Hegel Dreieck - Logik

Unterscheidung Seinslogik, Wesenslogik und Begriffslogik

Bevor Hegel in das Denken über Natur und Geist (Gesellschaft) geht, vergewissert er sich grundsätzlicher Denk(und Sach-)logiken, von denen er unterscheidet: Seinslogik, Wesenslogik und Begriffslogik.

Zur Aufteilung dieser drei Logiken

Wie alle Kategorien haben auch diese Worte, z.B. die “Wesenslogik” einen eigenen Inhalt - der ist aber nur gegenüber den anderen, im Vergleich mit dem, was von ihm unterschieden ist, bedeutsam. Also, was unterscheidet die Wesenslogik von der Seinslogik und der Begriffslogik?

Sein

Die Seinslogik nimmt ursprüngliche Kategorien als gegeben an, und das ist bei Hegel z.B. das “Sein” und das “Nichts.” Es geht dabei im ersten Schritt (der Seinslogik) NUR um die Identität, die die Kategorie zu dem macht, was sie ist. Über diese Identität kann nicht groß nachgedacht werden, es gibt noch keine Begriffe dafür, nur in der Anschauung kann das Einzelne ohne Bezug zu Anderem angeschaut werden (nur als Identität mit sich selbst). Oder mal mit einem (eigentlich nicht ganz passendem Beispiel) gesagt: Wenn ich mich in der Seinslogik aufhalte, kann ich erkennen, daß z.B. da ein langer Schlauch ist, mit Rillen, der herumschlenkert und woanders ein Bindfaden mit einer Quaste, daneben etwas runzlig-Ledriges.. alles unmittelbare Seinserfahrungen. In der Seinslogik habe ich nur ganz isolierte Anschauungen von einzelnen Elementen. Manche Erkenntnistheorien wollen ja auch bewußt davon ausgehen und möglichst bei ihnen bleiben, um nicht in die Metaphysik “abzuirren.”

Übergang zur Wesenslogik:

Jetzt kommt aber die erste “metaphysische” Frage. Wie hängt das zusammen? Was ist der Grund für dieses Gegebene. (Nicht nur im Sinne einer physischen Ursache)? Warum ist das? Ich werde also die Beziehung des mit sich Identischen mit seiner Umwelt, mit Anderem in den Blick nehmen müssen. Neben diesem mit sich Identischen gibt es etwas Anderes, was in Beziehung zu ihm steht und das Identische erweist sich in sich als durch unterschiedliche Teile gebildet. Dadurch entstehen Unterscheidungen. Die unterschiedenen Teile sind in Beziehungen, sie können unterschiedlich, gegensätzlich und auch widersprüchlich sein – auf jeden Fall sind sie nicht völlig gleichgültig gegeneinander, sondern sie bilden in dieser Beziehung ihre Einheit. Von dieser Einheit erkennen wir zuerst nur das abstrakte Wesen:

Wir werden feststellen, daß manche unsrer isolierten Erscheinungen recht oft oder gar immer zusammen auftreten. Rillenschlauch und Bürstenquaste befinden sich z.B. immer in einem Abstand voneinander, der zwischen 5.50 Meter und 7,50 Meter liegt. Damit haben wir ein Gesetz gefunden. Wir wissen immer noch nicht was Strick und Schlauch genau sind, aber der Grund, warum die Quaste jetzt hier ist, liegt in diesem abstrakten Sinne darin, daß der Schlauch in höchstens einer Entfernung von 7,50 Meter ist und umgekehrt.. Bzw. wir können die Erscheinung der Quaste mit dem Gesetz “Quaste und Schlauch befinden sich immer in einem Abstand von kleiner 7,50 m” erklären.

Wir haben jetzt eine Instanz mehr als bloß die beliebige Summe aller Erscheinungen. In der Wissenschaftsphilosophie entsteht jetzt das Problem zu verstehen, was ein Gesetz ist, da es tatsächlich nicht einfach nur eine induktive Tatsachen(Erscheinungs-)verallgemeinerung sein kann. Bekannt ist, daß hinter dieser Verallgemeinerung eine Art Notwendigkeit steckt, die für die nur-analytische Philosophie ein Rätsel ist und ewig bleiben wird. Diese Notwendigkeit hat nämlich mit dem ominösen “Wesen” zu tun.

Hegel meint, diese Zusammenhänge sind nicht mehr nur innerhalb einer (nichtmetaphysisch, positivistischen) Seinslogik zu verstehen. Dafür gibt’s die Wesenslogik.

Wesen

Wesen ist bei Hegel NICHT identisch mit Substanz oder der mittelalterlichen Essenz - dies nur gegen Verwechslungsgefahren..

Im Prinzip kann man sich der Wesensfrage von mehreren Richtungen her nähern:

  1. Das Wesen ist der Grund der Existenz. Alles was real existiert, beruht auf dem Grund seines Wesens. (Die Existentialisten lehnen dies ab: die Existenz komme vor der Essenz)
  2. Das Wesen läßt sich charakterisieren durch den Unterschied zur Erscheinung.

Hier zeigt sich meines Erachtens die Stärke dieser Denkweise. Das Wesen ist dabei u.a. das, was bei der zeitlichen Veränderung des Seienden stabil und ruhig bleibt (wie das Keplersche Gesetz, obwohl die Planeten sich ja bewegen).

Viel mehr braucht man sich nicht dabei vorzustellen. Es wäre völlig falsch, das Wesen als ein Seiendes “anschauen” zu wollen. Es befindet sich auf einer anderen Ebene unseres Denkvermögens (dem des Verstandes, nicht der Anschauung). Das Wesen liegt nicht als unmittelbar Gegebenes auf der Hand, es kann nur “hinter” der Erscheinung stecken, es erscheint und es muss glücklicherweise erscheinen, sonst wäre es nicht erkennbar. Es gibt deshalb auch keine “Übersetzung” in das Anschauungsvermögen des Alltagsverstands.

Die Unterscheidung von Wesen und Erscheinung ist meiner Meinung nach nicht verzichtbar. Ich weiß nicht, wie wir sonst über Kapitalismus denken sollen. Ist er nur die Summe aller unmittelbar gegebenen Tatsachen, ohne Zusammenhang und Hintergrund??? Nein, alles was mit Zusammenhang, Beziehung, Verhältnis und Wechselwirkung zu tun hat, ist in der Wesenslogik verankert, auch wenn uns das nicht immer bewußt ist. Sobald wir deren reale Existenz neben (bzw. statt) der Existenz isolierter Einzeldinge annehmen, denken wir wesenslogisch und damit “essentialistisch” und “metaphysisch.”

Inwieweit das Wesen tatsächlich unveränderlich ist, dazu hat Marx etwas beigetragen durch die Historisierung, die es bei Hegel tatsächlich nicht gibt. Das läßt sich aber an Hegel anschließen, ohne auf die Grundidee der Unterscheidung von Seins- und Wesenslogik zu verzichten.

Aber da ist Hegel noch nicht am Schluß.

Warum die Wesenslogik durch das Weitergehen nicht abgewertet wird.

Begriff

Mit dem abstrakten Gesetz, daß Schlauch und Quaste immer in so und so viel Entfernung voneinander sind, wissen wir noch nicht viel. Und damit kommt Hegel zur Begriffslogik. Wir müssen dieses abstrakte Wissen zurückführen auf konkrete Inhalte. Es ist ganz konkret inhaltlich bestimmt der Elefant, der die angeschauten Quasten und Schläuche und Lederhäute vereint.

Hegel spräche weniger materialistisch; er würde den Begriff von Quaste und Schlauch im Begriff des Elefanten vereinen. Wenn wir über Denklogiken sprechen stimmt es aber schon: Erst wenn wir den Begriff des Elefanten haben, verstehen wir den wirklichen Zusammenhang von Rüssel, Schwanz, Haut usw.. des Elefanten. Übrigens: Wir haben jetzt erst auch die richtigen Worte für diese Erscheinungen: Die Totalität (diese Kategorie kennzeichnet die Begriffslogik, während die Einheit in der Wesenslogik im Unterschied dazu “Ganzes” genannt wird) bestimmt auch die Momente (die in der Begriffslogik die Teile ersetzen). Zur Begriffslogik (und damit vom Verstand zur Vernunft) kommen wir von der Wesenslogik her wieder mit der Frage: “Warum ist das?” - bekommen als Antwort aber nicht nur den abstrakten Zusammenhang, sondern etwas inhaltlich-“konkret-Allgemeines.” (durch das “Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten”).

Da Philosophieren immer was mit Begründen (Antwort auf die Warum-Frage) zu tun hat, ist das schon richtig schöne Philosophie.. Ob sie was nützt beim Erkennen der Welt? Das muss wohl jede/r selbst entscheiden.

Auf jeden Fall wäre es ein Verlust, aus Angst vor “Totalitarismus” beim Austausch von anschauend-deutenden Meinungen stehen zu bleiben. Wenn wir uns darum sorgen, daß das Ganze/die Totalität zu geschlossen-systematisch werden könnte, müssen wir uns allerdings hinein begeben und mit an den offenen Ausgängen arbeiten..

In der sprachlichen Praxis geschieht es auch oft, dass jenes, was erst begriffslogisch begriffen ist, schon in anderen Denkformen gemeint ist. Wir kennen ein “einerseits” und ein “andererseits” (einerseits konstituieren die Akteure die Gesellschaft, andererseits ermöglicht und beschränkt die Gesellschaft die Akteure) und meinen, dies einfach “zusammen nehmen” zu können. Das ist jedoch nicht gemeint mit dem “Begreifen.” Im begreifenden Denken ist nicht einerseits erst das eine gesetzt (die Akteure) und dann emergiert das andere (die Gesellschaft) und andererseits wird das andere als unabhängig vom einen gesetzt genommen (die Gesellschaft) und das eine abgeleitet (die Akteure). Als Begriff muss von der “Identität der Identität und des Unterschieds” ausgegangen werden. Der Akteur trägt die Gesellschaft schon “in sich” und die Gesellschaft ist nicht (logisch oder zeitlich) “vor” den Akteuren da, sondern existiert als notwendiger Vermittlungszusammenhang im Handeln der Individuen. Natürlich ist dies oft schon im vorherigen Denkmodus implizit gemeint - es muss aber explizit ausgearbeitet werden.

".. das systematische Fortschreiten im Philosophieren besteht eigentlich in nichts als darin, zu wissen, was man selbst schon gesagt hat (Hegel Werke 4, S. 434f.)

Die graphische Darstellung ist als “fertiges Bild” dem Prozeß der Hegelschen Systematik nicht angemessen. Deshalb haben wir versucht, die Übergänge der Begriffsmomente prozessual abzubilden (Danke, Tanja, für das Gestalten der animierten gif..).