ganzen Darstellung herauskommt, das vornehmlich ist es, worauf sich der geistige Sinn des Malers in dieser Rücksicht zu richten hat.

Dabei sind denn viele Künstler auch bis zu symbolischen Beziehungen der Umgebung und Handlung fortgegangen.

Bei der Anbetung der Heiligen Drei Könige z.B. sieht man Christus häufig unter einem baufälligen Dache in der Krippe liegen, umher altes verfallendes Gemäuer eines antiken Gebäudes, im Hintergrunde einen angefangenen Dom.

Dies zerbröckelnde Gestein und der aufsteigende Dom haben einen Bezug auf den Untergang des Heidentums durch die christliche Kirche.

Ebenso stehen beim Gruß des Engels neben Maria, auf Bildern der van Eyekschen Schule besonders, häufig blühende Lilien ohne Antheren und deuten dadurch die Jungfräulichkeit der Muttergottes an. ((97))

(zum Dreieck)

gg) Indem nun drittens die Malerei durch das Prinzip der inneren und äußeren Mannigfaltigkeit, in welcher sie die Bestimmtheit von Situationen, Vorfällen, Konflikten und Handlungen auszuführen hat, zu vielfachen Unterschieden und Gegensätzen ihrer Gegenstände, seien es Naturobjekte oder menschliche Figuren, fortgehen muss und zugleich die Aufgabe erhält, dieses verschiedenartige Auseinander zu gliedern und zu einer in sich übereinstimmenden Totalität zusammenzuschließen, so wird dadurch als eines der wichtigsten Erfordernisse eine kunstgemäße Stellung und Gruppierung der Gestalten notwendig.

Bei der großen Menge einzelner Bestimmungen und Regeln, die hier anzuwenden sind, kann jedoch das Allgemeinste, das sich darüber sagen läßt, nur ganz formeller Art bleiben, und ich will nur kurz einige Hauptpunkte angeben.

Die nächste Weise der Anordnung bleibt noch ganz architektonisch, ein gleichartiges Nebeneinanderstellen von Figuren oder regelmäßiges Entgegensetzen und symmetrisches Zusammenfügen sowohl der Gestalten selbst als auch ihrer Haltung und Bewegungen.

Hierbei ist dann besonders die pyramidale Gestalt der Gruppe sehr beliebt.

Bei einer Kreuzigung z.B. macht sich die Pyramide wie von selbst, indem Christus oben am Kreuz hängt und nun zu den Seiten die Jünger, Maria oder Heilige stehen.

Auch bei Madonnenbildern, in denen Maria mit dem Kinde auf einem erhöhten Throne sitzt und Apostel, Märtyrer usf. als Verehrende unter sich zu ihren Seiten hat, findet der gleiche Fall statt.

Selbst in der Sixtinischen Madonna ist diese Art der Gruppierung noch als durchgreifend festgehalten.

Überhaupt ist sie für das Auge beruhigend, weil die Pyramide durch ihre Spitze das sonst zerstreute Nebeneinander zusammenfaßt und der Gruppe eine äußere Einheit gibt.

Innerhalb solcher im allgemeinen noch abstrakteren symmetrischen Anordnung kann sodann im besonderen und einzelnen große Lebendigkeit und Individualität der Stellung, des Ausdrucks und der Bewegung stattfinden.

Der ((98)) Maler, indem er die Mittel, die in seiner Kunst liegen, sämtlich benutzt, hat mehrere Plane, wodurch er die Hauptfiguren gegen die übrigen näher herauszuheben imstande ist, und außerdem noch stehen ihm zu demselben Behufe Beleuchtung und Färbung zu Gebote.

Es versteht sich hieraus von selbst, wie er in dieser Rücksicht seine Gruppe stellen wird; die Hauptfiguren nicht wohl auf die Seite und Nebendinge nicht an Stellen, welche die höchste Aufmerksamkeit auf sich ziehen; ebenso wird er das hellste Licht auf die Gegenstände werfen, die den Hauptinhalt ausmachen, und sie nicht in Schatten, Nebenfiguren aber mit den bedeutendsten Farben ins klarste Licht bringen.

Bei einer nicht so symmetrischen und dadurch lebendigeren Gruppierung muss sich der Künstler besonders davor hüten, die Figuren nicht aufeinanderzudrängen und sie, wie man zuweilen auf Gemälden sieht, zu verwirren, so daß man sich die Glieder erst zusammensuchen muss und Mühe hat, zu unterscheiden, welche Beine zu diesem Kopfe gehören oder wie die verschiedenen Arme, Hände, Enden von Kleidern, Waffen usf. zu verteilen sind.

Im Gegenteil wird es bei größeren Kompositionen das beste sein, das Ganze zwar in klar übersehbaren Partien auseinanderzuhalten, diese aber nicht durchaus voneinander zu isolieren und zu zerstreuen; besonders bei Szenen und Situationen, die ihrer Natur nach schon für sich selbst ein zerstreutes Durcheinander sind, wie z.B. das Mannasammeln in der Wüste, Jahrmärkte und dergleichen mehr.

Auf diese formellen Andeutungen will ich mich hier für diesmal beschränken,

(zum Dreieck)

  1. Nachdem wir nun erstens von den allgemeinen Arten malerischer Auffassung, zweitens von der Komposition in betreff auf die Auswahl von Situationen, Auffinden von Motiven und Gruppierung gehandelt haben, muss ich drittens noch einiges über die Charakterisierungsweise hinzufügen, durch welche sich die Malerei von der Skulptur und deren idealer Plastik unterscheidet. ((99))

(zum Dreieck)

aa) Es ist schon bei früheren Gelegenheiten gesagt worden, daß in der Malerei die innere und äußere Besonderheit der Subjektivität freizulassen ist, welche deswegen nicht die in das Ideale selbst aufgenommene Schönheit der Individualität zu sein braucht, sondern bis zu derjenigen Partikularität fortgehen kann, durch welche das erst hervorkommt, was wir in neuerem Sinne charakteristisch nennen.

Man hat das Charakteristische in dieser Rücksicht zum unterscheidenden Kennzeichen des Modernen im Gegensatze der Antike überhaupt gemacht, und in der Bedeutung, in welcher wir das Wort hier nehmen wollen, hat es damit allerdings seine Richtigkeit.

Nach modernem Maßstabe gemessen, sind Zeus, Apollo, Diana usf. eigentlich keine Charaktere, obschon wir sie als diese ewigen hohen, plastischen, idealen Individualitäten bewundern müssen.

Näher tritt schon an dem Homerischen Achill, an dem Agamemnon, der Klytämnestra des Aischylos, an dem Odysseus, der Antigone, Ismene usf., wie Sophokles sie in Wort und Tat ihr Inneres sich explizieren läßt, eine bestimmtere Besonderheit hervor, auf der diese Gestalten als auf etwas zu ihrem Wesen Gehörigen bestehen und sich darin erhalten, so daß wir in der Antike, wenn man dies Charaktere nennen will, freilich auch Charaktere dargestellt finden.

Aber in Agamemnon, Ajax, Odysseus usf. bleibt die Besonderheit doch immer noch allgemeiner Art, der Charakter eines Fürsten, des tollen Mutes, der List in abstrakterer Bestimmtheit; das Individuelle schließt sich zu enger Verschlingung mit dem Allgemeinen zusammen und hebt den Charakter in die ideale Individualität hinein.

Die Malerei dagegen, welche die Besonderheit nicht in jener Idealität zurückhält, entwickelt gerade die ganze Mannigfaltigkeit der auch zufälligen Partikularität, so daß wir statt jener plastischen Ideale der Götter und Menschen jetzt besondere Personen nach der Zufälligkeit des Besonderen vor uns sehen und deshalb die körperliche Vollkommenheit der Gestalt und die durchgängige Angemessenheit des Geistigen zu seinem gesunden freien Dasein - mit einem Worte: ((100)) das, was wir in der Skulptur die ideale Schönheit nannten - in der Malerei weder in dem gleichen Maße fordern noch überhaupt zur Hauptsache machen dürfen, da jetzt die Innigkeit der Seele und deren lebendige Subjektivität den Mittelpunkt bildet.

In diese ideellere Region dringt jenes Naturreich so tief nicht ein; die Frömmigkeit des Herzens, die Religion des Gemütes kann, wie die moralische Gesinnung und Tätigkeit in dem Silenengesichte des Sokrates, auch in einem der bloß äußeren Gestalt nach, für sich betrachtet häßlichen Körper wohnen.

Für den Ausdruck der geistigen Schönheit wird allerdings der Künstler das an und für sich Häßliche der äußeren Formen vermeiden oder es durch die Macht der hindurchbrechenden Seele zu bändigen und zu verklären wissen, aber er kann dennoch die Häßlichkeit nicht durchweg entbehren.

Denn der oben weitläufiger geschilderte Inhalt der Malerei schließt eine Seite in sich, für welche gerade die Abnormität und das Mißgestaltete menschlicher Figuren und Physiognomien das eigentlich Entsprechende sind.

Es ist dies der Kreis des Schlechten und Bösen, das im Religiösen hauptsächlich bei den Kriegsknechten, die bei Christi Leidensgeschichte tätig sind, bei den Sündern in der Hölle und den Teufeln zum Vorschein kommt.

Besonders Michelangelo verstand es, Teufel zu malen, die durch phantastische Gestaltung zwar das Maß menschlicher Formen überschreiten, dennoch zugleich noch menschlich bleiben.

Wie sehr nun aber auch die Individuen, welche die Malerei aufstellt, in sich eine volle Totalität besonderer Charaktere sein müssen, so soll damit doch nicht gesagt sein, daß in ihnen nicht ein Analogon von dem hervortreten könne, was im Plastischen das Ideale ausmacht.

Im Religiösen ist zwar der Grundzug der reinen Liebe die Hauptsache, besonders bei Maria, deren ganzes Wesen in dieser Liebe liegt, ebenso bei den Frauen, die Christus begleiten, und unter den Jüngern bei Johannes, dem Jünger der Liebe; mit diesem Ausdruck aber kann sich auch die sinnliche Schönheit der Formen, ((101)) wie dies z.B. bei Raffael der Fall ist, verschwistern, nur darf sie sich nicht als bloße Schönheit der Formen geltend machen wollen, sondern muss durch die innigste Seele des Ausdrucks geistig belebt, verklärt sein und diese geistige Innigkeit sich als der eigentliche Zweck und Inhalt erweisen lassen.

Auch in den Kindergestalten Christi und Johannes des Täufers hat die Schönheit ihren Spielraum.

Bei den übrigen Figuren, Aposteln, Heiligen, Jüngern, Weisen des Altertums usf., ist jener Ausdruck einer gesteigerten Innigkeit gleichsam mehr nur die Sache bestimmter momentanerer Situationen, außerhalb welcher sie als selbständigere, in der Welt vorhandene Charaktere erscheinen, ausgerüstet mit Kraft und Ausdauer des Mutes, Glaubens und Handelns, so daß hier ernste, würdige Männlichkeit bei aller Verschiedenheit der Charaktere den Grundzug ausmacht.

Es sind nicht Götterideale, sondern ganz individuelle menschliche Ideale, nicht Menschen nur, wie sie sein sollten, sondern menschliche Ideale, wie sie wirklich sind und da sind, Menschen, denen es weder an der Besonderheit des Charakters noch an einem Zusammenhange dieser Partikularität mit dem Allgemeinen fehlt, das die Individuen erfüllt.

Von dieser Art haben Michelangelo, Raffael und Leonardo da Vinci in seinem berühmten “Abendmahl” Gestalten geliefert, denen eine ganz andere Würde, Großartigkeit und Adel inwohnt als den Figuren anderer Maler.

Dies ist der Punkt, auf welchem die Malerei, ohne den Charakter ihres Gebietes aufzugeben, mit den Alten auf demselben Boden zusammentrifft.

(zum Dreieck)

bb) Indem nun die Malerei unter den bildenden Künsten am meisten der besonderen Gestalt und dem partikularen Charakter das Recht erteilt, für sich herauszutreten, so liegt ihr vornehmlich der Übergang in das eigentlich Porträtmäßige nahe.

Man hätte deshalb sehr unrecht, die Porträtmalerei als dem hohen Zwecke der Kunst nicht angemessen zu verdammen.

Wer würde die große Zahl vortrefflicher Porträts der großen Meister missen wollen?

Wer ist nicht schon, ((102)) unabhängig von dem Kunstwert solcher Werke, begierig, außer der Vorstellung berühmter Individuen, ihres Geistes, ihrer Taten, dies Bild der Vorstellung bis zur Bestimmtheit der Anschauung vervollständigt vor sich zu haben?

Denn auch der größte, hochgestellteste Mensch war oder ist ein wirkliches Individuum, und diese Individualität, die Geistigkeit in ihrer wirklichsten Besonderung und Lebendigkeit wollen wir uns zur Anschauung bringen.

Doch abgesehen von solchen Zwecken, die außerhalb der Kunst fallen, läßt sich in gewissem Sinne behaupten, daß die Fortschritte der Malerei, von ihren unvollkommenen Versuchen an, eben darin bestanden haben, sich zum Porträt hinzuarbeiten.

Der fromme, andächtige Sinn war es zuerst, der die innere Lebendigkeit hervorbrachte, die höhere Kunst belebte diesen Sinn mit der Wahrheit des Ausdrucks und des besonderen Daseins, und mit dem vertiefteren Eingehen auf die äußere Erscheinung vertiefte sich auch die innere Lebendigkeit, um deren Ausdruck es zu tun war.

Damit jedoch das Porträt nun auch ein echtes Kunstwerk sei, muss, wie schon erinnert, in demselben die Einheit der geistigen Individualität ausgeprägt und der geistige Charakter das Überwiegende und Hervortretende sein.

Hierzu tragen alle Teile des Gesichts vornehmlich bei, und der feine physiognomische Sinn des Malers bringt nun eben die Eigentümlichkeit des Individuums dadurch zur Anschauung, daß er gerade die Züge und Partien auffaßt und heraushebt, in welchen diese geistige Eigentümlichkeit sich in der klarsten und prägnantesten Lebendigkeit ausspricht.

In dieser Rücksicht kann ein Porträt sehr naturtreu, von großem Fleiße der Ausführung und dennoch geistlos, eine Skizze dagegen, mit wenigen Zügen von einer Meisterhand hingeworfen, unendlich lebendiger und von schlagender Wahrheit sein.

Solch eine Skizze muss dann aber in den eigentlich bedeutenden, bezeichnenden Zügen das einfache, aber ganze Grundbild des Charakters darstellen, das jene geistlosere Ausführung und treue Natürlichkeit übertüncht und unscheinbar ((103)) macht.

Das ratsamste wird sein, in betreff hierauf wieder die glückliche Mitte zwischen solchem Skizzieren und naturtreuem Nachahmen zu halten.

Von dieser Art sind z.B. die meisterhaften Porträts Tizians.

Sie treten uns so individuell entgegen und geben uns einen Begriff geistiger Lebendigkeit, wie es uns eine gegenwärtige Physiognomie nicht gibt.

Es verhält sich damit wie mit der Beschreibung von großen Taten und Ereignissen, die ein wahrhaft künstlerischer Geschichtsschreiber liefert, welcher uns ein viel höheres, wahreres Bild derselben entwirft, als dasjenige sein würde, das wir aus eigener Anschauung gewinnen könnten.

Die Wirklichkeit ist mit dem Erscheinenden als solchem, mit Nebendingen und Zufälligkeiten überladen, so daß wir oft den Wald vor Bäumen nicht sehen und oft das Größte an uns wie ein gewöhnlicher täglicher Vorfall vorübergeht.

Der ihnen innewohnende Sinn und Geist ist es, der Ereignisse erst zu großen Taten macht, und diesen gibt uns eine echt geschichtliche Darstellung, welche das bloß Äußerliche nicht aufnimmt und nur das herauskehrt, worin jener innere Geist sich lebendig expliziert.

In dieser Weise muss auch der Maler den geistigen Sinn und Charakter der Gestalt durch seine Kunst vor uns hinstellen.

Gelingt dies vollkommen, so kann man sagen, solch ein Porträt sei gleichsam getroffener, dem Individuum ähnlicher als das wirkliche Individuum selbst.

Dergleichen Porträts hat auch Albrecht Dürer gemacht: mit wenigen Mitteln heben sich die Züge so einfach, bestimmt und großartig hervor, daß wir ganz ein geistiges Leben vor uns zu haben meinen; je länger man solch ein Bild anschaut, desto tiefer sieht man sich hinein, sieht man es heraus.

Es bleibt wie eine scharfe geistvolle Zeichnung, die das Charakteristische vollendet enthält und das übrige in Farben und Formen nur für die weitere Verständlichkeit, Anschaulichkeit und Abrundung ausführt, ohne wie die Natur in das Detail der bloß bedürftigen Lebendigkeit einzugehen.

So malt z.B. auch in der Landschaft die Natur die vollständigste Zeichnung und Färbung jedes Blattes, Gezweigs, Grases usf. aus, ((104)) die Landschaftsmalerei aber darf ihr in dieser Ausführlichkeit nicht nachfolgen wollen, sondern nur der Stimmung gemäß, welche das Ganze ausdrückt, die Details hervorstellen, doch die Einzelheiten, wenn sie auch im wesentlichen charakteristisch und individuell bleiben muss, nicht für sich naturgetreu in allen Fäserchen, Auszackungen usf. porträtieren.

In diesem Sinne kann man vom Porträt sagen, daß es nicht nur schmeicheln könne, sondern schmeicheln müsse, weil es das fortläßt, was dem bloßen Zufalle der Natur angehört, und nur das aufnimmt, was einen Beitrag zur Charakteristik des Individuums selber in seinem eigensten, innersten Wesen liefert.

Heutzutage ist es Mode, allen Gesichtern, um sie freundlich zu machen, einen Zug des Lächelns zu geben, was sehr gefährlich und schwer in der Grenze zu halten ist.

Anmutig mag es sein, aber die bloße höfliche Freundlichkeit des sozialen Umgangs ist nicht ein Hauptzug jedes Charakters und wird unter den Händen vieler Maler nur allzu leicht zu der fadesten Süßlichkeit.

(zum Dreieck)

gg) Wie porträtmäßig jedoch die Malerei bei allen ihren Darstellungen verfahren mag, so muss sie die individuellen Gesichtszüge, Gestalten, Stellungen, Gruppierungen und Arten des Kolorits dennoch immer der bestimmten Situation gemäß machen, in welche sie, um irgendeinen Inhalt auszudrücken, ihre Figuren und Naturgegenstände hineinversetzt.

Denn dieser Inhalt in dieser Situation ist es, der sich darstellen soll.

Von dem unendlich mannigfaltigen Detail, das hier in Betracht gezogen werden könnte, will ich nur einen Hauptpunkt kurz berühren.

Die Situation nämlich ist entweder ihrer Natur nach vorübergehend und die Empfindung, welche ((105)) sich in derselben ausspricht, momentaner Art, so daß ein und dasselbe Subjekt noch viele ähnliche oder auch entgegengesetzte Empfindungen ausdrücken könnte; oder die Situation und Empfindung greift durch die ganze Seele eines Charakters, der deshalb seine volle innerste Natur darin kundgibt.

Dies letztere sind die wahrhaften absoluten Momente für die Charakteristik.

In den Situationen nämlich, in welchen ich oben schon der Madonna erwähnt habe, findet sich nichts, was nicht, wie individuell sie auch als ein in sich totales Individuum gefaßt werden mag, zur Muttergottes, zum ganzen Umfang ihrer Seele und ihres Charakters gehört.

Hier nun muss sie auch so charakterisiert werden, daß sich zeigt, sie sei sonst nichts, als was sie in diesem bestimmten Zustande ausdrücken kann.

So haben die göttlichen Meister die Madonna in solchen ewigen Muttersituationen, Muttermomenten gemalt.

Andere Meister haben in ihren Charakter noch den Ausdruck sonstiger Weltlichkeit und einer anderweitigen Existenz gelegt.

Dieser Ausdruck kann sehr schön und lebendig sein, aber dieselbe Gestalt, die gleichen Züge, der ähnliche Ausdruck wäre nun ebensosehr für andere Interessen und Verhältnisse der ehelichen Liebe usf. passend, und wir werden dadurch geneigt, solche Figur nun auch noch aus anderen Gesichtspunkten als aus dem einer Madonna anzublicken, während man in den höchsten Werken keinem anderen Gedanken als dem, welchen die Situation erwecken soll, Raum zu geben vermag.

Aus diesem Grunde erscheint mir auch die Maria Magdalena von Correggio in Dresden so bewunderungswürdig und wird ewig bewundert werden.

Sie ist die reuige Sünderin, aber man sieht es ihr an, daß es ihr mit der Sünde nicht Ernst ist, daß sie von Hause aus edel war und schlechter Leidenschaften und Handlungen nicht hat fähig sein können.

So bleibt ihr tiefes, aber gehaltenes Insichgehen eine Rückkehr nur zu sich selbst, die keine momentane Situation, sondern ihre ganze Natur ist.

In der gesamten Darstellung, der Gestalt, den Gesichtszügen, dem Anzug, der Haltung, Umgebung usf. hat deshalb der Künstler keine(( 106)) Spur von Reflexion auf einen der Umstände zurückgelassen, die auf Sünde und Schuld zurückdeuten könnten; sie ist dieser Zeiten unbewußt, nur vertieft in ihren jetzigen Zustand, und dieser Glaube, dies Sinnen, Versinken scheint ihr eigentlicher, ganzer Charakter zu sein.

Solche Angemessenheit des Inneren und äußeren, der Bestimmtheit des Charakters und der Situation haben besonders die Italiener aufs schönste erreicht.

In dem schon früher angeführten Brustbilde Kügelgens vom verlorenen Sohne hingegen ist zwar die Zerknirschung seiner Reue und seines Schmerzes lebhaft ausgedrückt, doch die Einheit des ganzen Charakters, den er außerhalb dieser Situation haben würde, und des Zustandes, in welchem er uns dargestellt ist, hat der Künstler nicht erreicht.

Stellt man sich diese Züge beruhigt vor, so geben sie nur die Physiognomie eines Menschen, der uns auf der Dresdner Brücke wie eben andere auch begegnen könnte.

Bei echter Zusammenstimmung des Charakters mit dem Ausdruck einer konkreten Situation wird uns dergleichen niemals einfallen, wie denn auch in der echten Genremalerei, selbst bei den flüchtigsten Momenten, die Lebendigkeit zu groß ist, um der Vorstellung Raum zu geben, daß diese Figuren eine andere Stellung, andere Züge und einen veränderten Ausdruck anzunehmen jemals imstande wären.

Dies sind die Hauptpunkte in betreff auf den Inhalt und die künstlerische Behandlung in dem sinnlichen Elemente der Malerei, der Ebene und Färbung.

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  1. Historische Entwicklung der Malerei

Drittens nun aber können wir nicht, wie wir es bisher getan haben, bei der bloß allgemeinen Angabe und Betrachtung des Inhalts, der für die Malerei sich eignet, und der Gestaltungsweise, welche aus ihrem Prinzip hervorgeht, stehenbleiben, denn insofern diese Kunst durchweg auf der Besonderheit der Charaktere und deren Situation, der Gestalt und ((107)) deren Stellung, Kolorit usw. beruht, so müssen wir die wirkliche Realität ihrer besonderen Werke vor uns haben und von diesen sprechen.

Das Studium der Malerei ist nur vollkommen, wenn man die Gemälde selbst, in welchen sich die angegebenen Gesichtspunkte geltend gemacht haben, kennt und zu genießen und zu beurteilen versteht.

Dies ist zwar bei aller Kunst der Fall, unter den bisher betrachteten Künsten jedoch bei der Malerei am meisten.

Für die Architektur und Skulptur, wo der Kreis des Inhalts beschränkter, die Darstellungsmittel und Formen weniger reichhaltig und verschiedenartig, die besonderen Bestimmungen einfacher und durchgreifender sind, kann man sich eher schon mit Abbildungen, Beschreibungen, Abgüssen helfen.

Die Malerei fordert die Anschauung der einzelnen Kunstwerke selbst; besonders reichen bei ihr bloße Beschreibungen, wie oft man sich auch damit begnügen muss, nicht aus.

Bei der unendlichen Mannigfaltigkeit jedoch, zu welcher sie auseinanderläuft und deren Seiten sich in den besonderen Kunstwerken vereinzeln, erscheinen diese zunächst nur als eine bunte Menge, welche, indem sie sich für die Betrachtung nicht ordnet und gliedert, nun auch die Eigentümlichkeit der einzelnen Gemälde wenig sichtbar macht.

So erscheinen z.B. die meisten Galerien, wenn man nicht für jedes Bild schon eine Bekanntschaft mit dem Lande, der Zeit, der Schule und dem Meister, dem es angehört, mitbringt, als ein sinnloses Durcheinander, aus welchem man sich nicht herauszufinden vermag.

Das zweckmäßigste für das Studium und den sinnvollen Genuß wird deshalb eine historische Aufstellung sein.

Solch eine Sammlung, geschichtlich geordnet, einzig und unschätzbar in ihrer Art, werden wir bald in der Bildergalerie des hier errichteten Königlichen Museums * zu bewundern Gelegenheit haben, in welcher nicht nur die äußerliche Geschichte in der Fortbildung des Technischen, sondern ((108)) der wesentliche Fortgang der inneren Geschichte in ihrem Unterschiede der Schulen, der Gegenstände und deren Auffassung und Behandlungsweise deutlich erkennbar sein wird.

Nur durch solche lebendige Anschauung selbst läßt sich eine Vorstellung von dem Beginne in traditionellen, statuarischen Typen, von dem Lebendigwerden der Kunst, dem Suchen des Ausdrucks und der individuellen Charakteristik, der Befreiung von dem untätigen, ruhigen Dastehen der Gestalten, von dem Fortgang zu dramatisch bewegter Handlung, Gruppierung und dem vollen Zauber des Kolorits sowie von der Verschiedenheit der Schulen geben, welche teils die gleichen Gegenstände eigentümlich behandeln, teils sich durch den Unterschied des Inhalts, den sie ergreifen, voneinander trennen.

Wie für das Studium, so ist nun auch für die wissenschaftliche Betrachtung und Darstellung die geschichtliche Entwicklung der Malerei von großer Wichtigkeit.

Der Inhalt, den ich angab, die Ausbildung des Materials, die unterschiedenen Hauptmomente der Auffassung, alles erhält hier erst in sachgemäßer Folge und Verschiedenheit sein konkretes Dasein.

Auf diese Entwicklung muss ich deshalb noch einen Blick werfen und das Hervorstechendste herausheben.

Im allgemeinen liegt der Fortgang darin, daß mit religiösen Gegenständen in einer selbst noch typischen Auffassung, architektonischen, einfachen Anordnung und unausgebildeten Färbung der Anfang gemacht wird.

Dann kommt Gegenwart, Individualität, lebendige Schönheit der Gestalten, Tiefe der Innigkeit, Reiz und Zauber des Kolorits mehr und mehr in die religiösen Situationen herein, bis die Kunst sich der weltlichen Seite zuwendet, die Natur, das Alltägliche des gewöhnlichen Lebens oder das historisch Wichtige nationaler Begebenheiten der Vergangenheit und Gegenwart, Porträts und dergleichen bis zum Kleinsten und Unbedeutendsten hin mit gleicher Liebe, als dem religiösen idealen Gehalt gewidmet worden war, ergreift und in diesem Kreise vornehmlich nicht nur die äußerste Vollendung des Malens, ((109)) sondern auch die lebendigste Auffassung und individuellste Ausführungsweise hinzugewinnt.

Dieser Fortgang läßt sich am schärfsten in dem allgemeinen Verlauf der byzantinischen, italienischen, niederländischen und deutschen Malerei verfolgen, nach deren kurzer Charakteristik wir endlich den Übergang zur Musik hin machen wollen.

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  1. Die byzantinische Malerei

Was nun näher erstens die byzantinische Malerei anbetrifft, so hatte sich eine gewisse Kunstübung bei den Griechen noch immer erhalten, und dieser besseren Technik kamen außerdem für Stellung, Gewandung usf. die antiken Muster zugute.

Dagegen ging dieser Kunst Natur und Lebendigkeit ganz ab, in den Formen des Gesichts blieb sie traditionell, in den Figuren und Ausdrucksweisen typisch und starr, in der Anordnung mehr oder weniger architektonisch; die Naturumgebung und der landschaftliche Hintergrund fehlten, die Modellierung durch Licht und Schatten, Hell und Dunkel und deren Verschmelzung erreichte wie die Perspektive und Kunst lebendiger Gruppierung entweder gar keine oder nur eine sehr geringfügige Ausbildung.

Bei solchem Festhalten an ein und demselben früh schon fertigen Typus erhielt die selbständige künstlerische Produktion nur wenig Spielraum, die Kunst der Malerei und Musivarbeit sank häufig zum Handwerk herunter und wurde dadurch lebloser und geistloser, wenn diese Handwerker auch, wie die Arbeiter antiker Vasen, vortreffliche Vorbilder vor sich hatten, denen sie in Stellung und Faltenwurf folgen konnten.

Hier aber, wenn auch zunächst in schwachen Anfängen, zeigte sich schon früh der Trieb, nicht bei abgeschlossenen Gestalten und Arten des Ausdrucks stehenzubleiben, sondern, wenn auch zunächst roh, dennoch einer höheren Entwicklung entgegenzugehen, während man es den byzantinischen Gemälden, wie Herr von Rumohr (Italienische ((110)) Forschungen, Bd. I, S. 279) ° von griechischen Madonnen und Christusbildern sagt, “auch in den günstigsten Beispielen ansieht, daß sie sogleich als Mumie entstanden waren und künftiger Ausbildung im voraus entsagt hatten.”

In ähnlicher Weise strebten die Italiener bereits vor den Zeiten ihrer selbständigen Kunstentwicklung in der Malerei den Byzantinern gegenüber nach einer geistigeren Auffassung christlicher Gegenstände.

So führt z.B. der soeben genannte Forscher (Bd. I, S. 280) als einen merkwürdigen Beleg dieses Unterschiedes die Art und Weise an, in welcher Neugriechen und Italiener den Leib Christi an Kruzifixen darstellten.

“Die Griechen nämlich,” sagt er, "denen der Anblick grausamer Leibesstrafen Gewohnheit war, dachten sich den Heiland am Kreuze mit der ganzen Schwere des Leibes herabhängend, den Unterleib geschwellt und die erschlafften Knie links ausgebogen, den gesenkten Kopf mit den Qualen eines grausamen Todes ringend.

Ihr Gegenstand war demnach das körperliche Leiden an sich selbst..

Die Italiener hingegen, in deren älteren Denkmälern, wie nicht zu übersehen ist, die Darstellung sowohl der Jungfrau mit dem Kinde als des Gekreuzigten nur höchst selten vorkommt, pflegten die Gestalt des Heilandes am Kreuze aufzurichten, verfolgten also, wie es scheint, die Idee des Sieges des Geistigen, nicht wie jene des Erliegens des Körperlichen.

Diese unleugbar edlere Auffassungsart.. tritt in mehr begünstigten Kreisen des Abendlandes früh ans Licht."

Mit dieser Andeutung muss ich es hier genug sein lassen.

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  1. Die italienische Malerei

In der freieren Entfaltung nun aber der italienischen Malerei haben wir zweitens einen anderen Charakter der Kunst aufzusuchen.

außer dem religiösen Inhalt des Alten und Neuen Testaments und der Lebensgeschichten von Märtyrern und ° ((111)) Heiligen entnimmt sie ihre Gegenstände größtenteils nur aus der griechischen Mythologie, selten dagegen aus den Ereignissen der Nationalgeschichte oder, Porträts ausgenommen, aus der Gegenwart und Wirklichkeit des Lebens; gleich selten, spät und vereinzelt erst, aus der landschaftlichen Natur.

Was sie aber für die Auffassung und künstlerische Ausarbeitung des religiösen Kreises vornehmlich hinzubringt, ist die lebendige Wirklichkeit des geistigen und leiblichen Daseins, zu welcher jetzt alle Gestalten sich versinnlichen und beseelen.

Für diese Lebendigkeit bildet von seiten des Geistes jene natürliche Heiterkeit, von seiten des Körpers jene entsprechende Schönheit der sinnlichen Form das Grundprinzip, welche für sich, als schöne Form schon, die Unschuld, Froheit, Jungfräulichkeit, natürliche Grazie des Gemüts, Adel, Phantasie und eine liebevolle Seele ankündigt.

Kommt nun zu solch einem Naturell die Erhöhung und Vergoldung des Inneren durch die Innigkeit der Religion, durch den geistigen Zug tieferer Frömmigkeit hinzu, welcher die von Hause aus entschiedenere Sicherheit und Fertigkeit des Daseins in dieser Sphäre des Heils seelenvoll belebt, so haben wir dadurch eine ursprüngliche Harmonie der Gestalt und ihres Ausdrucks vor uns, die, wo sie zur Vollendung gelangt, in diesem Bereich des Romantischen und Christlichen an das reine Ideal der Kunst lebendig erinnert.

Freilich muss auch innerhalb solch eines neuen Einklangs die Innigkeit des Herzens überwiegen; aber dies Innere ist ein glücklicherer, reinerer Himmel der Seele, zu welchem der Weg der Umkehr aus dem Sinnlichen und Endlichen und der Rückkehr zu Gott, wenn er auch durch Versenkung in den tieferen Schmerz der Buße und des Todes hindurchgeht, dennoch müheloser und weniger gewaltsam bleibt, indem sich der Schmerz auf die Region der Seele, der Vorstellung, des Glaubens konzentriert, ohne in das Feld gewaltiger Begierde, widerspenstiger Barbarei, harter Eigensucht und Sünde hinabzusteigen und sich mit diesen Feinden der Seligkeit zu schwer errungenen Siegen herumzuschlagen.

Es ((112)) ist ein ideal bleibender Übergang, ein Schmerz, der sich mehr nur schwärmerisch als verletzend in seinem Leiden verhält, ein abstrakteres, seelenreicheres Leiden, das in dem Inneren vorgeht und ebensowenig die leiblichen Qualen herauskehrt, als sich hier die Züge der Halsstarrigkeit, Roheit, Knorrigkeit oder die Züge trivialer, gemeiner Naturen in dem Charakter der Körperformen und Physiognomien kundgeben, so daß es erst eines hartnäckigen Kampfes bedürfte, ehe sie für den Ausdruck der Religiosität und Frömmigkeit durchgängig würden.

Diese streitlosere Innigkeit der Seele und ursprünglichere Angemessenheit der Formen zu diesem Inneren macht die anmutige Klarheit und den ungetrübten Genuß aus, den uns die wahrhaft schönen Werke der italienischen Malerei gewähren müssen.

Wie man von einer Instrumentalmusik sagt, daß Ton, Gesang darin sei, so schwebt hier der reine Gesang der Seele, ein melodisches Durchziehen, über der ganzen Gestalt und allen ihren Formen; und wie in der Musik der Italiener und in den Tönen ihres Gesanges, wenn die reinen Stimmen ohne Nebengekreisch erklingen, in jeder Besonderheit und Wendung des Klangs und der Melodie es nur das Genießen der Stimme selbst ist, das ertönt, so ist auch solcher Selbstgenuß der liebenden Seele der Grundton ihrer Malerei.

Es ist dieselbe Innigkeit, Klarheit und Freiheit, welche wir in den großen italienischen Dichtern wiederfinden.

Schon das kunstreiche Wiederklingen der Reime in den Terzinen, Kanzonen, Sonetten und Stanzen, dieser Klang, der nicht nur das Bedürfnis der Gleichheit in einmaliger Wiederholung befriedigt, sondern die Gleichheit zum dritten Male bewährt, ist ein freier Wohlklang, der seiner selbst, seines eigenen Genusses wegen hinströmt.

Die gleiche Freiheit zeigt sich im geistigen Gehalt.

In Petrarcas Sonetten, Sestinen, Kanzonen ist es nicht der wirkliche Besitz ihres Gegenstandes, nach welchem die Sehnsucht des Herzens ringt, es ist keine Betrachtung und Empfindung, der es um den wirklichen Inhalt und die Sache selbst zu tun ist und die sich darin aus Bedürfnis ausspricht; sondern das ((113)) Aussprechen selbst macht die Befriedigung; es ist der Selbstgenuß der Liebe, die in ihrer Trauer, ihren Klagen, Schilderungen, Erinnerungen und Einfällen ihre Glückseligkeit sucht; eine Sehnsucht, die sich als Sehnsucht befriedigt und mit dem Bilde, dem Geiste derer, die sie liebt, schon im vollen Besitze der Seele ist, mit der sie sich zu einigen sehnt.

Auch Dante, geführt von seinem Meister Vergil durch Hölle und Fegefeuer, sieht das Schrecklichste, Schauderhafteste, er bangt, zerfließt oft in Tränen, aber schreitet getrost und ruhig weiter, ohne Schrecken und Angst, ohne die Verdrießlichkeit und Verbitterung: es solle nicht so sein.

Ja selbst seine Verdammten in der Hölle haben noch die Seligkeit der Ewigkeit

Wenn man diesen Zug seliger Unabhängigkeit und Freiheit der Seele in der Liebe gefaßt hat, so versteht man den Charakter der italienischen größten Maler.

In dieser Freiheit sind sie Meister über die Besonderheit des Ausdrucks, der Situation, auf diesem Flügel des innigen Friedens haben sie zu gebieten über Gestalt, Schönheit, Farbe; in der bestimmtesten Darstellung der Wirklichkeit und des Charakters, indem sie ganz auf der Erde bleiben und oft nur Porträts geben oder zu geben scheinen, sind es Gebilde einer anderen Sonne, eines anderen Frühlings, die sie schaffen; es sind Rosen, die zugleich im Himmel blühen.

So ist es ihnen in der Schönheit selber nicht zu tun um die Schönheit der Gestalt allein, nicht um die sinnliche, in den sinnlichen Körperformen ausgegossene Einheit der Seele mit ihrem Leibe, sondern um diesen Zug der Liebe und Versöhnung in jeder Gestalt, Form und Individualität des Charakters; es ist der Schmetterling, die Psyche, die, im Sonnenglanze ihres Himmels, ((114)) selbst um verkümmerte Blumen schwebt.

Durch diese reiche, freie, volle Schönheit allein sind sie befähigt worden, die antiken Ideale unter den Neueren hervorzubringen.

Den Standpunkt solch einer Vollendung hat jedoch die italienische Malerei nicht sogleich von Hause aus eingenommen, sondern ist, ehe sie ihn zu erreichen vermochte, erst einen langen Weg entlanggegangen.

Doch die rein unschuldige Frömmigkeit, der grandiose Sinn der ganzen Konzeption und die unbefangene Schönheit der Form, die Innigkeit der Seele sind häufig gerade bei den alten italienischen Meistern, aller Unvollkommenheit der technischen Ausbildung zum Trotz, am hervorstechendsten.

Im vorigen Jahrhundert aber hat man diese älteren Meister wenig geschätzt, sondern als ungeschickt, trocken und dürftig verworfen.

Erst in neuerer Zeit sind sie von Gelehrten und Künstlern wieder der Vergessenheit entzogen worden, nun aber auch mit einer übertriebenen Vorliebe bewundert und nachgebildet, welche die Fortschritte einer weiteren Ausbildung der Auffassungsweise und Darstellung ableugnen wollte und auf die entgegengesetzten Abwege führen musste.

Was nun die näheren historischen Hauptmomente in der Entwicklung der italienischen Malerei bis zur Stufe ihrer Vollendung anbetrifft, so will ich kurz nur folgende Punkte herausheben, auf welche es bei der Charakterisierung der wesentlichsten Seiten der Malerei und ihrer Ausdrucksweise ankommt.

(zum Dreieck)

  1. Nach früherer Roheit und Barbarei gingen die Italiener von dem durch die Byzantiner im ganzen handwerksmäßiger fortgepflanzten Typus wieder mit einem neuen Aufschwunge aus.

Der Kreis der dargestellten Gegenstände war aber nicht groß, und die Hauptsache blieb die strenge Würde, die Feierlichkeit und religiöse Hoheit.

Doch bereits Duccio, der Sieneser, und Cimabue, der Florentiner, wie es Herr von Rumohr als ein gewichtiger Kenner dieser früheren Epochen bezeugt (Italienische Forschungen, Bd. 11, S. 4), suchten die dürftigen Überreste der antiken perspektivisch und anatomisch ((115)) begründeten Zeichnungsart, welche sich durch mechanische Nachbildung christlich antiker Kunstwerke besonders in der neugriechischen Malerei erhalten hatten, in sich aufzunehmen und im eigenen Geiste möglichst zu verjüngen.

Sie “empfanden den Wert dieser Bezeichnungen.. ; doch strebten sie, das Grelle ihrer Verknöcherung zu mildern, indem sie solche halbverstandenen Züge mit dem Leben verglichen, wie wir angesichts ihrer Leistungen vermuten und annehmen dürfen.”

Dies sind inzwischen nur die ersten Emporstrebungen der Kunst aus dem Typischen, Starren zum Lebendigen und individuell Ausdrucksvollen hin.

(zum Dreieck)

  1. Der weitere zweite Schritt nun aber besteht in der Losreißung von jenen griechischen Vorbildern, in dem Hereintreten ins Menschliche und Individuelle, der ganzen Konzeption und Ausführung nach, sowie in der fortgebildet tieferen Angemessenheit menschlicher Charaktere und Formen zu dem religiösen Gehalt, den sie ausdrücken sollen.

aa) Hier ist zuerst der großen Einwirkung zu erwähnen, welche Giotto und die Schüler desselben hervorbrachten.

Giotto änderte ebensowohl die bisherige Zubereitungsart der Farben, als er auch die Auffassungsweise und Richtung der Darstellung umwandelte.

Die Neugriechen haben sich wahrscheinlich, wie aus chemischen Untersuchungen hervorgeht, sei es als Bindemittel der Farben, sei es als Überzug, des Wachses bedient, wodurch “der gelblich-grünliche, verdunkelnde Ton” entstand, der nicht durchhin aus den Wirkungen des Lampenlichts zu erklären ist. (Italienische Forschungen, Bd. I, S. 312.)

Dies zähere Bindungsmittel nun der griechischen Maler hat Giotto ganz aufgegeben und ist dagegen zu dem Anreiben der Farben mit geklärter Milch junger Sprossen, unreifer Feigen und mit anderen minderöligen Leimen übergegangen, welche die italienischen Maler des früheren Mittelalters, vielleicht schon ehe sie sich wieder der strengeren Nachbildung der Byzantiner zuwendeten, in Gebrauch gehabt hatten. (Italienische Forschungen, Bd. 11, S. 43; Bd. I, S. 312.)

Diese Bindungsmittel übten auf die Farben ((116)) keinen verdunkelnden Einfluß aus, sondern ließen sie hell und klar.

Wichtiger jedoch war die Umwandlung, welche durch Giotto in Rücksicht auf die Wahl der Gegenstände und deren Darstellungsweise in die italienische Malerei hereinkam.

Schon Ghiberti rühmt von Giotto, daß er die rohe Manier der Griechen verlassen und, ohne über das Maß hinauszugehen, die Natürlichkeit und Anmut eingeführt habe (Italienische Forschungen, Bd. 11, S. 42); und auch Boccaccio (Decamerone, 6. Tag, 5. Geschichte) sagt von ihm, daß die Natur nichts hervorbringe, was Giotto nicht bis zur Täuschung nachzubilden verstehe.

In den byzantinischen Gemälden läßt sich von Naturanschauung kaum eine Spur entdecken; Giotto nun war es, der sich auf das Gegenwärtige und Wirkliche hin ausrichtete und die Gestalten und Affekte, die er darzustellen unternahm, mit dem Leben selbst, wie es sich um ihn her bewegte, verglich.

Mit dieser Richtung tritt der Umstand zusammen, daß zu Giottos Zeit nicht nur überhaupt die Sitten freier, das Leben lustiger wurde, sondern daß auch die Verehrung vieler neuer Heiliger aufkam, welche der Zeit des Malers selbst näher lagen.

Diese besonders wählte sich Giotto bei seiner Richtung auf die wirkliche Gegenwart zu Gegenständen seiner Kunst aus, so daß nun auch wieder im Inhalte selbst die Forderung lag, auf die Natürlichkeit der leiblichen Erscheinung, auf Darstellung bestimmterer Charaktere, Handlungen, Leidenschaften, Situationen, Stellungen und Bewegungen hinzuarbeiten.

Was nun aber bei diesem Bestreben relativ verlorenging, ist jener großartige heilige Ernst, welcher der vorangehenden Kunststufe zugrunde gelegen hatte.

Das Weltliche gewinnt Platz und Ausbreitung, wie denn auch Giotto im Sinne seiner Zeit dem Burlesken neben dem Pathetischen eine Stelle einräumte, so daß Herr von Rumohr mit Recht sagt (Italienische Forschungen, Bd. 11, S. 73):

“Unter diesen Umständen weiß ich nicht, was einige wollen, welche sich mit aller Kraft darangesetzt haben, die Richtung und Leistung des Giotto als das Erhabenste der neueren ((117)) Kunst auszupreisen.”

Für die Würdigung des Giotto den richtigen Standpunkt wieder angegeben zu haben, ist ein großes Verdienst jenes gründlichen Forschers, der zugleich darauf aufmerksam macht, daß Giotto selbst in seiner Richtung auf die Vermenschlichung und Natürlichkeit doch immer noch auf einer im ganzen niedrigen Stufe stehenblieb.

bb) In dieser durch Giotto angeregten Sinnesweise nun bildete die Malerei sich fort.

Die typische Darstellung Christi, der Apostel und der bedeutenderen Ereignisse, von denen die Evangelien Bericht erstatten, ward mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt; doch erweiterte sich dafür der Kreis der Gegenstände nach einer anderen Seite, indem (Italienische Forschungen, Bd. 11, S. 213) “alle Hände geschäftig waren, die Übergänge im Leben moderner Heiligen zu malen: frühere Weltlichkeit, plötzliches Erwachen des Bewußtseins des Heiligen, Eintritt ins Leben der Frommen und Abgeschiedenen, Wunder im Leben wie besonders nach dem Tode, in deren Darstellung, wie es in den äußeren Bedingungen der Kunst liegt, der Ausdruck des Affektes der Lebenden die Andeutung der unsichtbaren Wunderkraft überwog.”

Daneben wurden dann auch die Begebnisse der Lebens- und Leidensgeschichte Christi nicht vernachlässigt.

Besonders die Geburt und Erziehung Christi, die Madonna mit dem Kinde erhoben sich zu Lieblingsgegenständen und wurden mehr in die lebendigere Familientraulichkeit, ins Zärtliche und Innige, ins Menschliche und Empfindungsreiche hineingeführt, während auch “in den Aufgaben aus der Leidensgeschichte nicht mehr das Erhabene und Siegreiche, vielmehr nur das Rührende hervorgehoben (ward) - die unmittelbare Folge jenes schwärmerischen Schwelgens im Mitgefühle der irdischen Schmerzen des Erlösers, dem der heilige Franziskus durch Beispiel und Lehre eine neue, bis dahin unerhörte Energie verliehen hatte.”

In Rücksicht auf einen weiteren Fortgang gegen die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts hin sind besonders zwei Namen zu nennen, Masaccio und Fiesole.

Worauf es nämlich ((118)) wesentlich bei der fortschreitenden Hineinlebung des religiösen Gehalts in die lebendigen Formen der menschlichen Gestalt und des seelenvollen Ausdrucks menschlicher Züge ankam, war auf der einen Seite, wie Rumohr dies angibt (Italienische Forschungen, Bd. 11, S. 243), die Mehrung der Rundung aller Formen; auf der anderen Seite ein “tieferes Eingehen in die Austeilung, in den Zusammenhang, in die vielfältigsten Abstufungen des Reizes und der Bedeutung menschlicher Gesichtsformen.”

In die nächste Lösung dieser Kunstaufgabe, deren Schwierigkeit für jene Zeit die Kräfte eines Künstlers übersteigen mochte, teilten sich Masaccio und Angelico da Fiesole.

“Masaccio übernahm die Erforschung des Helldunkels, der Rundung und Auseinandersetzung zusammengeordneter Gestalten; Angelico da Fiesole hingegen die Ergründung des inneren Zusammenhanges, der einwohnenden Bedeutung menschlicher Gesichtszüge, deren Fundgruben er zuerst der Malerei eröffnet”; Masaccio nicht etwa in dem Streben nach Anmut, sondern mit großartiger Auffassung, Männlichkeit und im Bedürfnis nach durchgreifenderer Einheit; Fiesole mit der Inbrunst religiöser, vom Weltlichen entfernter Liebe, klösterlicher Reinheit der Gesinnung, Erhebung und Heiligung der Seele; wie denn Vasari von ihm erzählt, er habe niemals gemalt, ohne vorher mit Innigkeit zu beten, und nie die Leiden des Erlösers dargestellt, ohne dabei in Tränen auszubrechen. (Italienische Forschungen, Bd. 11, S. 252)

So war es also auf der einen Seite die erhöhtere Lebendigkeit und Natürlichkeit, um welche es in diesem Fortschritte der Malerei zu tun war, auf der anderen aber blieb die Tiefe des frommen Gemüts, die unbefangene Innigkeit der Seele im Glauben nicht aus, sondern überwog noch die Freiheit, Geschicklichkeit, Naturwahrheit und Schönheit der Komposition, Stellung, Gewandung und Färbung.

Wenn die spätere Entwicklung noch einen bei weitem erhöhteren, volleren Ausdruck der geistigen Innerlichkeit zu erreichen verstand, so ist die jetzige Epoche doch in Reinheit und Unschuld der religiösen Gesinnung ((119)) und ernsten Tiefe der Konzeption nicht überboten worden.

Manche Gemälde dieser Zeit können zwar für uns durch ihre Farbe, Gruppierung und Zeichnung etwas Abstoßendes haben, indem die Formen der Lebendigkeit, die zur Darstellung für die Religiosität des Inneren gebraucht werden, für diesen Ausdruck noch nicht vollkommen durchgängig erscheinen; von seiten des geistigen Sinnes jedoch, aus welchem die Kunstwerke hervorgingen, darf man die naive Reinheit, die Vertrautheit mit den innersten Tiefen des wahrhaft religiösen Gehalts, die Sicherheit gläubiger Liebe, auch in Bedrängnis und Schmerz, und oft auch die Grazie der Unschuld und Seligkeit um so weniger verkennen, als die folgenden Epochen, wenn sie auch nach anderen Seiten künstlerischer Vollendung vorwärtsschritten, dennoch diese ursprünglichen Vorzüge, nachdem sie verlorengegangen waren, nicht wieder erreichten.

gg) Ein dritter Punkt, der im weiteren Fortgang zu den eben erwähnten hinzukommt, betrifft die größere Ausbreitung in Rücksicht der Gegenstände, welche mit erneutem Sinn in die Darstellung aufgenommen wurden.

Wie das Heilige sich in der italienischen Malerei von Hause aus der Wirklichkeit schon dadurch genähert hatte, daß Menschen, welche der Lebensepoche der Maler selbst näherstanden, für heilig erklärt wurden, so zieht jetzt die Kunst auch die anderweitige Wirklichkeit und Gegenwart in ihr Bereich hinein.

Von jener Stufe reiner Innigkeit und Frömmigkeit, welche nur den Ausdruck dieser religiösen Beseelung selber bezweckte, geht nämlich die Malerei mehr und mehr dazu fort, das äußerliche Weltleben mit den religiösen Gegenständen zu vergesellschaften.

Das frohe, kraftvolle Aufsichberuhen der Bürger mit ihrer Betriebsamkeit, ihrem Handel und Gewerbe, ihrer Freiheit, ihrem männlichen Mut und Patriotismus, das Wohlsein in der lebensheiteren Gegenwart, dieses wiedererwachende Wohlgefallen des Menschen an seiner Tugend und witzigen Fröhlichkeit, diese Versöhnung mit dem Wirklichen von seiten des inneren Geistes und der ((120)) Außengestalt war es, welche auch in die künstlerische Auffassung und Darstellung hereintrat und in ihr sich geltend machte.

In diesem Sinne sehen wir die Liebe für landschaftliche Hintergründe, Aussichten auf Städte, Umgebung von Kirchen, Palästen lebendig werden; die wirklichen Porträts berühmter Gelehrter, Freunde, Staatsmänner, Künstler und sonstiger Personen, welche durch Witz, Heiterkeit sich die Gunst ihrer Zeit erworben hatten, gewinnen in religiösen Situationen Platz; Züge aus dem häuslichen und bürgerlichen Leben werden mit größerer oder geringerer Freiheit und Geschicklichkeit benutzt; und wenn auch das Geistige des religiösen Gehalts die Grundlage blieb, so wurde doch der Ausdruck der Frömmigkeit nicht mehr für sich isoliert, sondern ward an das vollere Leben der Wirklichkeit und weltlichen Lebensgebiete angeknüpft. (Vgl. Italienische Forschungen, Bd. II, S. 282.)

Allerdings wird durch diese Richtung der Ausdruck religiöser Konzentration und ihrer innigen Frömmigkeit abgeschwächt, aber die Kunst bedurfte, um zu ihrem Gipfel zu gelangen, auch dieses weltlichen Elementes.

(zum Dreieck)

  1. Aus dieser Verschmelzung nun der lebendigen volleren Wirklichkeit mit der inneren Religiosität des Gemüts entsprang eine neue geistvolle Aufgabe, deren Lösung erst den großen Künstlern des sechzehnten Jahrhunderts vollkommen gelang.

Denn es galt jetzt, die seelenvolle Innigkeit, den Ernst und die Hoheit der Religiosität mit jenem Sinn für die Lebendigkeit leiblicher und geistiger Gegenwart der Charaktere und Formen in Einklang zu setzen, damit die körperliche Gestalt in ihrer Stellung, Bewegung und Färbung nicht bloß ein äußerliches Gerüst bleibe, sondern in sich selbst seelenvoll und lebendig werde und bei durchgängigem Ausdruck aller Teile zugleich im Inneren und äußeren als gleichmäßig schön erscheine.

Zu den vorzüglichsten Meistern, welche diesem Ziele entgegenschreiten, ist besonders Leonardo da Vinci zu nennen.

Er nämlich war es, der nicht nur mit fast grübelnder Gründlichkeit ((121)) und Feinheit des Verstandes und der Empfindung tiefer als ein anderer vor ihm auf die Formen des menschlichen Körpers und die Seele ihres Ausdrucks einging, sondern sich auch bei gleich tiefer Begründung der malerischen Technik eine große Sicherheit in Anwendung der Mittel erwarb, welche sein Studium ihm an die Hand gegeben hatte.

Dabei wußte er sich zugleich einen ehrfurchtsvollen Ernst für die Konzeption seiner religiösen Aufgaben zu bewahren, so daß seine Gestalten, wie sehr sie auch demSchein eines volleren und abgerundeten wirklichen Daseins zustreben und den Ausdruck süßer, lächelnder Freudigkeit in ihren Mienen und zierlichen Bewegungen zeigen, dennoch der Hoheit nicht entbehren, welche die Ehrfurcht vor der Würde und Wahrheit der Religion gebietet. (Vgl. Italienische Forschungen, Bd. II, S. 308.)

Die reinste Vollendung aber in dieser Sphäre hat erst Raffael erreicht.

Herr von Rumohr teilt besonders den umbrischen Malerschulen seit der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts einen geheimen Reiz bei, dem jedes Herz sich öffne, und sucht diese Anziehung aus der Tiefe und Zartheit des Gefühls sowie aus der wunderbaren Vereinigung zu erklären, in welche jene Maler halbdeutliche Erinnerungen aus den ältesten christlichen Kunstbestrebungen mit den milderen Vorstellungen der neueren Gegenwart zu bringen verstanden und in dieser Rücksicht ihre toskanischen, lombardischen und venezianischen Zeitgenossen überragten. (Italienische Forschungen, Bd. II, S. 310.)

Diesen Ausdruck nun “fleckenloser Seelenreinheit und gänzlicher Hingebung in süßschmerzliche und schwärmerische zärtliche Gefühle” wußte auch Pietro Perugino, der Meister Raffaels, sich anzueignen und damit die Objektivität und Lebendigkeit der äußeren Gestalten, das Eingehen auf das Wirkliche und Einzelne zu verschmelzen, wie es vornehmlich von den Florentinern war ausgebildet worden.

Von Perugino nun, an dessen Geschmack und Stil Raffael in seinen Jugendarbeiten noch gefesselt erscheint, geht Raffael zur vollständigsten Erfüllung jener oben angedeuteten ((122)) Forderung fort.

Bei ihm nämlich vereinigt sich die höchste kirchliche Empfindung für religiöse Kunstaufgaben sowie die volle Kenntnis und liebereiche Beachtung natürlicher Erscheinungen in der ganzen Lebendigkeit ihrer Farbe und Gestalt mit dem gleichen Sinn für die Schönheit der Antike.

Diese große Bewunderung vor der idealischen Schönheit der Alten brachte ihn jedoch nicht etwa zur Nachahmung und aufnehmenden Anwendung der Formen, welche die griechische Skulptur so vollendet ausgebildet hatte, sondern er faßte nur im allgemeinen das Prinzip ihrer freien Schönheit auf, die bei ihm nun durch und durch von malerisch individueller Lebendigkeit und tieferer Seele des Ausdrucks sowie von einer bis dahin den Italienern noch nicht bekannten offenen, heiteren Klarheit und Gründlichkeit der Darstellung durchdrungen war.

In der Ausbildung und gleichmäßig verschmelzenden Zusammenfassung dieser Elemente erreichte er den Gipfel seiner Vollendung.

Es gibt nichts Lieblicheres als Correggios Naivität nicht natürlicher, sondern religiöser, geistiger Anmut; nichts Süßeres als seine lächelnde, bewußtlose Schönheit und Unschuld.

Die malerische Vollendung dieser großen Meister ist eine Höhe der Kunst, wie sie nur einmal von einem Volke in dem Verlauf geschichtlicher Entwicklung kann erstiegen werden.

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  1. Die niederländische und deutsche Malerei

Was nun dritterts die deutsche Malerei angeht, so können wir die eigentlich deutsche mit der niederländischen zusammenstellen.

Der allgemeine Unterschied gegen die Italiener besteht hier ((123)) darin, daß weder die Deutschen noch die Niederländer aus sich selbst zu jenen freien idealen Formen und Ausdrucksweisen hingelangen wollen oder können, denen es ganz entspricht, in die geistige verklärte Schönheit übergegangen zu sein.

Dafür bilden sie aber auf der einen Seite den Ausdruck für die Tiefe der Empfindung und die subjektive Beschlossenheit des Gemüts aus; auf der anderen Seite bringen sie zu dieser Innigkeit des Glaubens die ausgebreitetere Partikularität des individuellen Charakters hinzu, der nun nicht nur die alleinige innere Beschäftigung mit den Interessen des Glaubens und Seelenheils kundgibt, sondern auch zeigt, wie sich die dargestellten Individuen auch um die Weltlichkeit bemüht, sich mit den Sorgen des Lebens herumgeschlagen und in dieser schweren Arbeit weltliche Tugenden, Treue, Beständigkeit, Geradheit, ritterliche Festigkeit und bürgerliche Tüchtigkeit erworben haben.

Bei diesem mehr in das Beschränkte versenkten Sinn finden wir zugleich im Gegensatz der von Hause aus reineren Formen und Charaktere der Italiener hier, bei den Deutschen besonders, mehr den Ausdruck einer formellen Halsstarrigkeit widerspenstiger Naturen, welche sich entweder mit der Energie des Trotzes und der brutalen Eigenwilligkeit Gott gegenüberstellen oder sich Gewalt anzutun genötigt sind, um sich mit saurer Arbeit aus ihrer Beschränktheit und Roheit herausreißen und zur religiösen Versöhnung durchkämpfen zu können, so daß nun die tiefen Wunden, die sie ihrem Inneren schlagen müssen, noch in dem Ausdruck ihrer Frömmigkeit zum Vorschein kommen.

In Rücksicht auf das Nähere will ich nur auf einige Hauptpunkte aufmerksam machen, welche in betreff der älteren niederländischen Schule im Unterschiede der oberdeutschen und der späteren holländischen Meister des siebzehnten Jahrhunderts von Wichtigkeit sind.

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  1. Unter den älteren Niederländern ragen besonders die Gebrüder van Eyck, Hubert und Johann, schon im Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts hervor, deren Meisterschaft ((124)) man erst in neuerer Zeit wieder hat schätzenlernen.

Sie werden bekanntlich als die Erfinder oder wenigstens als die eigentlichen ersten Vollender der Ölmalerei genannt.

Bei dem großen Schritte, den sie vorwärts taten, könnte man nun glauben, daß sich hier von früheren Anfängen her eine Stufenleiter der Vervollkommnung müßte nachweisen lassen.

Von solch einem allmählichen Fortschreiten aber sind uns keine geschichtlichen Kunstdenkmäler aufbewahrt.

Anfang und Vollendung steht bis jetzt für uns mit einem Male da.

Denn vortrefflicher, als diese Brüder es taten, kann fast nicht gemalt werden.

außerdem beweisen die übriggebliebenen Werke, in welchen das Typische bereits beiseite gestellt und überwunden ist, nicht nur eine große Meisterschaft in Zeichnung, Stellung, Gruppierung, innerer und äußerer Charakteristik, Wärme, Klarheit, Harmonie und Feinheit der Färbung, Großartigkeit und Abgeschlossenheit der Komposition; sondern auch der ganze Reichtum der Malerei in betreff auf Naturumgebung, architektonisches Beiwerk, Hintergründe, Horizont, Pracht und Mannigfaltigkeit der Stoffe, Kleidung, Art der Waffen, des Schmuckes usf. ist bereits mit solcher Treue, mit so viel Empfindung für das Malerische und solch einer Virtuosität behandelt, daß selbst die späteren Jahrhunderte, wenigstens von seiten der Gründlichkeit und Wahrheit, nichts Vollendeteres aufzuzeigen haben.

Dennoch werden wir durch die Meisterwerke der italienischen Malerei, wenn wir sie diesen niederländischen gegenüberstellen, mehr angezogen werden, weil die Italiener bei voller Innigkeit und Religiosität die geistreiche Freiheit und Schönheit der Phantasie voraushaben.

Die niederländischen Figuren erfreuen zwar auch durch Unschuld, Naivität und Frömmigkeit, ja in Tiefe des Gemüts übertreffen sie zum Teil die besten Italiener, aber zu der gleichen Schönheit der Form und Freiheit der Seele haben sich die niederländischen Meister nicht zu erheben vermocht; und besonders sind ihre Christkinder übel gestaltet, und ihre übrigen Charaktere, Männer und Frauen, wie sehr sie auch innerhalb des religiösen ((125)) Ausdrucks zugleich eine durch die Tiefe des Glaubens geheiligte Tüchtigkeit in weltlichen Interessen kundgeben, würden doch über dies Frommsein hinaus oder vielmehr unter demselben unbedeutend und gleichsam unfähig erscheinen, in sich frei, phantasievoll und höchst geistreich zu sein.

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  1. Eine zweite Seite, welche Berücksichtigung verdient, ist der Übergang aus der ruhigeren, ehrfurchtsvollen Frömmigkeit zur Darstellung von Martern, zum Unschönen der Wirklichkeit überhaupt.

Hierin zeichnen sich besonders die oberdeutschen Meister aus, wenn sie in Szenen aus der Passionsgeschichte die Roheit der Kriegsknechte, die Bosheit des Spottes, die Barbarei des Hasses gegen Christus im Verlauf seines Leidens und Sterbens mit großer Energie in Charakteristik der Häßlichkeiten und Mißgestaltungen hervorkehren, welche als äußere Formen der inneren Verworfenheit des Herzens entsprechend sind.

Die stille schöne Wirkung ruhiger, inniger Frömmigkeit ist zurückgesetzt, und bei der Bewegtheit, welche die genannten Situationen vorschreiben, wird zu scheußlichen Verzerrungen, Gebärden der Wildheit und Zügellosigkeit der Leidenschaften fortgegangen.

Bei der Fülle der durcheinandertreibenden Gestalten und der überwiegenden Roheit der Charaktere fehlt es solchen Gemälden auch leicht an innerer Harmonie sowohl der Komposition als auch der Färbung, so daß man besonders beim ersten Wiederaufleben des Geschmacks an älterer deutscher Malerei bei der im ganzen geringeren Vollendung der Technik viele Verstöße in Rücksicht auf die Entstehungszeit solcher Werke gemacht hat.

Man hielt sie für älter als die vollendeteren Gemälde der van Eyckschen Epoche, während sie doch größtenteils in eine spätere Zeit fallen.

Jedoch sind die oberdeutschen Meister nicht etwa bei diesen Darstellungen ausschließlich stehengeblieben, sondern haben gleichfalls die mannigfaltigsten religiösen Gegenstände behandelt und sich auch in Situationen der Passionsgeschichte, wie Albrecht Dürer z.B., dem Extrem der bloßen Roheit ((126)) siegreich zu entwinden verstanden, indem sie sich auch für dergleichen Aufgaben einen inneren Adel und eine äußere Abgeschlossenheit und Freiheit bewahrten.

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  1. Das letzte nun, wozu es die deutsche und niederländische Kunst bringt, ist das gänzliche Sicheinleben ins Weltliche und Tägliche und das damit verbundene Auseinandertreten der Malerei in die verschiedenartigsten Darstellungsarten, welche sich sowohl in Rücksicht des Inhalts als auch in betreff der Behandlung voneinander scheiden und einseitig ausbilden.

Schon in der italienischen Malerei macht sich der Fortgang bemerkbar von der einfachen Herrlichkeit der Andacht zu immer hervortretenderer Weltlichkeit, die hier aber, wie z.B. bei Raffael, teils von Religiosität durchdrungen, teils von dem Prinzip antiker Schönheit begrenzt und zusammengehalten bleibt, während der spätere Verlauf weniger ein Auseinandergehen in die Darstellung von Gegenständen aller Art am Leitfaden des Kolorits ist als ein oberflächlicheres Zerfahren oder eklektisches Nachbilden der Formen und Malweisen.

Die deutsche und niederländische Kunst dagegen hat am bestimmtesten und auffallendsten den ganzen Kreis des Inhalts und der Behandlungsarten durchlaufen: von den ganz traditionellen Kirchenbildern, einzelnen Figuren und Brustbildern an zu sinnigen, frommen, andächtigen Darstellungen hinüber bis zur Belebung und Ausdehnung derselben in größeren Kompositionen und Szenen, in welchen aber die freie Charakterisierung der Figuren, die erhöhte Lebendigkeit durch Aufzüge, Dienerschaft, zufällige Personen der Gemeinde, Schmuck der Kleider und Gefäße, der Reichtum von Porträts, Architekturwerken, Naturumgebung, Aussichten auf Kirchen, Straßen, Städte, Ströme, Waldungen, Gebirgsformen auch noch von der religiösen Grundlage zusammengefaßt und getragen wird.

Dieser Mittelpunkt nun ist es, der jetzt fortbleibt, so daß der bis hierher in eins gehaltene Kreis von Gegenständen auseinanderfällt und die Besonderheiten in ihrer spezifischen Einzelheit und Zufälligkeit des Wechsels und der ((127)) Veränderung sich der vielfältigsten Art der Auffassung und malerischen Ausführung preisgeben.

Um den Wert dieser letzten Sphäre auch an dieser Stelle, wie früher bereits, vollständig zu würdigen, müssen wir uns noch einmal den nationalen Zustand näher vor Augen bringen, aus welchem sie ihren Ursprung genommen hat.

In dieser Beziehung haben wir das Herübertreten aus der Kirche und den Anschauungen und Gestaltungen der Frömmigkeit zur Freude am Weltlichen als solchem, an den Gegenständen und partikularen Erscheinungen der Natur, an dem häuslichen Leben in seiner Ehrbarkeit, Wohlgemutheit und stillen Enge, wie an nationalen Feierlichkeiten, Festen und Aufzügen, Bauerntänzen, Kirmesspäßen und Ausgelassenheiten folgendermaßen zu rechtfertigen.

Die Reformation war in Holland durchgedrungen; die Holländer hatten sich zu Protestanten gemacht und die spanische Kirchen- und Königsdespotie überwunden.

Und zwar finden wir hier nach seiten des politischen Verhältnisses weder einen vornehmen Adel, der seinen Fürsten und Tyrannen verjagt oder ihm Gesetze vorschreibt, noch ein ackerbauendes Volk, gedrückte Bauern, die losschlagen wie die Schweizer; sondern bei weitem der größere Teil, ohnehin der Tapferen zu Land und der kühnsten Seehelden, bestand aus Städtebewohnern, gewerbefleißigen, wohlhabenden Bürgern, die, behaglich in ihrer Tätigkeit, nicht hoch hinauswollten, doch, als es gaIt, die Freiheit ihrer wohlerworbenen Rechte, der besonderen Privilegien ihrer Provinzen, Städte, Genossenschaften zu verfechten, mit kühnem Vertrauen auf Gott, ihren Mut und Verstand aufstanden, ohne Furcht vor der ungeheuren Meinung von der spanischen Oberherrschaft über die halbe Welt alIen Gefahren sich aussetzten, tapfer ihr Blut vergossen und durch diese rechtliche Kühnheit und Ausdauer sich ihre religiöse und bürgerliche Selbständigkeit siegreich errangen.

Wenn wir irgendeine partikulare Gemütsrichtung deutsch nennen können, so ist es diese treue, wohlhäbige, gemütvolle Bürgerlichkeit, die im Selbstgefühl ohne Stolz, in der Frömmigkeit ((128)) nicht bloß begeistert und andächtelnd, sondern im Weltlichen konkret-fromm, in ihrem Reichtum schlicht und zufrieden, in Wohnung und Umgebung einfach, zierlich und reinlich bleibt und in durchgängiger Sorgsamkeit und Vergnuglichkeit in allen ihren Zuständen, mit ihrer Selbständigkeit und vordringenden Freiheit sich zugleich, der alten Sitte treu, die altväterliche Tüchtigkeit ungetrübt zu bewahren weiß.

Diese sinnige, kunstbegabte Völkerschaft will sich nun auch in der Malerei an diesem ebenso kräftigen als rechtlichen, genügsamen, behaglichen Wesen erfreuen, sie will in ihren Bildern noch einmal in allen möglichen Situationen die Reinlichkeit ihrer Städte, Häuser, Hausgeräte, ihren häuslichen Frieden, ihren Reichtum, den ehrbaren Putz ihrer Weiber und Kinder, den Glanz ihrer politischen Stadtfeste, die Kühnheit ihrer Seemänner, den Ruhm ihres Handels und ihrer Schiffe genießen, die durch die ganze Welt des Ozeans hinfahren.

Und eben dieser Sinn für rechtliches, heiteres Dasein ist es, den die holländischen Meister auch für die Naturgegenstände mitbringen und nun in allen ihren malerischen Produktionen mit der Freiheit und Treue der Auffassung, mit der Liebe für das scheinbar Geringfügige und Augenblickliche, mit der offenen Frische des Auges und unzerstreuten Einsenkung der ganzen Seele in das Abgeschlossenste und Begrenzteste zugleich die höchste Freiheit künstlerischer Komposition, die feine Empfindung auch für das Nebensächliche und die vollendete Sorgsamkeit der Ausführung verbinden.

Auf der einen Seite hat diese Malerei in Szenen aus dem Kriegs- und Soldatenleben, in Auftritten in Schenken, bei Hochzeiten und anderen bäurischen Gelagen, in Darstellung häuslicher Lebensbezüge, in Porträts und Naturgegenständen, Landschaften, Tieren, Blumen usf. die Magie und Farbenzauber des Lichts, der Beleuchtung und des Kolorits überhaupt, andererseits die durch und durch Iebendige Charakteristik in größter Wahrheit der Kunst unübertrefflich ausgebildet.

Und wenn sie nun aus dem Unbedeutenden ((129)) und Zufälligen auch in das Bäurische, die rohe und gemeine Natur fortgeht, so erscheinen diese Szenen so ganz durchdrungen von einer unbefangenen Froheit und Lustigkeit, daß nicht das Gemeine, das nur gemein und bösartig ist, sondern diese Froheit und Unbefangenheit den eigentlichen Gegenstand und Inhalt ausmacht.

Wir sehen deshalb keine gemeinen Empfindungen und Leidenschaften vor uns, sondern das Bäurische und Naturnahe in den unteren Ständen, das froh, schalkhaft, komisch ist.

In dieser unbekümmerten Ausgelassenheit selber liegt hier das ideale Moment es ist der Sonntag des Lebens, der alles gleichmacht und alle Schlechtigkeit entfernt Menschen, die so von ganzem Herzen wohlgemut sind, können nicht durch und durch schlecht und niederträchtig sein.

Es ist in dieser Rücksicht nicht dasselbe, ob das Böse nor als momentan oder als Grundzug in einem Charakter heraustritt.

Bei den Niederländern hebt das Komische das Schlimme in der Situation auf, und uns wird sogleich klar die Charaktere können auch noch etwas anderes sein als das, worin sie in diesem Augenblick vor uns stehen.

Solch eine Heiterkeit und Komik gehört sum unschätzbaren Wert dieser Gemälde.

Will man dagegen in heutigen Bildern der ähnlichen Art pikant sein, so stellt man gewöhnlich etwas innerlich Gemeines, Schlechtes und Böses ohne versöhnende Komik dar.

Ein böses Weib z.B. zankt ihren betrunkenen Mann in der Schenke aus, und zwar recht bissig da zeigt sich denn, wie ich schon früher einmal anführte, nichts, als daB er ein liederlicher Kerl und sie ein geifriges altes Weib ist.

Sehen wir die holländischen Meister mit diesen Augen an, so werden wir nicht mehr meinen, die Malerei hätte sich solcher Gegenstände enthalten und nur die alten Götter, Mythen ond Fabeln oder Madonnenbilder, Kreuzigungen, Martern, Päpste, Heilige und Heiliginnen darstellen sollen.

Das, was so jedem Kunstwerk gehört, gehört auch zur Malerei die Anschauung, was überhaupt am Menschen, am menschlichen Geist und Charakter, was der Mensch und ((130)) was dieser Mensch ist.

Diese Auffassung der inneren menschlichen Natur und ihrer äußeren lebendigen Formen und Erscheinungsweisen, diese unbefangene Lust und künstlerische Freiheit, diese Frische und Heiterkeit der Phantasie und sichere Keckheit der Ausführung macht hier den poetischen Grundzug aus, der durch die meisten holländischen Meister dieses Kreises geht.

In ihren Kunstwerken kann man menschliche Natur und Menschen studieren und kennenlernen.

Heutigentags aber muss man sich noch allzuoft Porträts und historische Gemälde vor Augen bringen lassen, denen man aller Ähnlichkeit mit Menschen und wirklichen Individuen zum Trotz doch auf den ersten Blick schon ansieht, daß der Künstler weder weiß, was der Mensch und menschliche Farbe, noch was die Formen sind, in denen der Mensch, daß er Mensch sei, ausdrückt.